Das geht (fast) alle an: Zusammenfassung der neuen Säulen zur Diagnose und Therapie der Herzinsuffizienz – von Prof. B. Pieske

Prof. Dr. Burkert Pieske

Interessenkonflikte

11. September 2019

Herzinsuffizienz-Patienten „werden oft nicht richtig diagnostiziert“, sagt Prof. Dr. Burkert Pieske. Er erklärt, wie man PARAGON-, DAPA-HF und weitere hoffnungsvolle Studien interpretieren muss.

Transkript des Videos von Univ.-Prof. Dr. Burkert Pieske, Charité Berlin

Guten Tag,

mein Name ist Burkert Pieske, ich grüße Sie sehr herzlich vom ESC-Kongress in Paris, von dem ich berichten werde. Ich bin Kardiologe an der Charité und am Deutschen Herzzentrum in Berlin. Der ESC-Kongress steht unter großen Leitthemen, eines dieser Leitthemen ist die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion, die auch diastolische Herzinsuffizienz genannt wird.

Neue Empfehlungen zur Diagnose der HFpEF

Wir haben hier 2 große Ereignisse beim ESC. So sind im European Heart Journal die europäischen Empfehlungen zur Diagnostik der Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion erschienen.

Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion ist eine sehr häufige Erkrankung, die aber häufig nicht diagnostiziert wird. Das ist für die Patienten nicht gut. Sie haben einen langen Leidensweg, werden von Arzt zu Arzt geschickt und werden am Ende auch nicht gut behandelt.

In diesen neuen Empfehlungen zur Diagnose empfehlen wir einen abgestuften Prozess. Wir müssen den niedergelassenen Allgemeinmediziner, Internisten, Diabetologen, Hypertensiologen usw. in die Erkennung der Erkrankung einbinden. Denn diese Patienten kommen nicht primär zum Kardiologen. Wir Kardiologen müssen durch ganz gezielte diagnostische Maßnahmen die Diagnose sichern. Ist diese gesichert, müssen wir  die Ursache der Erkrankung finden. Wir wissen heute, dass bis zu 13% dieser Patienten eine kardiale Amyloidose haben. Das sind ganz überraschende Ergebnisse.

Heute hat fast die Hälfte aller Herzinsuffizienz-Patienten eine Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion. Deshalb brauchen wir dringend spezifische Behandlungsansätze. Die gibt es leider nicht. Wir wissen, dass wir die Komorbiditäten gut beeinflussen müssen, wie Blutdruck einstellen oder einen Diabetes behandeln. Aber spezifische belegte Behandlungsansätze gibt es bisher nicht.

PARAGON-HF-Studie

Beim ESC-Kongress wurde in der Hotline-Session die PARAGON-HF-Studie vorgestellt, eine große Phase-3-Studie bei Patienten mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion. Die Patienten waren symptomatisch, wiesen eine EF ≥ 45% auf, hatten erhöhte proBNP-Spiegel und strukturelle Veränderungen am Herzen.

Getestet wurde Sacubitril/Valsartan gegen Valsartan alleine. Primärer Endpunkt war die Kombination aus kardiovaskulär bedingtem Tod und Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz.

Im Ergebnis kam es zu einer 13%igen Reduktion dieses primären Endpunkts durch Sacubitril/Valsartan im Vergleich zu Valsartan alleine. Diese Reduktion um 13% verfehlte jedoch mit einem p-Wert von 0,059 ganz knapp die Signifikanz.

Wir hatten uns natürlich mehr erhofft. Aber damit muss man in einer so heterogenen Patientengruppe rechnen. Wir wissen nicht genau, welche Pathophysiologie dieser schweren Symptomatik überhaupt zugrunde liegt. Dennoch liefert die Studie ein klares Signal in die richtige Richtung. Jetzt muss man abwarten, ob die Substanz für welche Indikationen und zu welchen Konditionen zugelassen wird.

Eine ganz wichtige Frage war, ob es Interaktionen mit Subgruppen gegeben hat. Hier gab es 2 Auffälligkeiten:

  • Frauen haben von Sacubitril/Valsartan viel besser profitiert als Männer. Wir verstehen aber nicht so richtig, warum das so ist. Das muss man sich noch genau anschauen.

  • Studienteilnehmer, die eine linksventrikuläre EF unterhalb des Medians aufwiesen, also ≤ 57%, hatten einen klaren Benefit.

Patienten, deren EF im hochnormalen Bereich lag, die also einen kleinen konzentrisch hypertrophierten linken Ventrikel oder sehr hohe Ejektionsfraktionen aufwiesen, haben nicht so gut von Sacubitril/Valsartan profitiert. Vielleicht schlägt sich nun unsere pathophysiologische Erkenntnis, dass es sich bei HFpEF um ein heterogenes Krankheitsbild handelt, im Ergebnis von PARAGON-HF mit dem eindeutigen Effekt bei Frauen und bei Patienten mit einer etwas reduzierten Pumpfunktion nieder.

Das sind meines Erachtens spannende Daten. Jetzt wird man sie bewerten müssen und sehen, wie sich das Behandlungskonzept mit Sacubitril/Valsartan auch bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion umsetzen lässt.

Diese Studie ist jetzt abgeschlossen. Wir werden davon noch viele Subgruppen-Analysen sehen und hören. Das wird uns die nächsten Jahre noch begleiten. Es wird dann immer klarer werden, welche Patienten wir in Zukunft mit Sacubitril/Valsartan behandeln können.

Wie sieht die Zukunft der Herzinsuffizienz-Therapie aus?

Zu einem Ausblick in die Zukunft möchte ich 4 große Ansatzpunkte nennen:

  1. SGLT-2-Hemmung. Die präventive Wirkung von SGLT-2-Inhibitoren vor kardiovaskulären Erkrankungen ist bei Diabetikern gut belegt. Zum Einsatz bei Herzinsuffizienz mit reduzierter Pumpfunktion wurde auf dem ESC die DAPA-HF-Studie vorgestellt. Mit Dapagliflozin zeigte sich ein Benefit, unabhängig davon ob die Patienten auch an Diabetes erkrankt waren oder nicht. Derzeit laufen mehrere Studien mit verschiedenen Substanzen bei Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion – da müssen wir die Ergebnisse abwarten, das ist hochspannend.

  2. Derzeit läuft das Studienprogramm SOCRATES zu Vericiguat, einem Stimulator der löslichen Guanylatcyclase, der intrazelluläre cycloGMP-Spiegel steigern kann. Hier gibt es eine interessante Beobachtung aus der Phase-2-Studie SOCRATES-PRESERVED, dass durch diese Substanz die Lebensqualität von Menschen mit Herzinsuffizienz und erhaltener Pumpfunktion deutlich verbessert werden kann. In der großen Phase-2b-Studie VITALITY-HFpEF wird dies prospektiv weiter untersucht.

  3. Mit dem MR-Antagonist Spironolacton führen wir die vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung e.V. (DZHK) geförderte SPIRIT-HF-Studie durch. In der Studie wird Spironolacton 25 oder 50 mg bei Patienten mit erhaltener Pumpfunktion oder mit mäßiggradig reduzierter Pumpfunktion (EF ≥ 40 %) getestet. Sie ist ähnlich angelegt, wie die TOPCAT-Studie. Wir haben jedoch aus den Diskussionen um TOPCAT gelernt und nun einen Ansatz gewählt, der uns hoffentlich ein valides Ergebnis liefern wird.

  4. Die Herzinsuffizienz mit erhaltener Pumpfunktion beruht auf hämodynamischen -Veränderungen, die man am Herzen messen kann, wie z.B. hohe Füllungsdrucke. , Hierzu gibt es jetzt den Ansatz, dass man mit einem interatrialen Shunt durch Implantation eines Stents im Septum zwischen den beiden Vorhöfen eine Öffnung schafft. Dadurch soll es zu einer Druckentlastung im linken Vorhof kommen. Dies kann die Symptomatik der Patienten wie Belastungseinschränkung und Kurzatmigkeit bei Belastung deutlich verbessern. Der Ansatz wird derzeit in 2 großen Studien getestet.

Das sind spannende Untersuchungen. Es gibt es noch viel zu tun und wir müssen für unsere Patienten auch viel tun.

Ganz herzlichen Dank.

 

Kommentar

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