Laufbandtraining hält Patienten mit Parkinson länger im Gleichgewicht und auf den Beinen. Dazu gibt es nun neue Daten aus Deutschland: In einer randomisiert-kontrollierten Studie des Universitätsklinikums Erlangen in Kooperation mit der Abteilung für Sportwissenschaft und Sport aus Erlangen hatten 38 Studienteilnehmer signifikante Vorteile davon, 8 Wochen lang zweimal pro Woche jeweils 30 Minuten lang intensiv zu trainieren [1].
Besonders profitierte eine Teilnehmergruppe, die auf einem innovativen Laufband-Prototypen trainierte, dessen Lauffläche leicht hin und her kippte. Studienleiter Dr. Heiko Gaßner, Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Bewegungsanalyse in der Abteilung für Molekulare Neurologie am Universitätsklinikum Erlangen, betont: „Dass die Effekte anhielten, legt nahe, dass das Laufbandtraining mit Perturbationen eine zusätzliche Therapiemöglichkeit bei parkinsonbedingten Gang- und Gleichgewichtsdefiziten sein könnte.“

Dr. Christian Schlenstedt
„Die Effekte übersteigen zum Teil deutlich die Grenze der klinisch relevanten Veränderung. Das ist für Trainingsinterventionen keine Selbstverständlichkeit“, kommentiert Dr. Christian Schlenstedt, Leiter des Bereichs Neuromechanik & Neurorehabilitation der Klinik für Neurologie am Universitätskrankenhaus Schleswig-Holstein (UKSH) in Kiel und aktiv in der Deutschen Parkinson Gesellschaft (DPG).
Er betont: „Das Ergebnis ist daher sehr vielversprechend und unterstreicht die Bedeutung von Bewegungstherapie bei Morbus Parkinson.“
Ein Laufband mit besonderen Eigenschaften, 2 Patientengruppen
Gaßner und sein Team gingen einen Schritt weiter als Kollegen, die zuvor die Wirkung des Laufbandtrainings auf Parkinsonpatienten analysiert hatten. Sie testeten zusätzlich, welche Effekte leichte Kippbewegungen während des Gehens auf die Symptome der Trainierenden haben. Schließlich mussten die Patienten sich ständig neu ausrichten, um die Balance zu halten.
Alle Patienten bekamen eine individuelle Intensitätsanpassung ihres Trainings und waren während des Laufens so gesichert, dass sie nicht stürzen konnten. Schlenstedt nennt die Studie „formal und inhaltlich adäquat konzipiert“.
Ab 2014 rekrutierten die Wissenschaftler Patienten, deren Erkrankung das Stadium 1 bis 3,5 auf der Hoehn und Yahr-Skala erreicht hatten, die also noch ohne Gehhilfe gehen konnten.
Im die motorischen Fähigkeiten erfassenden Teil der Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (UPDRS), UPDRS-III, in Kategorie 29 (Gang) und 30 (Haltungsstabilität), mussten die Teilnehmer in mindestens einer Kategorie einen Punkt erreichen. Von Interesse waren zudem die Punkte für die Kategorien 27 (Aufstehen von einem Stuhl) und 28 (Haltung). Gemeinsam lässt sich mithilfe der Kategorien 27 bis 30 der UPDRS-III der Postural Instability and Gait Difficulty Score, kurz PIGD, ermitteln.
Bis zum Juli 2016 sammelten die Wissenschaftler die Daten von 43 Teilnehmern, 38 von ihnen absolvierten das gesamte Programm – 8 Wochen Training, 12 Wochen Follow-up. Ihre Parkinson-Medikation blieb währenddessen stabil. Von den Absolventen waren 27 männlich, 11 weiblich, das Alter lag zwischen 54 und 76 Jahren.
18 Patienten waren der Gruppe mit den Kippbewegungen, der Perturbation Treadmill Training Group (kurz PTT-Gruppe) zugeteilt worden, 20 der konventionellen Laufbandtraining-Gruppe (kurz CTT). Der durchschnittliche Body-Mass-Index (um 25), die Dauer seit Erkrankungsbeginn (7,9 vs. 7,3 Jahre) und die Schwere der Erkrankung laut Hoehn und Yahr Skala (2,6 vs. 2,5) waren vergleichbar zwischen den Gruppen.
Deutliche Vorteile sichtbar – und sie hielten an
Nach 8 Wochen hatten sich die motorischen Defizite der Teilnehmer in beiden Gruppen deutlich verbessert. Hierbei galt den Autoren zufolge: „Bemerkenswert war, dass nur die PTT-Gruppe signifikante Verbesserungen sowohl im PIGD-Wert als auch in den Kategorien Gang und Haltungsstabilität aufwies.“
Der PIGD-Wert war um 34% gesunken, die Punktzahl für den Gang um 50%, die für Haltungsstabilität um 40%. Insgesamt kann der PIGD-Wert von 0 bis 16 variieren, wobei 0 für normale Bewegungsabläufe und 16 für völlige Abhängigkeit von der Hilfe Dritter steht.
Die Trainingseffekte waren deutlich größer im Vergleich mit der Kontrollgruppe, die das konventionelle Training auf dem Laufband absolviert hatte: Der PIGD-Wert in der CTT-Gruppe hatte sich um 24% verringert, der Wert für den Gang um 22%, der für die Haltungsstabilität um 33%.
Die ganze Skala UPDRS-III betrachtend, die 14 Kategorien mit jeweils der Höchstpunktzahl 4 umfasst, gingen durch das konventionelle Laufbandtraining die motorischen Symptome im Untersuchungszeitraum um durchschnittlich 4,1 Punkte zurück. Beim Training mit zusätzlichen Kippbewegungen sank der Wert um 6,7 Punkte.
Noch beachtlicher: Bis zum Follow-up 3 Monate nach Abschluss der Intervention waren die Fortschritte in beiden Gruppen weitgehend erhalten geblieben. Bei der PTT-Gruppe lag das durchschnittliche UPDRS-III-Ergebnis immer noch 6,2 Punkte unter dem Wert bei Studienbeginn, in der CTT-Gruppe waren es durchschnittlich 3,8 Punkte weniger.
Fast alle Teilnehmer vertrugen das Training gut: Aus der gesamten Gruppe (n = 43) hörte lediglich ein Teilnehmer der PTT auf, weil er infolge der Intervention orthopädische Beschwerden bekam.
Besondere Beachtung verdient der Vergleich der PTT-Gruppe mit einer gematchten Parkinson-Kontrollkohorte aus Franken, die parallel zum Laufbandtraining über mehrere Monate beobachtet wurde. Diese Gruppe erhielt bestmögliche medizinische Versorgung (BMV) wie auch alle Laufband-Studienteilnehmer, konnte aber aus logistischen Gründen nicht am Laufbandtraining teilnehmen.
Der Vergleich zwischen PTT und BMV beim Follow-up zeigt eine signifikante Verbesserung der PTT-Gruppe im UPDRS-III, PIGD-Wert und beim Gangbild, was für einen deutlichen Mehrwert durch Bewegung spricht.
Aktuelle Studien rund um Parkinson und Bewegung
Außerhalb der Studie ist ein Laufbandtraining mit Perturbationen noch nicht für Patienten zugänglich. Andere Trainings, informiert Gaßner, finden sie inzwischen aber an vielen Orten in Deutschland. Und in der Regel übernehmen die Krankenkassen die Kosten für den Parkinson-Rehabilitationssport über 3 Jahre.

Dr. Heiko Gaßner
Was sich noch mehr herumsprechen sollte, sei die präventive Wirkung von Sport: „Eine Metaanalyse hat kürzlich an Studien mit über 2.000 Parkinson-Patienten gezeigt, dass regelmäßige, moderate bis starke sportliche Aktivität das Risiko, an Parkinson zu erkranken, substantiell verringert“, betont Gaßner, „insbesondere bei Männern“.
Wie es mit dem Laufband mit Perturbationen weitergeht? Gaßner verrät: „Nächstes Ziel für die Etablierung dieses speziellen Trainings ist eine größere Langzeitstudie. Hier gilt es auch, die Trainingsbedingungen in Bezug auf die Intensität der Perturbationen und Anpassung an individuelle Voraussetzungen zu untersuchen mit dem Ziel, eine optimale Dosis-Wirkung-Beziehung für die Patienten zu erreichen.“
Schlenstedt befürwortet solche und ähnliche Studien zugunsten von Parkinson-Patienten: „Das Gehen im Alltag erfordert ein variables Anpassen an die Umwelt. Daher ist die Integration von Störreizen in ein Laufbandtraining besonders relevant“, merkt er an.
„Das kann zum Beispiel über virtuelle Realität erfolgen, bei der man sich in einer computergenerierten interaktiven Umgebung befindet, und beispielsweise beim Gehen Hindernissen ausweichen muss. Aber auch Split-Belt-Laufbänder, bei denen durch 2 Bänder rechtes und linkes Bein mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten gehen, müssen wissenschaftlich evaluiert werden. Dieses asymmetrische Gehen ist insbesondere mit Blick auf die Asymmetrie der Parkinsonkrankheit von besonderem Interesse“, so Schlenstedt.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Parkinson: Rauf aufs Laufband, das hin und her kippt! Erlanger Studie spricht für anhaltenden Benefit - Medscape - 28. Jun 2019.
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