Metastasen lassen sich mit einer strahlenfreien Ganzkörperuntersuchung per Kernspintomograph (MRT) rascher und kostengünstiger entdecken als mit den bisher verwendeten Standard-Bildgebungsverfahren. Dies ist das Ergebnis von 2 großen prospektiven Studien in England, in die Patienten mit neu diagnostiziertem Lungen- und Darmkrebs eingeschlossen waren.
Prof. Dr. Stuart A. Taylor, Zentrum für medizinische Bildgebung, The London Clinic, und seine Kollegen haben die Ergebnisse der Streamline-L-Studie in Lancet Respiratory Medicine und der Streamline-C-Studie in Lancet Gastroenterology & Hepatology online publiziert [1,2].
Die Ergebnisse der MRT-Untersuchung waren ähnlich gut wie mit Standard-Bildgebungsverfahren und führten zu vergleichbaren Therapieentscheidungen – aber die Kosten pro Patient waren beim Kolorektalkarzinom um etwa ein Viertel und beim Lungenkarzinom um etwa die Hälfte niedriger. Zudem konnte der Tumor rascher beurteilt werden.
Die Schlussfolgerung der Autoren aus beiden Studien: „Das Tumorstaging mit Ganzkörper-MRT ist ähnlich genau wie mit Standardverfahren, es verringert aber die Staging-Zeit und die Kosten.“
In einem begleitenden Kommentar in Lancet Respiratory Medicine weisen Dr. Mathias Meyer und Dr. Johannes Budjan, Institut für klinische Radiologie und Nuklearmedizin der Universitätsmedizin Mannheim, darauf hin, dass die Ganzkörper-MRT für die Patienten zwar etwas belastender sei, die Patienten würden aber diese Methode dennoch bevorzugen, weil die Staging-Zeit kürzer sei [3].
„Diese Befunde belegen die Bedeutung eines verbesserten Ablaufs beim Staging und der Auswahl des richtigen diagnostischen Verfahrens für jeden einzelnen Patienten, um die Zeit bis zur Therapieentscheidung zu minimieren. Denn dies kann dem Patienten unnötig Angst machen und einen direkten Einfluss auf das Therapieergebnis haben.“
Eine Herausforderung bleibe trotz Ganzkörper-MRT der Nachweis okkulter Metastasen und das Staging von Lymphknoten beim Lungenkarzinom. Nicht zu vergessen seien Kontraindikationen für eine MRT wie Implantate, Klaustrophobie und – in Abhängigkeit vom System – Adipositas.
In einem begleitenden Kommentar in Lancet Gastroenterology & Hepatology lobt Prof. Dr. Andreas Schreyer, Abteilung für Radiologie, Städtisches Klinikum Brandenburg, den realistischen und pragmatischen Ansatz der Studie [4]. Allerdings könne das englische Gesundheitssystem nicht direkt mit anderen Systemen verglichen werden. Schlüsselproblem der Studie sei gewesen, dass in 8 der 16 Studienzentren beim Kolorektalkarzinom keine Möglichkeit zum Ganzkörper-MRT bestand, die Untersuchung musste deshalb in benachbarten Einrichtungen durchgeführt werden.
„Die Infrastruktur mit Verfügbarkeit und technischer Expertise für die MRT-Untersuchung ist deshalb fundamentale Voraussetzung, um zu neuen effektiveren diagnostischen Verfahren zu wechseln.“
Therapiebeginn nach Tumorstaging
Die Therapie einer neu diagnostizierten Krebserkrankung kann erst beginnen, wenn die Größe des Tumors und seine Streuung in Lymphknoten und andere Körperregionen bekannt sind. Hierzu werden normalerweise verschiedene Bildgebungsverfahren eingesetzt wie CT, PET-CT oder gezielte MRT-Untersuchungen.
Die Genauigkeit der Verfahren variiert in verschiedenen Organen. Der Patient muss mehrere Termine wahrnehmen und verschiedene Nachfolgeuntersuchungen über sich ergehen lassen.
Erstmals verglichen Taylor und seine Kollegen nun in den 2 prospektiven Studien die diagnostische Genauigkeit und Effizienz einer Ganzkörper-MRT-Untersuchung mit den Standardverfahren bei Patienten mit neu diagnostiziertem Lungen- oder Kolorektalkarzinom.
Alle Patienten unterzogen sich einem Ganzkörper-MRT und wurden auch mit den Standardverfahren gescreent. Das multidisziplinäre Team empfahl basierend auf den Ergebnissen der Standardverfahren eine entsprechende Therapie. Anschließend wurden die Empfehlungen anhand der MRT-Ergebnisse überprüft und Unterschiede zwischen den beiden diagnostischen Verfahren erfasst.
Im Interesse der Patienten basierte die endgültige Therapieentscheidung auf den Ergebnissen aller Untersuchungen. Nach einer Nachbeobachtungszeit von 12 Monaten wurden die Ergebnisse erneut überprüft, um retrospektiv zu bewerten, welches die beste Therapieoption gewesen wäre.
Ganzkörper-MRT rascher und kostengünstiger
Sensitivität und Spezifität der Ganzkörper-MRT-Untersuchung unterschieden sich in beiden Studien nicht von den Standard-Verfahren. Bei Patienten mit Kolorektalkarzinom verringerte jedoch die MRT die Zeit bis zur kompletten Diagnostik von im Mittel 13 auf 8 Tage, bei Patienten mit Lungenkarzinom von 19 auf 13 Tage. Beim Kolorektalkarzinom sanken mit der MRT die Kosten von 330 Euro auf 250 Euro, beim Lungenkarzinom von 718 Euro auf 377 Euro.
Allerdings konnten 8 der 16 Zentren der Kolorektalkarzinom-Studie und 11 der 16 Zentren der Lungenkrebsstudie die Ganzkörper-MRT-Untersuchung nicht selbst ausführen.
Taylor und seine Kollegen weisen auch darauf hin, dass die Ergebnisse nur für die untersuchten Tumorerkrankungen gelten und nicht auf andere Krebserkrankungen übertragen werden können.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Lungen- und Darmkrebs: Ganzkörper-MRT entdeckt Metastasen schneller und ist günstiger – Ruf nach mehr MRT-Geräten - Medscape - 21. Mai 2019.
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