„Mit keiner Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten“ – der „Flu-Shot“ für Senioren bleibt trotzdem unbeliebt

Dr. Klaus Fleck

Interessenkonflikte

27. Mai 2019

Wiesbaden – Die Effektivität der jährlichen Influenza-Impfung ist mit etwa 40 bis 80% – je nach Alter und Immunsituation – nicht optimal. Dennoch: „Mit keiner anderen Impfung lassen sich hierzulande mehr Leben retten“, betonte Prof. Dr. Thomas Weinke, Gastroenterologe und Infektiologe vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam, beim diesjährigen 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden [1].

Prof. Dr. Thomas Weinke

Er zitierte damit den Präsidenten des Robert Koch-Instituts (RKI) im Hinblick auf die letzte schwere Grippewelle 2017/2018 – mit seinerzeit rund 9 Millionen Influenza-bedingten Arztbesuchen und mehreren Tausend auf die Influenza zurückgeführten Todesfällen in Deutschland.

Schützt auch vor Infarkten

„Die Prävention der Influenza ist nur das vordergründige und keineswegs das alleinige Ziel der Impfung“, so Weinke. „Vielmehr geht es auch um die Prävention sekundärer Pneumonien sowie systemischer Inflammation, durch deren Verhinderung das Risiko kardiovaskulärer Morbidität gesenkt werden kann.“ Weinke verwies dabei u.a. auf eine Publikation australischer Autoren in Heart , in der die Bedeutung der Grippeimpfung als „Koronarintervention zur Prävention von Myokardinfarkten“ beschrieben wird.

 
Die Prävention der Influenza ist nur das vordergründige und keineswegs das alleinige Ziel der Impfung. Prof. Dr. Thomas Weinke
 

Insbesondere wenn die Influenza-Infektion auf ein arteriosklerotisch vorgeschädigtes Herz trifft, kann dies das Risiko eines akuten Myokardinfarkts deutlich steigern. Faktoren, die dazu beitragen, sind: Tachykardie, Hypoxie, akutes Entzündungsgeschehen, Freisetzung von Zytokinen, Vasokonstriktion, Ruptur von Koronarplaques und Thrombogenese.

Impfung mindestens so effektiv wie Rauchstopp und Statine

Besonders hoch ist das Infarktrisiko in den ersten 7 Tagen post infectionem, wie eine vergangenes Jahr im New England Journal of Medicine publizierte Studie zeigte. „Wir haben damit eine signifikante Assoziation zwischen Influenza und Myokardinfarkt“, so der Potsdamer Infektiologe. „Insofern gehört die Grippeimpfung genauso in die Infarktpräventionsstrategie wie der Rauchstopp, der Einsatz von Statinen und die antihypertensive Therapie.“ Auch die Effektivität der Impfung sei mit dem Nutzen dieser Interventionen vergleichbar oder – im Vergleich zur antihypertensiven Medikation – sogar noch besser.

 
Die Grippeimpfung gehört genauso in die Infarktpräventionsstrategie wie der Rauchstopp, der Einsatz von Statinen und die antihypertensive Therapie. Prof. Dr. Thomas Weinke
 

Ganz klarer Appell des Potsdamer Infektiologen: „Trotz der Limitationen der Influenza-Impfung haben wir mit ihr insbesondere für Patienten mit einer chronischen Herzerkrankung ein wirksames Mittel gegen Myokardinfarkte in der Hand, das es entsprechend einzusetzen gilt.“

Relevanz habe dies auch für die Influenza-Mortalität: So sei das Risiko für Influenza-Todesfälle bei Personen über 65 Jahre bei Vorliegen einer chronischen Herzerkrankung 5-mal größer, bei Vorliegen einer chronischen Lungenerkrankung 12-mal größer und bei Vorliegen von beidem sogar 20-mal größer.

Zu geringe Durchimpfung mit deutlichem West-Ost-Gefälle

Das Dilemma: „Dem klaren Nutzen der Influenza-Impfung“, kritisierte Weinke, „stehen in der wichtigsten Zielgruppe der Über-60-Jährigen nach wie vor viel zu geringe Durchimpfungsraten gegenüber.“ So lag die Influenza-Impfquote in dieser Altersgruppe in der Saison 2016/2017 bundesweit bei lediglich 34,8%, mit erheblichen Unterschieden zwischen alten und neuen Bundesländern (29,8% zu 50,9%), wie Daten der KV-Impfsurveillance zeigen.

 
Dem klaren Nutzen der Influenza-Impfung stehen in der wichtigsten Zielgruppe der Über-60-Jährigen nach wie vor viel zu geringe Durchimpfungsraten gegenüber. Prof. Dr. Thomas Weinke
 

Das Bundesland mit der niedrigsten Impfquote war Baden-Württemberg mit 19,9%, die höchste Durchimpfung hatte Brandenburg mit 50,9%. Appell des Potsdamer Internisten an die ärztlichen Kollegen: „Wenn so viele Menschen der eigentlichen Zielgruppe die Impfung nicht bekommen, kann das nur heißen: Hier müssen wir besser werden!“

 

Kommentar

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