Rheumatoide Arthritis: Therapieerfolg steht in den Genen – Test sagt voraus, ob Adalimumab additiv zu MTX sinnvoll ist

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

23. Mai 2019

Mithilfe von Gentests könnten Ärzte künftig vorhersagen, ob bei einer rheumatoiden Arthritis (RA) eine frühzeitige Behandlung mit dem Immunblocker Methotrexat (MTX) ausreichend ist oder ob eine zusätzliche Gabe des Antikörpers Adalimumab sinnvoll wäre, um noch bessere Behandlungserfolge zu erzielen.

Darauf weist eine Studie hin, die ein Team um den Präsidenten der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie (DGRh), Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops vom Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München, in der Fachzeitschrift Clinical and Experimental Rheumatology vorgestellt hat [1].

Nicht alle Patienten mit rheumatoider Arthritis profitieren von Biologika

Schulze-Koops, Bereichsleiter der Rheumaeinheit an der Medizinischen Klinik und Polyklinik IV, und seine Kollegen analysierten für ihre Untersuchung Daten der OPTIMA-Studie (Study of the Optimal Protocol for Methotrexate and Adalimumab Combination Therapy in Early Rheumatoid Arthritis), in der bei 1.032 Patienten mit frühen Stadien der rheumatoiden Arthritis die Kombination von MTX und dem TNF-Blocker Adalimumab placebokontrolliert getestet worden war. Wie sich herausstellte, konnte Adalimumab die Ergebnisse von MTX verbessern – allerdings nicht bei allen Patienten.

 
Bisher gab es keinen Anhaltspunkt, mit dem man hätte voraussagen können, bei welchen Patienten Biologika wirken und bei welchen nicht. Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops
 

„Bisher gab es keinen Anhaltspunkt, mit dem man hätte voraussagen können, bei welchen Patienten Biologika wirken und bei welchen nicht“, sagt Schulze-Koops in einer Pressemitteilung der DGRh [2]. Die Gewissheit, dass Adalimumab den Schutz der Gelenke tatsächlich verbessere, wäre ein wichtiges Argument für einen frühzeitigen Einsatz des teuren Medikaments, betont der Rheumatologe.

Daher hat er gemeinsam mit Kollegen untersucht, ob bestimmte Genvarianten – von denen zuvor bereits bekannt war, dass sie das Risiko und den Verlauf der rheumatoiden Arthritis beeinflussen können – auch Erkenntnisse darüber liefern, ob eine zusätzliche Gabe des Antikörpers den Behandlungserfolg steigert.

Mindestens 3 Gene beeinflussen die Therapiechancen

„Das ist eine sehr interessante Studie, die Daten von extrem gut charakterisierten Patienten aus einer relativ großen prospektiven randomisierten klinischen Studie genutzt hat“, kommentiert Prof. Dr. Harald Burkhardt, Leiter der Abteilung Rheumatologie an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Frankfurt am Main, im Gespräch mit Medscape.

„Zwar werden die Ergebnisse dieser Studie nicht bereits morgen den klinischen Alltag erreichen“, räumt Burkhardt ein. Doch das Team um die Erstautorin der Studie, Dr. Alla Skapenko, Laborleiterin der Münchner Rheumaeinheit, habe 3 hervorragende Beispiele dafür geliefert, wie man genetische Marker von Patienten in Zukunft nutzen könne, um das Ansprechen auf eine Therapie mit Adalimumab vorherzusagen.

Wie Skapenko und ihre Kollegen herausgefunden haben, beeinflussen die 3 Gene den Erfolg der Behandlung mit Biologika auf unterschiedliche Weise. Zunächst untersuchten die Forscher das humane Leukozyten-Antigen HLA DBR1.

 
Das ist eine sehr interessante Studie, die Daten von extrem gut charakterisierten Patienten (…) genutzt hat. Prof. Dr. Harald Burkhardt
 

„Dabei handelt es sich um einen zentralen Bestandteil des Immunsystems, bei dem bestimmte Varianten das Risiko erhöhen, an einer rheumatoiden Arthritis zu erkranken“, erklärt Schulze-Koops. Alle mit der Erkrankung assoziierten Varianten des HLA DRB1 enthalten einen kurzen kodierenden Abschnitt für ein identisches Aminosäuresequenzmotiv, das „shared epitope“ genannt wird. Solche Risikoallele können entweder überhaupt nicht, auf einem oder auch auf beiden der von den Eltern ererbten Chromosomen vorhanden sein.

„Shared epitope“-Allele sprechen für eine Therapie mit Adalimumab

Die Studie zeigte, dass die Wirkung von Adalimumab in Kombination mit MTX umso besser war, je mehr „shared epitope“-Allele ein Patient in seiner genetischen Krankheitsdisposition aufwies. Insbesondere der Nachweis mehrerer solcher Genabschnitte spreche daher für eine frühzeitige ergänzende Behandlung mit dem Antikörper, sagt Schulze-Koops.

Fehlten die „shared epitope“-Allele bei einem Patienten hingegen komplett, konnten die Forscher durch die ergänzende Gabe von Adalimumab keinen zusätzlichen Nutzen feststellen.

 
Mit der steigenden Anzahl der „shared-epitope“-Allele war für die Kombination MTX plus Adalimumab ein signifikant gesteigertes Therapieansprechen (…) zu beobachten. Prof. Dr. Harald Burkhardt
 

„Mit der steigenden Anzahl der „shared-epitope“-Allele war für die Kombination MTX plus Adalimumab ein signifikant gesteigertes Therapieansprechen in allen 3 Kriterien des American College of Rheumatology – einer 20%igen, 50%igen und 70%igen Verbesserung der Beschwerden – zu beobachten“, ergänzt Burkhardt. Im MTX plus Placebo-Behandlungsarm hingegen sei eine stärkere Risikoallel-Prädisposition tendenziell mit einem schlechteren Therapieansprechen verbunden gewesen.

Bei einer bestimmten Genvariante kommt es vermehrt zur Remission

Das 2. Gen, mit dem sich die Forscher um Schulze-Koops beschäftigten, war das Gen FcγRIIB, das für einen inhibitorischen IgG-Rezeptor kodiert, dem im Rahmen von Immunantworten eine wichtige regulatorische Bedeutung zukommt.  Mit dem Nachweis einer Genvariante, die mit einer Beeinträchtigung der Funktion des FcγRIIB einhergehe, sei für den Patienten eine gesteigerte Chance verbunden, dass es unter der Behandlung mit MTX und Adalimumab zur Remission komme, berichtet das Team.

„Die Odds-Ratio, also das Chancenverhältnis, lag hier bei mehr als 17, was ein wirklich bemerkenswert hoher Wert ist“, sagt Burkhardt.

Bei der dritten untersuchten Erbanlage handelte es sich um das Gen für den Interleukin-4-Rezeptor (IL4R). Wie Schulze-Koops und seine Kollegen schreiben, erhöht eine bestimmte Mutation im IL4R-Gen das Risiko, dass es unter der Behandlung mit MTX allein zu einer fortschreitenden Gelenkzerstörung kommt.

Eine zusätzliche Behandlung mit Adalimumab habe das in der Studie allerdings verhindern können, sagt der DGRh-Präsident. Er würde deshalb auch diesen Gentest künftig gerne bei seinen Patienten anwenden.

Für eine möglichst individuelle Aussage sind weitere Marker erforderlich

„Gentests könnten die Behandlungskosten senken und den Einsatz von Adalimumab in der Frühphase der rheumatoiden Arthritis bei den Patienten vertretbar machen, bei denen ein therapeutischer Effekt erwartet werden kann“, fasst der Münchener Rheumatologe die Ergebnisse seiner Studie zusammen. Dies sei ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer personalisierten, patientenorientierten Präzisionsmedizin, so Schulze-Koops.

 
Gentests könnten die Behandlungskosten senken (…) Prof. Dr. Hendrik Schulze-Koops
 

Sein Frankfurter Kollege Burkhardt sieht das ähnlich, hält jedoch weitere Forschung für notwendig. „Bei der jetzt vorliegenden Studie mit ihren sehr interessanten und ermutigenden Resultaten handelt es sich um statistische Zusammenhänge von genetischen Markern mit Behandlungserfolgen in Gruppenvergleichen“, sagt er.

 
Es ist zu berücksichtigen, dass der Vorhersagewert für das therapeutische Ansprechen im individuellen Patienten auf Basis der untersuchten genetischen Marker noch limitiert bleibt. Prof. Dr. Harald Burkhardt
 

„Trotz der ausgezeichneten Ergebnisse ist zu berücksichtigen, dass der Vorhersagewert für das therapeutische Ansprechen im individuellen Patienten auf der Basis der untersuchten genetischen Marker noch limitiert bleibt.“ Womöglich brauche es neben den 3 genannten noch andere Marker, um die Vorhersagegenauigkeit therapeutischer Wirkungen für den individuellen Fall weiter zu erhöhen, so Burkhardt.

Noch sind solche Gentests relativ aufwändig und teuer

„An dem Thema sind aber viele Wissenschaftler dran, weshalb ich davon ausgehe, dass sich hier in nächster Zeit Einiges tun wird“, sagt der Frankfurter Rheumatologe. Verglichen mit der konventionellen serologischen Routinediagnostik seien Gentests noch aufwändiger und kostenintensiver, so der Mediziner.

Doch auch in dieser Hinsicht zeigt er sich optimistisch: „Wenn wir ein paar richtig gute Marker haben, anhand derer sich das Ansprechen auf eine Therapie mit Biologika mit hoher Eintritts- und niedriger Irrtumswahrscheinlichkeit vorhersagen lässt“, ist Burkhardt überzeugt, „werden auch entsprechende Tests zu einem angemessenen Preis auf den Markt kommen.“

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....