Teneriffa-Studie testet: Beeinträchtigt Sonnenschutz mit hohem LSF die Produktion von Vitamin D? Das Ergebnis verblüfft

Becky McCall

Interessenkonflikte

7. Juni 2019

Immer wieder wird die Befürchtung geäußert, die Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit hohen Lichtschutzfaktoren könne die Bildung von Vitamin D beeinträchtigen. Doch dies ist nicht der Fall: Bei korrekter Anwendung von Sonnenschutzmitteln wird die Produktion von Vitamin D nicht gehemmt. Dies belegt eine Studie, in der die Teilnehmer den Sonnenschutzfaktor 15 während eines einwöchigen Urlaubs auf Teneriffa verwendeten [1].

 
Diese Studie … hat gezeigt, dass Sonnenschutzmittel, auch wenn sie optimal zur Vorbeugung von Sonnenbrand eingesetzt werden, weiterhin eine ausgezeichnete Vitamin-D-Synthese gewährleisten. Dr. Antony Young
 

Die Studie, die im British Journal of Dermatology (BJD) veröffentlicht wurde, ergab auch, dass Sonnenschutzmittel mit hohem UV-A-Schutz im Vergleich zu solchen mit niedrigem UV-A-Schutz die Vitamin-D-Synthese tatsächlich sogar fördern. Die Autoren gehen davon aus, dass dieser Effekt wahrscheinlich auf die höhere Durchlässigkeit für UV-B-Strahlen in Sonnenschutzmitteln mit hohem UV-A-Schutzfaktor zurückzuführen ist (der UV-B-Anteil des Sonnenlichts ist für die Bildung von Vitamin D in der Haut verantwortlich).

2 weitere Studien, die ebenfalls kürzlich im BJD publiziert worden sind, bestätigen diese Ergebnisse. In einem Fall handelt es sich um einen systematischen Review von 75 Arbeiten. Der andere Artikel war ein weiterer Review einer internationalen Expertengruppe, welche die wissenschaftliche Literatur zum Thema Vitamin D und Sonnenschutz begutachtet hat. Diese Arbeit kam zu dem Schluss, dass die Vitamin-D-Produktion wohl kaum beeinträchtigt wird, wenn man Sonnenschutzmittel aufträgt, und dass vor allem der UV-A-Schutz die Vitamin-D-Synthese nicht behindert.

Dr. Antony Young, emeritierter Professor für experimentelle Photobiologie am Londoner King's College, war Hauptautor der Studie auf Teneriffa. „Sonnenlicht ist die wichtigste Vitamin-D-Quelle, und Sonnenschutzmittel können der Entstehung von Sonnenbrand und Hautkrebs vorbeugen“, sagt er. „Allerdings gab es große Unsicherheiten beim Einfluss von Sonnenschutzmitteln auf die Vitamin-D-Produktion“, erklärt er, ergänzt aber, dass „diese Studie über eine Woche bei perfektem Wetter auf Teneriffa gezeigt hat, dass Sonnenschutzmittel, auch wenn sie optimal zur Vorbeugung von Sonnenbrand eingesetzt werden, weiterhin eine ausgezeichnete Vitamin-D-Synthese gewährleisten“.

Hoher UV-A-Schutz bedeutet geringeren UV-B-Schutz, aber stimuliert die Vitamin-D-Produktion

Etwa 80% des Vitamin D werden durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen gebildet, wobei das UV-B-Licht die Vitamin-D3-Synthese in der Haut einleitet. Das Vitamin D ist für den Erhalt des Skeletts unerlässlich und wurde mit vielen weiteren gesundheitlichen Vorteilen in Verbindung gebracht. Doch die UV-Strahlung der Sonne ist auch für die steigende Zahl von Melanomen, Basalzell- und Plattenepithel-Karzinomen verantwortlich, was besonders auf Personen mit blasser Haut zutrifft.

 
Unsere Ergebnisse gelten für den üblichen Gebrauch von Sonnenschutzmitteln. Dr. Antony Young
 

Allerdings waren bislang Studien zur Frage nach dem Einfluss von Sonnenschutzmitteln auf die Vitamin-D-Produktion widersprüchlich – sie kamen zu unterschiedlichen Resultaten. Laborstudien stützten eher die theoretische Überlegung, wonach ihre Verwendung den Vitamin-D-Spiegel beeinflussen kann. Allerdings setzten diese Studien UV-Strahlungsquellen ein, die sich stark vom natürlichen Sonnenlicht unterschieden.

Vor diesem Hintergrund versuchte die aktuelle Studie zu bestimmen, wie sehr 2 verschiedene Sonnenschutzmittel die Vitamin-D-Synthese während eines einwöchigen Sonnenurlaubs auf Teneriffa hemmen. Diese Sonnenschutzmittel sollten unter optimaler Nutzung und bei typischer Verwendung miteinander verglichen werden.

Ein Sonnenschutzfaktor 15 mit hohem UV-A-Schutz ermöglichte eine bessere Vitamin-D-Synthese als ein Produkt mit niedrigem UV-A-Schutz, da das erstere Mittel eine höhere UV-B-Transmission ermöglichte. „Dies dürfte sich positiv auf die Vitamin-D-Synthese auswirken“, schreiben die Autoren.

Probanden wurden über die richtige Anwendung der Sonnenschutzmittel informiert

In der Studie von Young und seinen Kollegen wurden 40 gesunde Polen während eines 1-wöchigen Sonnenurlaubs auf Teneriffa (28° N) nach dem Zufallsprinzip auf 2 Gruppen verteilt, die jeweils ein anderes Sonnenschutzmittel mit Lichtschutzfaktor 15 anwendeten. Der UV-A-Schutzfaktor war in einem Fall niedrig und im anderen hoch – der Lichtschutzfaktor mit hohem UV-A-Schutzanteil hatte einen niedrigeren UV-B-Schutz. Alle Teilnehmer waren gesunde Erwachsene ohne Hautkrankheiten und ohne Vitamin-D-Supplementierung in der Anamnese. Keine der Personen hatte eine Sonnenbank genutzt.

Die Teilnehmer wurden über die richtige Anwendung der Sonnenschutzmittel informiert. „Die amtlichen Stellen empfehlen eine Dosierung von 2 mg/cm2 Haut. Bei Testung der Lichtschutzfaktoren wird jedoch in der Regel viel weniger aufgetragen, z.B. 0,8 mg/cm2, wodurch sich der Schutz verringert. Die Menschen tragen die Creme oft auf ungleichmäßig auf, und lassen Hautstellen frei“, erläutert Young.

Es wurden auch Vergleiche mit einer Gruppe aus 22 Teilnehmern angestellt, welche das Sonnenschutzmittel nach eigenem Ermessen (wie allgemein üblich) und ohne jede Anweisung über die Anwendung nutzten. Eine weitere Gruppe aus 17 Personen blieb in Polen.

Gemessen wurden: der Einsatz von Sonnenschutzmitteln in den Interventionsgruppen, das Verhalten, die Sonnenexposition über ein am Handgelenk getragenes Gerät, die Art der Kleidung und Sonnenbrände.

Der Serum-Vitamin-D-Spiegel, oder genauer der Calcidiol-Spiegel (25-Hydroxy-Vitamin-D3, 25(OH)D3), wurde vor und nach dem Urlaub bestimmt. Der primäre Endpunkt war die Änderung der Calcidiol-Synthese.

Urlaubsgruppen zeigten Calcidiol-Anstieg

Der Vitamin-D-Anstieg war in allen Urlaubsgruppen statistisch signifikant (p < 0,001), während bei der in Polen gebliebenen Gruppe ein leichter Rückgang der Werte verzeichnet wurde.

„Der Breitband-Spektrum-Schutz ließ etwas mehr UV-B durch und führte, wie erwartet, zu einer besseren Vitamin-D-Synthese. Der größte Vitamin-D-Anstieg wurde in der Gruppe derjenigen beobachtet, die das Mittel nach Gutdünken angewendet hatten. Allerdings gab es in dieser Gruppe im Vergleich zu den Interventionsgruppen auch viele Sonnenbrände an 5 exponierten Körperstellen (p < 0,001)“, so Young weiter.

Keine Unterschiede beim Sonnenbrand wurden zwischen den beiden Interventionsgruppen festgestellt (p > 0,3). „Die Gruppen, die Sonnenschutzmittel nach Anleitung angewendet hatten, bekamen keinen Sonnenbrand. Und beide Gruppen zeigten einen hochsignifikanten Anstieg des Vitamin-D-Spiegels (p < 0,001), wobei Breitband-Spektrum-Schutzmittel einen signifikant höheren Anstieg aufwiesen als Sonnenschutzmittel mit niedrigem UV-A-Schutzfaktor“, ergänzt der Untersucher.

Die Gruppe mit hohem UV-A-Schutzfaktor zeigte einen Vitamin-D-Anstieg von 19,0 ± 14,2 nmol S-1,25(OH)D3, während die Gruppe mit niedrigem UV-A-Schutzfaktor einen Anstieg von 13,0 ± 11,4 nmol S-1,25(OH)D3 aufwies.

 
Laut einer Umfrage … waren 20 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein regelmäßiger Hautschutz mit dem Risiko verbunden sei, nicht genügend Vitamin D zu erhalten. Dr. Rachel Neale
 

Auf die Frage, ob die Studienergebnisse allgemein auf die Anwendung von Sonnenschutzmitteln mit hohen Lichtschutzfaktor übertragbar seien, antwortete Young: „Die Probanden in unserer Studie wurden darin angeleitet, die Sonnenschutzmittel richtig aufzutragen, damit sie auch den Lichtschutzfaktor 15 erreichten. Typischerweise verwenden die Menschen viel weniger Sonnenschutzmittel als bei Lichtschutzfaktor-Tests, sodass jemand, der etwa einen Lichtschutzfaktor 50 in der üblichen Weise aufträgt, tatsächlich nur etwa einen wirksamen Lichtschutzfaktor von etwa 15 erreicht. Unsere Ergebnisse gelten für den üblichen Gebrauch von Sonnenschutzmitteln, jedoch nicht, wenn der angegebene Lichtschutzfaktor durch angeleitete Anwendung erreicht wird. Unter solchen Bedingungen wäre dann ein viel niedrigerer Vitamin-D-Wert zu erwarten.“

Systematisches Review von 75 Studien

Der systematische Review durch Untersucher des QIMR Berghofer Medical Research Institute in Australien und der Australian National University umfasste alle 75 zwischen 1970 und 2017 veröffentlichten experimentellen Studien, Feldversuche und Beobachtungsstudien [2]. Die laborgestützten Studien mit künstlichen Lichtquellen belegten die Hypothese, nach dem der Einsatz von Sonnenschutzmitteln die Vitamin-D-Produktion beeinflussen kann. Die praktischen Erkenntnisse aus Feldversuchen und Beobachtungsstudien mit natürlichem Sonnenlicht deuten jedoch darauf hin, dass dieses Risiko gering ist.

Im Hinblick auf die verbreitete Sorge, dass die Verwendung von Sonnenschutzmitteln das Risiko eines Vitamin-D-Mangels erhöhen könnte, sagt die Hauptautorin des Reviews, Dr. Rachel Neale vom QIMR Berghofer Medical Research Institute: „Es besteht die Gefahr, dass diese Sorge das Hauptanliegen des Sonnenschutzes, nämlich die Verhinderung eines Hautkrebses, untergräbt. Laut einer Umfrage aus dem Jahr 2015 in den USA waren 20 Prozent der Befragten der Meinung, dass ein regelmäßiger Hautschutz mit dem Risiko verbunden sei, nicht genügend Vitamin D zu erhalten. Diese jüngsten Resultate sollten diese Bedenken zerstreuen können und die Menschen ermutigen, der empfohlenen Anwendung von Sonnenschutzmitteln Folge zu leisten, was letztlich zu einer Verringerung der Zahl an malignen Hauttumoren führen würde.“

Weitere Untersuchungen mit anderen Lichtschutzfaktoren nötig

Die dritte Studie schließlich wurde von einer internationalen 13-köpfigen Expertengruppe aus den Bereichen Endokrinologie, Dermatologie, Photobiologie, Epidemiologie und biologische Anthropologie durchgeführt [3]. Geleitet wurde dieser Review von Dr. Thierry Passeron von der Universität der Côte d'Azur in Nizza. Die Experten studierten die wissenschaftliche Literatur zu Vitamin D und Sonnenschutz, bevor sie dies in einem Review der Evidenzen zusammenfassten.

 
Es sind weitere Untersuchungen zu einem Lichtschutzfaktor 30 und höher erforderlich. Holly Barber
 

Sie kamen so zu dem Schluss, dass die Verwendung von Sonnenschutzmitteln wahrscheinlich die Vitamin-D-Produktion nicht beeinträchtigt und dass der UV-A-Schutz die Vitamin-D-Synthese nicht stört.

Die Studien wurden anlässlich der Sun Awareness Week der British Association of Dermatologists, Anfang Mai 2019, veröffentlicht. Holly Barber, Sprecherin der BAD, begrüßte die Studienresultate in ihrem Kommentar, fügt jedoch hinzu: „Es sind weitere Untersuchungen zu einem Lichtschutzfaktor 30 und höher erforderlich, da wir den Menschen empfehlen, diesen für einen optimalen Schutz in realen Situationen zu verwenden. Menschen mit dunklerer Haut haben ein höheres Risiko für einen Vitamin-D-Mangel und ein geringeres Risiko für Hautkrebs, sodass weitere Studien die Frage klären müssen, wie diese Ergebnisse bei Menschen mit dunklen Hauttypen ausfallen.“

Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
 

Kommentar

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