
Prof. Dr. Christopher Sweeney
Chicago –„Ärzte und Patienten mit Prostatakarzinom haben nun eine neue Therapieoption mit Enzalutamid – dies gilt insbesondere für Männer, die eine Chemotherapie nicht tolerieren oder eine geringe Tumorlast aufweisen“, so das Fazit, das Prof. Dr. Christopher Sweeney, Lank Center for Genitourinary Oncology, Dana-Farber Cancer Institute, Boston, USA, aus den Ergebnissen der ENZAMET-Studie zieht.
Er hat die Studie in der Plenarsitzung beim ASCO-Jahreskongress vorgestellt und parallel im New England Journal of Medicine publiziert [1,2]. Eine Interimsanalyse dieser Phase-3-Studie hatte ergeben, dass das nichtsteroidale Antiandrogen Enzalutamid (Xtandi®) additiv zur Standardtherapie bei Männern mit metastasiertem hormonempfindlichen Prostatakarzinom (mHSPC) die 3-Jahres-Überlebensrate auf 80% im Vergleich zu 72% erhöht – dies im Vergleich zur Gabe anderer nichtsteroidaler Antiandrogene.

PD Dr. Tanya Barauskas Dorff
Die „Revolution der intensivierten Upfront-Therapie beim Prostatakarzinom“ habe 2015 mit der Upfront-Gabe von Docetaxel begonnen, erinnerte PD Dr. Tanya Barauskas Dorff, City of Hope Cancer Center, Duarte, USA, Diskutantin der ENZAMET-Studie in der Plenarsitzung beim ASCO 2019. Es folgte 2017 die Upfront-Gabe von Abirateron, die einen großen Überlebensvorteil zeigen konnte, und nun die Validierung mit ENZAMET.
Dorff wies darauf hin, dass die Ergebnisse im Kontrollarm mit einem 3-Jahres-Überleben von 72% deutlich besser waren als die ursprünglich angenommenen 65%. Die Ereignisrate war nur halb so hoch wie gedacht.
ENZALUTAMID-Ergebnisse bestätigen TITAN-Studie
Die ENZALUTAMID-Ergebnisse werden durch die Ergebnisse der ebenfalls beim ASCO 2019 präsentierten TITAN-Studie bestätigt, in der der Androgenrezeptor-Inhibitor Apalutamid zusätzlich zu Testosteron-Suppression gegeben, die Progression signifikant verzögert und die Überlebenszeit von Patienten mit metastasiertem hormonempfindlichen Prostatakarzinom im Vergleich zu Placebo verlängert hat.
Dorff betonte, dass eine „Hard-and-Early“-Strategie für die Langzeitkontrolle des Prostatakarzinoms wichtig sei. Es gäbe aber keine Evidenz für einen gleichzeitigen Einsatz von Docetaxel und Enzalutamid. Die verschiedenen Optionen zur Upfront-Intensivierung – Abirateron, Docetaxel, Apalutamid und Enzalutamid – sind ihrer Meinung nach gleichwertig: „Es gibt keine Evidenz, dass die eine den anderen überlegen wäre.“
Das metastasierte hormonempfindliche Prostatakarzinom wurde bis 2014 ausschließlich mit Testosteron-Suppression ohne oder mit nichtsteroidalen Anti-Androgenen behandelt. Männer mit hoher Tumorlast hatten jedoch sehr kurze Überlebenszeiten. Die Therapieergebnisse besserten sich mit dem frühen Einsatz von Docetaxel. Auch die Gabe von Abirateron zusätzlich zur Testosteron-Suppression verlängerte das Überleben.
Enzalutamid ist ein oral applizierbarer Inhibitor des Androgenrezeptors, der auch bei Resistenz gegen nichtsteroidale Anti-Androgene der ersten Generation wie Bicalutamid, Nilutamid und Flutamid wirkt. Studien haben gezeigt, dass Enzalutamid das Gesamtüberleben (OS) bei Patienten mit kastrationsresistentem Prostatakarzinom verlängert – unabhängig davon, ob es vor oder nach Docetaxel-Behandlung eingesetzt worden war.
Head-to-Head-Vergleich in ENZAMET
Der Phase-3-Studie ENZAMET (Enzalutamide in First Line Androgen Deprivation Therapy for Metastatic Prostate Cancer) lag die Hypothese zugrunde, dass Enzalutamid zusätzlich zur Testosteron-Suppression durch die stärkere Hemmung des Androgenrezeptors als First-Line-Therapie des metastasierten hormonempfindlichen Prostatakarzinoms das Überleben im Vergleich zu einer Standard-Anti-Androgentherapie verlängern kann.
In die offene, internationale, randomisierte Phase-3-Studie wurden Patienten mit mHSPC aufgenommen, die nach Metastasenvolumen, Docetaxel-Anwendung, ECOG-PS, antiresorptiver Therapie, Komorbiditäten und Studienzentrum stratifiziert wurden. Alle Patienten wurden zur Testosteronsuppression mit Goserelin, Leuprorelid oder Degarelix behandelt. 563 Patienten erhielten zusätzlich Enzalutamid (160 mg/Tag), 562 Patienten wurden zusätzlich mit Bicalutamid, Nilutamid oder Flutamid behandelt. 503 Männer erhielten Docetaxel. Primärer Endpunkt was das Gesamtüberleben.
Sweeny präsentierte die Ergebnisse einer geplanten Interimsanalyse nach 235 Todesfällen und einer medianen Nachbeobachtungszeit von 34 Monaten. 134 Todesfälle waren im Vergleichsarm, 102 im Enzalutamid-Arm aufgetreten. Nach 3 Jahren lebten noch 80% der Männer im Enzalutamid-Arm, im Vergleichsarm waren es 72% (Hazard-Ratio 0,67, p = 0,002). Enzalutamid senkte damit das relative Sterberisiko um 33%.
Der sekundäre Endpunkt progressionsfreies Überleben (Zeit bis zum PSA-Anstieg, klinische Progression oder Tod) war mit Enzalutamid mit einer HR von 0,39 ebenfalls signifikant besser als mit den Vergleichssubstanzen.
Die positive Wirkung von Enzalutamid auf das Überleben war bei Patienten am ausgeprägtesten, die nicht mit Docetaxel behandelt wurden. Die 3-Jahres-Überlebensrate betrug hier 83%, bei den Vergleichs-Anti-Androgenen 70%. Bei Patienten mit Docetaxelbehandlung zeigte sich mit Enzalutamid kein Überlebensvorteil.
Bei Männern mit hoher Tumorlast betrug die 3-Jahres-Überlebensrate mit Enzalutamid 71%, mit den anderen Anti-Androgenen 64%. Bei Männern mit geringer Tumorlast betrug die 3-Jahres-Überlebensrate mit Enzalutamid sogar 90%, mit den anderen Anti-Androgenen 82%.
Enzalutamid wirkte damit also am besten bei Männern mit geringer Tumorlast, die kein Docetaxel bekamen.
Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei 42% der Patienten unter Enzalutamid und bei 34% unter den Vergleichssubstanzen auf. Enzalutamid führte häufiger zu Grad-2- und -3-Hypertonie, Fatigue und Synkopen. Außerdem kam es vermehrt zu Krampfanfällen. Deshalb stelle sich, so Sweeney, immer die Frage, ob die Patienten für Enzalutamid fit genug seien.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Metastasierer Prostatakrebs: Upfront mit Antiandrogen Enzalutamid erhöht 3-Jahres-Überlebensrate auf 80% - Medscape - 18. Jun 2019.
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