EMA: Neue Therapie bei Morbus Wilson, erneute Schlappe für Doxorubicin-Präparat – und weitere Empfehlungen

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

31. Mai 2019

Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) hat bei seinem Meeting Ende Mai insgesamt 4 neue Arzneimittel zur Zulassung empfohlen, darunter 1 Orphan Drug und 2 generische Wirkstoffe. Zudem gab es 2 negative Stellungnahmen, eine Zulassung wurde widerrufen, und 2 Anträge wurden vom jeweiligen Hersteller selbst zurückgezogen [1].

Cufence® bei Morbus Wilson

CHMP-Experten äußerten sich positiv über Cufence®, einem Orphan Drug zur Therapie der Kupferspeicherkrankheit Morbus Wilson. Beim Wirkstoff Trientindihydrochlorid handelt es sich um einen Chelatbildner. Dieser bindet Kupfer aus dem Körper, indem ein stabiler, wasserlöslicher Komplex entsteht.

Gleichzeitig hemmt Trientindihydrochlorid die Resorption von Kupfer aus dem Darmtrakt. Die vollständige Indikation lautet: „Cufence® ist zur Behandlung von Morbus Wilson bei Patienten indiziert, die gegenüber der D-Penicillamin-Therapie intolerant sind, bei Erwachsenen, Jugendlichen und Kindern ab 5 Jahren.“

LysaKare® zur Vermeidung von Nierenschäden bei Nuklidtherapien

Auch zu LysaKare® liegt ein positives Votum des CHMP vor. Das Pharmakon enthält die beiden natürlich vorkommenden Aminosäuren L-Arginin und L-Lysin (beide in Form eines Hydrochlorids) als Infusionslösung. Patienten erhalten LysaKare® zum Schutz ihrer Nieren vor einer Radiotherapie mit Lutetium-(177Lu)-Oxodotreotid. Als Indikation nennt der Ausschuss: „Verringerung der Strahlenexposition der Nieren während der Peptidrezeptor-Radionuklid-Therapie (PRRT) mit Lutetium (177Lu)-Oxodotreotid bei Erwachsenen.“

Posaconazol® bei Mykosen

2 Generika zur Behandlung und Vorbeugung von Pilzinfektionen haben eine positive Stellungnahme des Ausschusses erhalten: Posaconazol® Accord (100 mg Posaconazol als magensaftresistente Tabletten) bzw. Posaconazol® AHCL (40 mg/ml Posaconazol-Suspension). Das Triazol-Antimykotikum hemmt Lanosterol-14α-Demethylase, ein Schlüsselenzym der Ergosterol-Biosynthese. In Studien konnte die Bioäquivalenz von Posaconazol® zum Referenzprodukt Noxafil® nachgewiesen werden.

Posaconazol® ist zur Behandlung der folgenden Pilzinfektionen bei Erwachsenen angezeigt:

  • Invasive Aspergillose bei Patienten mit Krankheiten, die gegen Amphotericin B oder Itraconazol resistent sind, oder bei Patienten, die diese Arzneimittel nicht vertragen;

  • Fusariose bei Patienten mit Krankheiten, die auf Amphotericin B nicht ansprechen, oder bei Patienten, die Amphotericin B nicht vertragen;

  • Chromoblastomykose und Myzetom bei Patienten mit einer Krankheit, die auf Itraconazol nicht anspricht, oder bei Patienten, die Itraconazol nicht vertragen;

  • Kokzidioidomykose bei Patienten mit Krankheiten, die gegen Amphotericin B, Itraconazol oder Fluconazol resistent sind, oder bei Patienten, die diese Arzneimittel nicht vertragen.

  • Oropharyngeale Candidiasis: als Erstlinientherapie bei Patienten mit schwerer Erkrankung oder geschwächtem Immunsystem, bei denen ein schlechtes Ansprechen auf die topische Therapie zu erwarten ist.

Als therapierefraktär gelten Patienten mit Fortschreiten der Infektion oder ohne Besserung nach mindestens 7 Tagen mit Antimykotika-Therapie in einer üblichen Dosierung.

Posaconazol® ist auch zur Prophylaxe invasiver Pilzinfektionen angezeigt bei:

  • Patienten, die wegen akuter myeloischer Leukämie (AML) oder eines myelodysplastischen Syndroms (MDS) eine Chemotherapie mit Remissionsinduktion erhalten, falls es Hinweise auf ein hohes Risiko für Neutropenien oder invasive Pilzinfektionen gibt;

  • Empfänger hämatopoetischer Stammzelltransplantaten, die sich einer hochdosierten immunsuppressiven Therapie gegen eine Graft-versus-Host-Reaktion unterziehen und ein hohes Risiko haben, invasive Pilzinfektionen zu entwickeln.

Daumen runter für Xyndari® bei der Sichelzellkrankheit

Negativ bewertete der CHMP Xyndari® (Glutamin). Das Pharmakon sollte als Pulver in Flüssigkeit gelöst und oral eingenommen werden. „Studien deuten darauf hin, dass Glutamin bei der Aufnahme durch abnormale rote Blutkörperchen bei Sichelzellenerkrankungen die Klebrigkeit dieser Zellen an den Wänden der Blutgefäße verringert“, schreiben CHMP-Experten. „Es wurde erwartet, dass dies die Durchblutung der Organe verbessert und dadurch die mit Sichelzellkrankheit verbundene Schmerzperioden, sogenannte Sichelzellenkrisen, verringert.“

Laut CHMP haben zulassungsrelevante Daten nicht belegt, dass Xyndari® die Zahl an Sichelzellenkrisen oder stationären Aufenthalten senkte. Außerdem hatten viele Patienten die Hauptstudie bzw. eine begleitende Studie noch vor deren Ende abgebrochen. Bei der Begleitstudie hatten mehr Patienten neben Xyndari® auch Hydroxyharnstoff als Medikation eingenommen als im Placeboarm. Dies hätte alle Ergebnisse beeinflussen können. Generell ist unklar, über welche Mechanismen Xyndari® wirke. Jetzt bleiben dem Hersteller 15 Tage Zeit, um eine erneute Prüfung zu beantragen.

Negative Bewertung von Doxolipad® bestätigt

Bereits im Februar hatte sich das CHMP dafür ausgesprochen, Doxolipad® (Doxorubicin) nicht zuzulassen (wir berichteten). Jetzt prüfte der Ausschuss alle Daten erneut und bleibt dabei, keine Genehmigung für die Therapie von Brust- und Eierstockkrebs zu gewähren.

Als Kritikpunkt führen Wissenschaftler Daten zur Bioverfügbarkeit an: Die liposomale Formulierung Caelyx® sei hinsichtlich des freien Doxorubicins nicht – wie vom Hersteller beschrieben – mit Doxolipad® vergleichbar. Ohne ausreichende Belege zur Bioäquivalenz und ohne hinreichende Belege für ein gutes Nutzen-Risiko-Verhältnis bleibt es beim ablehnenden Votum des Ausschusses.

Methocarbamol-Paracetamol-Kombination auf dem Prüfstand

Außerdem hat der CHMP damit begonnen, Präparate mit Methocarbamol plus Paracetamol zu überprüfen. Das Verfahren geht auf einen Antrag des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zurück, da ein Generikum des spanischen Präparats Robaxisal® compuesto eingeführt werden soll. Es kommt bei Muskelkrämpfen und Rückenschmerzen zum Einsatz.

Laut CHMP zeigten neuere Daten, dass beide Arzneistoffe in der eingesetzten Dosierung bei Schmerzen im unteren Rückenbereich nicht wirksam seien. Deshalb hat das BfArM die EMA um eine Überprüfung gebeten.

Rücknahme von Anträgen

Schließlich berichtet das CHMP von 2 Arzneimitteln, bei denen Hersteller ihren Zulassungsantrag selbst widerrufen haben. Das betrifft Ambrisentan Zentiva® (Ambrisentan) zur Behandlung der pulmonalen arteriellen Hypertonie und Radicava® (Edaravon) zur Behandlung der Amyotrophen Lateralsklerose. In beiden Fällen hatten EMA-Experten zuvor weiterer Daten vom jeweiligen Hersteller gefordert.

 

Kommentar

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