Absetzen von Statinen bei über 75-Jährigen erhöht die Rate der Hospitalisierung für kardiovaskuläre Ereignisse. PD Dr. Nikolaus Sarafoff erklärt, wie man auf diese Studie reagieren sollte.
Transkript des Videos von PD Dr. Nikolaus Sarafoff:
Liebe Kolleginnen und Kollegen, mein Name ist Nikolaus Sarafoff und ich bin Kardiologe in München. Ich möchte heute eine französische Registerarbeit vorstellen, die den Nutzen einer Statintherapie bei über 75-Jährigen untersucht hat. Die Arbeit wurde gerade im European Heart Journal publiziert.
Bei der Sekundärprävention nach Herzinfarkt oder Schlaganfall ist die Statintherapie in allen Altersklassen etabliert. Bei der Primärprävention hingegen ist die Datenlage unklar bei über 75-Jährigen und die Leitlinien sprechen sich weder für noch gegen eine Statintherapie aus. Die Frage ist zudem, ob die Statintherapie zur Primärprävention bei diesen älteren Patienten abgesetzt werden kann.
120.000 Patienten ohne manifeste kardiovaskuläre Erkrankung wurden in diese Studie eingeschlossen und im Mittel über 2,4 Jahre nachverfolgt. 14% haben Statine abgesetzt und knapp 5% wurden für ein kardiovaskuläres Event hospitalisiert.
Das Absetzen der Statine führte zu einer 33% höheren Wahrscheinlichkeit, ein Ereignis zu erleiden. Patienten, die kontinuierlich Statine genommen hatten bzw. wieder damit begonnen haben, erlitten weniger Ereignisse.
Die Limitation dieser Studie ist das Studiendesign. Sie ist eine Observationsstudie aus der Datenbank des französischen Gesundheitssystems. Zudem war nicht bekannt, warum die Statintherapie abgesetzt wurde. Außerdem konnte der Einfluss auf die kardiovaskuläre Mortalität nicht untersucht werden, da die Todesursache nicht in der Datenbank vermerkt war.
Zusammenfassung: Die Studie suggeriert, dass eine kontinuierliche Statintherapie zur Primärprevention auch bei über 75-Jährigen das Auftreten kardiovaskulärer Ereignisse reduziert und Statine nicht so schnell abgesetzt werden sollten. Die Autoren schlagen vor, bei diesen alten Patienten weitere randomisierte Studien zu nutzen und Risiken einer Statintherapie zur Primärprävention zu untersuchen.
Da die Lebenserwartung immer weiter steigt, und wir im Alltag viele über 80jährige Patienten sehen, die voll im Leben stehen, sollte man diesen Patienten eine optimale medizinische Therapie nicht vorenthalten. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
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Diesen Artikel so zitieren: Müssen jetzt bald alle Super-Senioren Statine schlucken? Primär-Prävention sollte man „nicht vorenthalten“ - Medscape - 5. Aug 2019.
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