Auf dem EASD-Kongress in Barcelona präsentierten Forscher spannende Therapien für den Typ-1-Diabetes. Prof. Dr. Thomas Danne erklärt auch, warum der kontinuierlichen Blutzuckermessung die Zukunft gehört.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Thomas Danne, Hannover
Guten Tag, mein Name ist Professor Thomas Danne. Ich komme aus dem Kinder- und Jugendkrankhaus Auf der Bult in Hannover, ein Akademisches Lehrkrankenhaus der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH). Ich berichte Ihnen heute vom EASD-Kongress in Barcelona. Wie Sie sich denken können, ist mein Hauptgebiet der Typ-1-Diabetes.
Zeit im Zielbereich als neuer Bewertungsparameter
Besonders spannend ist für mich der Wechsel weg von der Blutzucker-Messung hin zu kontinuierlichen Glukose-Messung (Internationales Konsensuspapier). Angesichts sehr stark schwankender Blutglukose-Werte, die viele Patienten mit Typ-1-Diabetes haben, stellt sich die Frage, wie lange wir die Blutglukose noch selbst messen werden. Oder ob nicht immer mehr Menschen kontinuierliche Messsysteme verwenden werden.
Denn inzwischen hat sich herauskristallisiert, dass die Zeit des Glukose-Spiegels im Zielbereich (time in range = TIR) – also in einem Bereich zwischen 70 und 180 mg/dl (3,9 bis 10 mmol/l) – ein Wert ist, den man vergleichen kann.
Von einem Sprechstunden-Termin zum nächsten kann man sehen, wie sich die Blutzucker-Einstellung beim Patienten entwickelt hat, ob eine Therapie-Änderung erfolgreich war. Man erkennt, ob mehr Zeit im Zielbereich erreicht worden ist.
Ganz wichtig ist auch der Vergleich der Zeit, die der Patient im Unterzucker-Bereich ist, also unter 70 mg/dl (unter 3,9 mmol/l). Oder auch in dem klinisch relevanten, dann schon gefährlichen Level-2-Unterzuckerungsbereich, unter 54 mg/dl (unter 3,0 mmol/l). In diesem sehr niedrigen Bereich möchte man natürlich so wenig wie möglich (unter 1% der Zeit) sein. Die Zeit unter 70 mg/dl sollte 4% nicht übersteigen.
Als Zielzeit im Normalbereich von 70 bis 180 mg/dl wurde nun 70% für einen Menschen mit Typ-1-Diabetes ausgegeben. Allerdings werden dieses Ziel nicht so viele Patienten erreichen. Dies ist nur mit den besten und am weitesten entwickelten Therapieverfahren möglich, wie einem so genannten Hybrid-Closed-Loop-System.
In diesem teilweise geschlossenen System sind ein Glukosesensor und eine Insulinpumpe zusammen integriert. Man muss nur noch die Mahlzeiten eingeben und die Basalrate wird automatisch reguliert. Damit erreicht man 70% Zeit im Zielbereich.
Deshalb wurde dieser Wert als erstrebenswertes Ziel für Menschen mit Typ-1-Diabetes definiert, egal ob sie Kinder, Jugendliche oder Erwachsene sind. Interessanterweise wurde auch das gleiche Ziel für Menschen mit Typ-2-Diabetes gewählt.
Für spezielle Patientengruppen, z. B. ältere Patienten oder Schwangere mit Diabetes, gelten weniger ehrgeizige Zielbereiche. Auch für Patienten mit einer Unterzuckerungs-Wahrnehmungsstörung wird man andere Zielbereiche wählen.
Orale Therapie mit SGLT-2-Inhibitoren
Auch neue Therapien bei Typ-1-Diabetes wurden hier präsentiert und diskutiert, insbesondere die SGLT-2-Inhibitoren , die jetzt in Europa für Typ-1-Diabetiker mit einem Body Mass Index über 27 kg/m² zugelassen sind – auf der einen Seite Dapagliflozin, auf der anderen Sotagliflozin.
Dapagliflozin wird im deutschsprachigen Raum demnächst auf den Markt kommen. Ausführlich wurde das Risiko der Ketoazidose besprochen, das mit dieser Substanzgruppe bei Typ-1-Diabetes etwas erhöht ist.
Vorgestellt wurden hier auch Vorgehensweisen zur Minimierung dieses Risikos, sowie deutschsprachige Schulungsprogramme für Patienten aber auch für medizinisches Fachpersonal. Weiteres Materialsteht auf der Webseite der ATTD zur Verfügung.
Blick in die Zukunft
Welche neuen Therapiemöglichkeiten sind für Patienten mit Typ-1-Diabetes in der Entwicklung? Hier werden Interventionen in einem Frühstadium oder kurz nach der Manifestation angedacht.
Bei Antikörper-positiven Patienten werden immunmodulatorische Substanzen untersucht. Der Antikörper Teplizumab hat gezeigt, dass man das Auftreten von Diabetes ungefähr 2 Jahre verzögern kann (Medscape berichtete). Ein anderer Ansatz ist Antithymozyten-Globulin, mit dem man die Restfunktion noch für eine gewisse Zeit erhalten kann.
Das Europäische Forschungsnetzwerk INNODIA, das von Professor Chantal Mathieu aus Belgien geleitet wird, möchte europaweit ein Netzwerk aufbauen, um Substanzen und Kombinationen zu testen, mit denen eine Therapie-Option gefunden werden kann, die über das hinaus geht, was wir derzeit beim Typ-1-Diabetes kennen.
Also 4 gute Nachrichten aus Barcelona vom Kongress der EASD.
Medscape © 2019
Diesen Artikel so zitieren: „4 gute Nachrichten für Typ-1-Diabetiker“: Antikörper-Bremse, neue orale Therapie und Dauermessung – weil die Zeit zählt - Medscape - 31. Okt 2019.
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