Polyzystisches Ovarsyndrom – weit verbreitete Hormonstörung mit unterschätztem Diabetes-Risiko

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

25. Juni 2019

Berlin – Es ist eine der häufigsten endokrinologischen Störungen bei Frauen im fertilen Alter: das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS). „Vielfach nicht ausreichend beachtet wird jedoch das damit verbundene, deutlich erhöhte Diabetes-Risiko der Frauen“, sagte PD Dr. Susanne Reger-Tan vom Universitätsklinikum Essen bei einer Pressekonferenz auf dem Diabetes Kongress 2019 in Berlin [1].

PD Dr. Susanne Reger-Tan

„Wir Ärzte sollten deshalb über die Behandlung der aktuellen PCOS-Beschwerden hinaus unser Augenmerk auch auf die konsequente Abklärung, Überwachung und gegebenenfalls Therapie der metabolischen Komplikationen des PCOS richten“, so Reger-Tan.

Sexualhormonhaushalt außer Balance – „Diabetes bärtiger Frauen“

Die Prävalenz des PCOS bei Frauen im gebärfähigen Alter (Erstmanifestation des Syndroms meist zwischen 20 und 30 Jahren) gab Reger-Tan mit bis zu 15% an.

Typisch für die Erkrankung ist ein Überschuss an Androgenen, der zu teilweise erheblichen äußeren Veränderungen und zur Hemmung der Ovulation bzw. Zyklusstörungen und eingeschränkter Fertilität führen kann. „Der Sexualhormonhaushalt ist außer Balance, oft ist dies verbunden mit Hirsutismus wie Bartwuchs oder übermäßiger Körperbehaarung und androgenetischer Alopezie“, erläuterte die Essener Endokrinologin.

 
Es wird längst nicht immer an das Diabetes-Risiko gedacht bzw. die Patientin über dieses aufgeklärt. PD Dr. Susanne Reger-Tan
 

Als wesentliches Charakteristikum des PCOS nannte sie eine dem Syndrom zugrunde liegende Insulinresistenz – mit der Folge einer Hyperinsulinämie. Der Zusammenhang wurde bereits vor beinahe 100 Jahren erkannt und als „Diabetes bärtiger Frauen“ beschrieben.

Risiko für Typ-2-Diabetes 9-fach erhöht, für Fettleber vervierfacht

„Insulinresistenz und die konsekutive Hyperinsulinämie regen die Produktion von Androgenen weiter an und bewirken, dass die Frauen oft übergewichtig werden und ihr Risiko für Typ-2-Diabetes steigt“, erklärte Reger-Tan. Dieses Risiko sei bei PCOS-Patientinnen bis zu 9-mal höher als bei altersgleichen Frauen ohne das Syndrom.

Darüber hinaus entwickelten Frauen mit PCOS 4-mal häufiger eine nichtalkoholische Fettleber mit erhöhtem Risiko für nichtalkoholische Steatohepatitis, Leberzirrhose und HCC, und sie hätten ein verdoppeltes Risiko, im Falle einer Schwangerschaft einen Gestationsdiabetes zu entwickeln.

Oft werden lediglich Ovulationshemmer verordnet

Internationale Leitlinien zu Diagnose und Management des PCOS weisen zwar explizit auf diese metabolischen Risiken hin und definieren Schwangere mit PCOS als Risikogruppe. „Typischerweise erfolgt pragmatisch bei den jungen Frauen mit Hirsutismus, Akne oder gestörtem Zyklus eine Therapie mit Ovulationshemmern, und es wird längst nicht immer an das Diabetes-Risiko gedacht bzw. die Patientin über dieses aufgeklärt. Viele Frauen möchten sich in diesem Alter auch noch keine Gedanken über mögliche Langzeitfolgen machen“, gab Reger-Tan im Gespräch mit Medscape zu bedenken.

Auf diese Weise lassen sich zwar die Symptome gut behandeln, „unter Umständen wird dann aber erst nach vielen Jahren ein Diabetes-Problem erkannt“.

Patientinnen aufklären und Langzeitfolgen im Auge behalten

Die Essener Endokrinologin plädiert deshalb für eine konsequente Abklärung aller Facetten des PCOS: „Behandelnde Ärzte sollten nicht nur die aktuellen – etwa dermatologischen oder gynäkologischen – Symptome des Syndroms, sondern ebenso seine möglichen Langzeitfolgen im Auge behalten, ganzheitlich denken und die Patientinnen entsprechend aufklären.“

 
Behandelnde Ärzte sollten nicht nur die aktuellen … Symptome des Syndroms, sondern ebenso seine möglichen Langzeitfolgen im Auge behalten. PD Dr. Susanne Reger-Tan
 

Zum Diabetes-Screening empfiehlt sie bereits bei der Erstdiagnose eines PCOS und danach alle 2 bis 3 Jahre eine Bestimmung von Nüchtern-Blutzucker, HbA1c oder die Durchführung eines oralen Glukosetoleranztests (oGTT). Letzterer sollte vor allem bei Vorliegen weiterer Diabetes-Risikofaktoren erfolgen. Auch bei bestehendem Kinderwunsch empfiehlt sie eine (erneute) Überprüfung des Glukosestoffwechsels.

Metformin als wesentlicher Therapiebaustein

Ein wesentlicher Baustein der PCOS-Therapie ist aktuell Metformin, das allerdings nur off-label in dieser Indikation verordnet werden kann und von den Patientinnen selbst zu zahlen ist, wie die Essener Endokrinologin erklärte. Metformin reduziere das Körpergewicht und das Risiko für Fehl- und Frühgeburten.

Aktuelle Daten zum Einsatz neuer Antidiabetika beim PCOS, insbesondere der Gruppe der Inkretine (wie GLP-1) zeigten ein vielversprechendes Ansprechen hinsichtlich des Körpergewichts, des viszeralen Fettes, der nichtalkoholischen Steatohepatitis, aber auch der Ovulationsrate, so dass für Frauen mit PCOS Hoffnung auf in der Zukunft bessere Behandlungsmöglichkeiten bestehe.
 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....