Bei extrem übergewichtigen jugendlichen Diabetikern führt eine Magenbypass-Operation häufiger zur Remission des Typ-2-Diabetes als bei Erwachsenen. Das sind Ergebnisse einer Studie des US-Kinderchirurgen Dr. Thomas Inge und seiner Kollegen, die auf dem Combating Childhood Obesity Summit in Houston, Texas, präsentiert und gleichzeitig im New England Journal of Medicine publiziert worden sind [1].

Prof. Dr. Wieland Kiess
Der Kinderarzt und Diabetologe Prof. Dr. Wieland Kiess vom Universitätsklinikum Leipzig sieht allerdings keinen Grund, deshalb häufiger schon frühzeitig zu operieren. Er wirbt dagegen für bessere Prävention: „Wenn Jugendliche als 16-Jährige 180 Kilogramm wiegen, ist es zu spät!“
Kiess schätzt, dass es in Deutschland bisher ca. 500 bis 800 Menschen gibt, die sich bereits im Jugendalter einer bariatrischen Operation unterzogen haben. „Die Zahlen sind in USA viel höher als in Europa“, sagt Kiess im Gespräch mit Medscape und kritisiert: „Ich halte das für eine unglaubliche Fehlentwicklung.“
Prof. Dr. Arne Dietrich, Leiter der Bariatrischen Chirurgie am Universitätsklinikum Leipzig, glaubt allerdings, dass auch in Deutschland durchaus mehr Jugendliche als momentan von einer bariatrischen Operation profitieren könnten. „Adipositas-Chirurgie hat eine schlechte Akzeptanz in Deutschland“, bemängelt der Chirurg.
Dietrich sieht mögliche Vorteile einer frühen Operation nicht nur in der Verbesserung der körperlichen Gesundheit. „Was man genauso sehen muss, ist die Entwicklung im Sinne von Schule, Sexualität oder Ausbildungsplatz“, so Dietrich.
5 Jahre nach der OP: Was hat sie genutzt?
In der Teen-LABS Studie sind insgesamt 161 Heranwachsende nach einer Magenbypass-Operation 5 Jahre lang beobachtet worden. Die Ergebnisse verglichen die Wissenschaftler mit einer ebenfalls operierten Kohorte von Erwachsenen, die ebenfalls schon im Jugendalter schwer übergewichtig gewesen waren.

Dr. Thomas Inge
Das Ergebnis des Vergleichs: Jugendliche mit Typ-2-Diabetes profitierten von der Operation stärker als Erwachsene – bei 86% der jugendlichen Patienten hatten sich die Blutzuckerwerte 5 Jahre nach der OP normalisiert. Bei den Erwachsenen erreichte nur gut die Hälfte eine Remission des Typ-2-Diabetes.
Auch beim Bluthochdruck schnitten die Jugendlichen besser ab: Bei 68% der vorherigen Hypertoniker war der Blutdruck auch 5 Jahre nach OP normal, bei den Erwachsenen erreichten das nur 41%.
Kiess argumentiert allerdings, dass das Diabetes-Problem bei Jugendlichen in Deutschland viel weniger dramatisch sei als in den USA: „Die Wahrscheinlichkeit, dass in Deutschland ein Jugendlicher schon Typ-2-Diabetes hat, ist sehr gering – im Gegensatz zu den USA.“ Das Problem betreffe viele farbige oder hispanische Patienten: „Da spielt die Ethnizität eine große Rolle.“
Wie stabil ist der Gewichtsverlust?
Die Gewichtsabnahme im Rahmen der Studie bewegte sich bei Jugendlichen und Erwachsenen in einem ähnlichen Rahmen: Die Patienten lagen nach 5 Jahren im Schnitt noch 26% bzw. 29% unter ihrem Ausgangsgewicht.
Allerdings kam es bei den Jugendlichen offenbar häufiger zu Ausreißern. 4% wogen 5 Jahre nach der Operation mehr als vorher, und bei weiteren 4% war die Gewichtsdifferenz nur noch klein. Bei den Erwachsenen traf das jeweils nur auf 1% der Studienteilnehmer zu.
„Nach 2 Jahren sind viele Betroffene wieder dick“, kritisiert Kiess. „Den Patienten zu sagen, jetzt operieren wir, und dann ist das Thema vorbei, das ist gelogen.“
Auch der bariatrische Chirurg Dietrich betont, dass man gerade Kandidaten für eine Operation im Jugendalter sorgfältig auswählen müsse, um die Compliance abzuschätzen. „Sie müssen sich ja auch nach der Operation an die Ernährungsprogramme halten und Sport machen.“
Langzeitrisiken noch unklar
Bei Erwachsenen gibt es Berichte über ein erhöhtes Suizidrisiko nach bariatrischen Operationen. Kiess betont weitere Risiken: „Was auch häufiger vorkommt, ist ein Vitamin-D-Mangel, und es gibt häufiger Knochenbrüche.“ Laut der Teen-LABS-Daten hatten die Jugendlichen mit Magenbypass tatsächlich häufiger niedrige Vitamin-D-Spiegel und auch niedrige Ferritin-Werte – möglicherweise auch, weil sie Nahrungsergänzungsmittel weniger konsequent einnehmen als Erwachsene, vermuten die Autoren.
Die Nachbetreuung sei bei operierten Jugendlichen extrem wichtig, erklärt Kiess. Das sei aber oft nicht so einfach, ergänzt Dietrich: „Die Realität ist, dass sich viele Jugendliche der Nachsorge entziehen, oder nach 3, 4 Jahren sagen, das haben damals meine Eltern entschieden, ich wollte den Eingriff gar nicht. Deshalb muss man für Kinder und Jugendliche die Messlatte für eine Operation etwas höher hängen als für Erwachsene.“
In einem begleitenden Editorial weist auch Prof. Dr. Ted Adams von der Universität von Utah darauf hin, dass die Entscheidung für eine Adipositas-Operation im Jugendalter nach wie vor eine Einzelfallentscheidung sein müsse [2]. „Mit dem Wissen, dass die 5-Jahres-Daten vielversprechend sind, aber das Ergebnis über die gesamte Lebenszeit nach wie vor unbekannt bleibt“, schreibt Adams.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Magenbypass für Teenies: US-Studie zieht positive 5-Jahresbilanz – in Deutschland ist man vorsichtig - Medscape - 12. Jun 2019.
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