Chicago – Pembrolizumab (Keytruda®, Merck) könnte nach einer aktuellen Studie auch eine Behandlungsalternative für Patienten mit fortgeschrittenem Magen- oder gastroösophagealem Übergangskarzinom sein. Die Firstline-Therapie mit dem Immun-Checkpoint-Inhibitor war im Endpunkt Gesamtüberleben einer Standard-Chemotherapie nicht unterlegen.
Es gab sogar einen klinisch bedeutsamen Überlebensvorteil bei denjenigen Patienten, die eine hohe PD-L1-Expression (Programmed cell death 1 ligand 1 oder CD274) hatten. In dieser Subpopulation betrug das 2-jährige Gesamtüberleben 39% im Vergleich zu 22% bei Patienten unter einer Standard-Chemotherapie.
„Patienten mit fortgeschrittenem Magen- oder gastroösophagealem Übergangskarzinom haben eine sehr schlechte Prognose“, erläuterte der leitende Studienautor Prof. Dr. Josep Tabernero, Institute of Oncology der Uniklinik Vall d'Hebron in Barcelona. „Es besteht nach wie vor bei diesen Krebsarten ein dringender Bedarf an neuen Therapieoptionen. Unsere Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, auf diesem Gebiet kontinuierlich weiterzuforschen.“ Tabernero präsentierte die Ergebnisse der Studie auf der Jahrestagung der American Society of Clinical Oncology (ASCO) 2019 in Chicago [1].
Die aktuellen US-Leitlinien für diese Patienten sehen als Firstline-Therapie Platin plus Fluorpyrimidin vor, während für die Secondline-Therapie Docetaxel, Paclitaxel, Irinotecan und Ramucirumab mit oder ohne Paclitaxel empfohlen werden. Nun könnte auch Pembrolizumab in diesem Zusammenhang eine Rolle spielen.
„Pembrolizumab hat sich, bei einem akzeptablen Sicherheitsprofil, für Patienten mit Magen- oder gastroösophagealem Übergangskarzinom als wirksam erwiesen, wenn der kombinierte positive PD-L1-Score über 1 lag“, berichtete Tabernero. Der Antikörper ist im Jahr 2017 von der FDA als erste Immuntherapie gegen das Magenkarzinom zur Behandlung solcher Patienten zugelassen worden.
Anfang des Jahres berichtete Medscape bereits von der Überlegenheit Pembrolizumabs beim Endpunkt Gesamtüberleben im Vergleich zur Standard-Chemotherapie bei Patienten mit fortgeschrittenem Ösophaguskarzinom und hohem PD-L1-Niveau.
Hohe Expression, bessere Response
KEYNOTE-062 ist eine randomisierte klinische Phase-3-Studie, in die 763 Patienten mit fortgeschrittenem Magenkrebs aufgenommen worden waren. Diese wurden randomisiert auf 3 Behandlungsarme verteilt:
Pembrolizumab 200 mg alle 3 Wochen (q3w) für bis zu 2 Jahre,
Pembrolizumab plus Chemotherapie (Cisplatin 80 mg/m2 + 5-FU 800 mg/m2 am 1. bis 5. Tag q3w oder Capecitabin 1000 mg/m2 BID am 1. bis 4. Tag gemäß der entsprechenden Leitlinien) oder
Placebo q3w plus Chemotherapie.
Die Randomisierung wurde nach Region, Grad der Erkrankung und Fluoropyrimidin-Behandlung stratifiziert.
Alle Patienten hatten einen PD-L1-Score von mindestens 1 und 281 (37% der Teilnehmer) von 10 oder darüber. Zudem waren alle Patienten HER2-negativ.
Die primären Endpunkte der Studie waren das Gesamtüberleben bei Patienten mit einem Score mindestens 1 und einem Score von mindestens 10 für die Kohorten mit Pembrolizumab im Vergleich zur alleinigen Chemotherapie und das progressionsfreie Überleben für einen Score ≥ 1 in der Kohorte Pembrolizumab plus Chemotherapie gegenüber der alleinigen Chemotherapie.
Sekundäre Endpunkte waren die Gesamtansprechrate (overall response rate, ORR) für einen PD-L1-Score von mindestens 1 bei Patienten in der Pembrolizumab-plus-Chemotherapie-Kohorte gegenüber alleiniger Chemotherapie sowie die Sicherheit von Pembrolizumab.
Pembrolizumab teilweise sogar überlegen
Unter den Patienten mit einem Score von mindestens 1 war das Gesamtüberleben mit Pembrolizumab statistisch nicht schlechter als unter der Chemotherapie (Hazard Ratio: 0,91) bei einer mittleren Gesamtüberlebenszeit von 10,6 Monaten für Pembrolizumab gegenüber 11,1 Monaten im Chemotherapie-Arm.
Bei einem Score von mindestens 10 waren die Zahlen für das Gesamtüberleben mit Pembrolizumab sogar besser. Hier betrug die mittlere Gesamtüberlebenszeit 17,4 Monate unter Pembrolizumab gegenüber 10,8 Monate in der Chemotherapie-Gruppe (HR: 0,69).
Die Kombination aus Pembrolizumab plus Chemotherapie schnitt dagegen nicht besser ab als die alleinige Chemotherapie. Das Gesamtüberleben und das progressionsfreie Überleben waren ähnlich wie bei alleiniger Chemotherapie, dies unabhängig vom PD-L1-Score, es gab aber einen Trend zugunsten der Kombination. Die Gesamtansprechrate war für Pembrolizumab plus Chemotherapie höher als für die Chemotherapie allein.
Schwere Nebenwirkungen waren unter der alleinigen Pembrolizumab-Therapie am seltensten. „Patienten, die Pembrolizumab erhielten, hatten weniger Nebenwirkungen und weniger unerwünschte Ereignisse vom CTCAE-Grad 3 bis 5“, berichtete Tabernero. „Und weniger Patienten brachen die Therapie wegen unerwünschter Ereignisse ab.“
Unerwünschte Ereignisse vom Grad 3 oder höher traten bei 17% in der Pembrolizumab-Gruppe auf, bei 73% in der Pembrolizumab-plus-Chemotherapie-Gruppe und bei 69% unter alleiniger Chemotherapie.
Am häufigsten waren Übelkeit und Müdigkeit. Immunvermittelte und Infusionsreaktionen traten bei 21% der Patienten unter Pembrolizumab auf. Diese waren vornehmlich vom Schweregrad 1. Das Sicherheitsprofil von Pembrolizumab entsprach dem früherer Untersuchungen.
Auswirkungen auf die Praxis
„Ich glaube, dass dies zu einer veränderten Praxis bei Patienten mit hohem PD-L1-Score führt“, kommentierte Prof. Dr. Nicholas Rohs, Hämatologie und Onkologie der Icahn School of Medicine, The Tisch Cancer Institute am Mount Sinai in New York das Resultat der Studie gegenüber Medscape. „Die Patienten können jetzt eine Immuntherapie auch als Firstline-Therapie erhalten. Das ist wirklich eine gute Sache und kann die Patienten vor starken toxischen Nebenwirkungen bewahren.“
In seiner Einrichtung unterzögen sich alle Magenkarzinom-Patienten einem molekularen Profiling. Dieses Vorgehen wünschte er sich auch als Standardmaßnahme: „Es mag in kleineren Häusern nicht zum Standard werden können, aber die Daten unterstreichen die Relevanz einer solchen Testung.“
Für zukünftige Patienten hält Rohs Pembrolizumab „definitiv für die richtige Wahl bei einem PD-L1-Score von 10 oder darüber, weil es das Gesamtüberleben verbessert hat. Bei niedrigeren Scores, d.h. 1% oder mehr, ist es zumindest nicht unterlegen und dabei deutlich weniger toxisch.“
Er bemerkte zudem, dass es wahrscheinlich eine Subpopulation gäbe, die eine sehr lang anhaltende Wirkung zeigen würde. „Aber da die Patienten nur für etwa ein Jahr beobachtet wurden, wäre es interessant, wie sich die Daten über einen längeren Zeitraum entwickeln“, sagte Rohs. „Der nächste Schritt wäre es, diese Teilmenge von Patienten mit spezifischen Biomarkern und hohem Score zu identifizieren, sodass wir wirklich vorhersagen können, wer den größten Nutzen von der Behandlung hat.“
Prof. Dr. Richard L. Schilsky, Vizepräsident und ärztlicher Leiter der ASCO, erinnerte daran, dass Magen- oder gastroösophageale Übergangskarzinome „schwer zu behandelnde Krankheiten“ sind, gegen die es bis vor kurzem nur die sehr belastende zytotoxische Standard-Chemotherapie gegeben habe.
„Diese Studie ist wirklich bedeutsam, weil sie zeigt, welches Verbesserungspotenzial in der Immuntherapie steckt“, sagte er. „Pembrolizumab ist der Chemotherapie in der Kategorie der Patienten mit hohen Biomarkern eindeutig überlegen und damit sollte es die Chemotherapie auch in vielen Fällen in der Erstlinientherapie bei dieser Population ersetzen.“
Dieser Artikel wurde von Markus Vieten aus www.medscape.com ((link to https://www.medscape.com/viewarticle/913783 ))übersetzt und adaptiert.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Chemo passé: Immuntherapie beim fortgeschrittenen Magenkarzinom mit hohem PD-L1-Score bald neuer Firstline-Standard? - Medscape - 5. Jun 2019.
Kommentar