Dallas – Patienten mit leichtem Asthma sollen künftig von Anfang an mit einem inhalativen Kortikosteroid (ICS) behandelt werden, selbst wenn sie nur eine intermittierende Bedarfstherapie benötigen. Diese neue Strategie der GINA-Empfehlungen wird durch die Real-Life-Studie Novel START gestützt, die beim Kongress der American Thoracic Society (ATS) präsentiert und zeitgleich im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden ist [1,2].
Die Entscheidung der Global Initiative on Asthma (GINA), für die Bedarfstherapie bereits bei sehr mildem Asthma eine Kombination von ICS und dem lang wirksamen Beta2-Mimetikum (LABA) Formoterol zu empfehlen, basiert auf der Überlegung, dass dem Asthma immer eine Entzündung der Atemwege zugrunde liegt, die Exazerbationen fördert. Exazerbationen kommen selbst bei leichtem Asthma vor und können tödlich enden.
SYGMA-Studie lieferte Argumente
Vorangegangen war u.a. die Doppelblindstudie SYGMA mit knapp 4.000 Patienten, die laut GINA eine Stufe-2-Medikation brauchten, also niedrig dosiertes ICS in Dauertherapie plus kurz wirksames Beta2-Mimetikum (SABA) bei Bedarf. Sie wurden in 3 Gruppen aufgeteilt: Gruppe 1 erhielt die GINA-Medikation, Gruppe 2 ICS/Formoterol als Bedarfstherapie und Gruppe 3 nur das SABA Terbutalin.
Die Standardmedikation bewirkte zwar die beste Asthmakontrolle. Die ICS/LABA-Bedarfsmedikation senkte das Risiko schwerer Exazerbationen jedoch ebenso effektiv wie ICS/LABA in Dauergabe, während das SABA allein in jeder Hinsicht am schlechtesten abschnitt.
„ICS huckepack zum Bronchodilatator“
An der neuen Studie, die Prof. Dr. Richard Beasley, Medical Research Institute Neuseeland, Wellington, beim ATS vorgestellt hat, nahmen insgesamt 668 Asthmakranke teil. Dabei wurden auch Patienten mit sehr mildem Asthma aufgenommen, die laut GINA eigentlich nur eine SABA-Bedarfstherapie gebraucht hätten. Wieder gab es 3 Therapiearme – einen mit Salbutamol bei Bedarf und Budesonid in Dauergabe und 2 mit reiner Bedarfsmedikation (Budesonid/Formoterol bzw. Salbutamol).
Von besonderem Interesse ist naturgemäß der Vergleich zwischen ICS-Dauertherapie und ICS/LABA bei Bedarf. Die Exazerbationsraten unterschieden sich diesmal nicht (0,175 und 0,195 pro Jahr, p = 0,65). Schwere Exazerbationen gingen unter der Bedarfstherapie sogar signifikant stärker zurück als unter ICS-Dauermedikation (9 versus 23 Exazerbationen, relatives Risiko 0,40).
„Die bedarfsgemäße Applikation eines ICS huckepack zum Bronchodilatator, wenn der Patient eine Verschlechterung seines Asthmas spürt, kann das Risiko für Exazerbationen senken, die so schwer ausfallen, dass der Patient medizinische Notfallhilfe suchen muss“, kommentierte Beasley.
Die Atemwegsentzündung, gemessen anhand des exhalierten NO (FeNO), ging in beiden ICS-Armen gleichermaßen zurück und blieb unter SABA allein unbeeinflusst.
Strategiewechsel – SABA als Monotherapie mit Risiken
Prof. Dr. Roland Buhl, Universitätsmedizin Mainz, der im wissenschaftlichen Komitee von GINA sitzt, wertet diese Ergebnisse als Bestätigung für den Strategiewechsel in den internationalen Empfehlungen: „Wir können jetzt eine Statue vom Sockel stoßen: SABA als Bedarfsmedikation.“
Buhl verwies auch darauf, dass SABA als Monotherapie eine ganze Reihe von Risiken bergen, vor allem wenn der Patient häufig zum Bedarfsspray greift. Nicht nur, dass die Wirkung nachlässt, weil die Betarezeptoren herunterreguliert werden. Zugleich nehmen eosinophile Atemwegsentzündung und Hyperreagibilität zu. Ab 3 SABA-Verordnungen pro Jahr steigt die Zahl der Asthma-Notfälle, ab 12 Verordnungen die Sterberate.
SIENA-Studie: Welche Patienten profitieren vom ICS?
Die ebenfalls beim ATS präsentierte SIENA-Studie zum leichten Asthma lässt allerdings fraglich erscheinen, ob wirklich alle Asthmatiker vom ICS profitieren [3]. Hier wurden 295 Patienten zunächst anhand der Eosinophilenzahl im Sputum (Cut-off 2%) stratifiziert.
Die Patienten erhielten randomisiert im Crossover-Design entweder das ICS Mometason, das lang wirksame Anticholinergikum (LAMA) Tiotropium oder Placebo. Jede Studienphase dauerte 12 Wochen.
Wenig überraschend schnitt das ICS bei Patienten mit hohen Eosinophilenzahlen besser ab als das LAMA und als Placebo. Bei Patienten mit niedrigem Eosinophilen-Anteil im Sputum waren beide aktiven Therapien ähnlich wirksam und überflügelten Placebo deutlich.
Bemerkenswert ist, dass nur 74 Teilnehmer (27%) tatsächlich mehr als 2% Eosinophile im Sputum hatten. Diese Patienten wiesen auch höhere Eosinophilenzahlen im Blut auf, ein höheres FeNO und hatten häufiger eine nachweisbare Allergie, entsprachen also dem klassischen Bild des Th2-high-Asthmas.
„Unsere Studienergebnisse werfen die Frage auf, ob die Leitlinien für Patienten mit mildem persistierendem Asthma, bei denen sich keine Th2-Inflammation nachweisen lässt, überprüft werden sollten“, meinte Prof. Dr. Stephen Lazarus, University of California, San Francisco, der als Erstautor die Studie vorstellte. Die Adhärenz dieser Patienten zu ICS sei ohnehin schlecht: „Patienten mit leichtem Asthma lassen das ICS weg, wenn sie sich gut fühlen oder weil sie Angst vor Nebenwirkungen haben oder finden, dass das Medikament gar nicht wirkt.“
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Paradigmenwechsel in der Therapie des milden Asthmas: ICS künftig schon ab Stufe 1 - Medscape - 28. Mai 2019.
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