Die neuen Onkologika finden immer weitere Verbreitung bei Krebspatienten – so ganz nebenwirkungsarm sind sie jedoch nicht: Inhibitoren des Programmed Cell Death Protein 1 (PD-1) bzw. des Programmed Cell Death 1 Ligand 1 (PD-L1) führen bei 66% aller Patienten zu unerwünschten Ereignissen. Dabei waren 14% aller Nebenwirkungen schwerwiegend (Grad 3 oder höher), so das Ergebnis einer aktuellen Literaturübersicht und Metaanalyse.
Signifikante Unterschiede gab es zwischen unterschiedlichen Arzneistoffen, die Art der Krebserkrankung spielte keine Rolle. Das berichten Dr. Yucai Wang von der Division of Hematology an der Mayo Clinic Rochester und Kollegen in JAMA Oncology [1].
PD-1 und PD-L1-Inhibitoren werden von Onkologen immer häufiger eingesetzt. „Eine umfassende Analyse aller gängigen behandlungsbedingten Nebenwirkungen, die in klinischen Studien genannt werden, ist entscheidend, da die Ergebnisse eine wichtige Referenz für Ärzte darstellen“, schreiben Wang und Kollegen.
Ältere Arbeiten seien unvollständig gewesen. In ihrer Arbeit sehen die US-Autoren eine Ergänzung zu Leitlinien der American Society of Clinical Oncology und des National Comprehensive Cancer Network.
Auswertung von 125 klinische Studien mit 20.128 Patienten
Auf Basis von Literaturrecherchen fanden sie 125 klinische Studien mit 20.128 Patienten. Zu den Einschlusskriterien gehörten neben der Diagnose Angaben zu den verordneten PD-1 und PD-L1-Inhibitoren inklusive Dosis, Dosiseskalation und unerwünschten Effekten. Von 18.610 Patienten berichteten 12.277 (66,0%) von mindestens einem unerwünschten Ereignis.
Die häufigsten unerwünschten Ereignisse bei allen Probanden waren – unabhängig von der Schwere – Müdigkeit (18,26%), Pruritus (10,61%) und Diarrhoe (9,47%). Im Bereich endokriner Systeme standen Hypothyreosen (6,07%) bzw. Hyperthyreose (2,82%) an der Spitze.
Hyperglykämie, Thyreoiditis, Nebenniereninsuffizienz, Hypophysitis und Typ-1-Diabetes beschränkten sich auf wenige Einzelfälle.
Bekanntlich werden Nebenwirkungen anhand der Common Toxicity Criteria ab Grad 3 als schwerwiegend eingestuft. Das war bei 2.627 (14,0%) von 18.715 Patienten der Fall. Zu den häufigsten Ereignissen gehören bei dieser Gruppe Müdigkeit (0,89%), Anämie (0,78%) sowie ein Anstieg der Aspartat-Aminotransferase (0,75%).
Nivolumab war im Vergleich zu Pembrolizumab mit mehr Nebenwirkungen assoziiert (Odds Ratio [OR] 1,28). Bei Nebenwirkungen Grad 3 oder mehr lag die OR bei 1,3. PD-1-Inhibitoren waren im Vergleich zu PD-L1-Inhibitoren mit mehr unerwünschten Ereignissen vom Grad 3 oder höher assoziiert (OR 1,58).
Wenige Todesfälle in Verbindung mit der Pharmakotherapie
Von den 125 ausgewerteten Studien machten 112 (89,6%) generelle Angaben zur Mortalität in Verbindung mit PD-1/PD-L1-Inhibitoren. In 40 Studien wurde mindestens ein Todesfall aufgeführt; insgesamt starben 82 Personen aufgrund von Nebenwirkungen. Die Gesamtinzidenz von therapiebedingten Todesfällen lag bei 0,45%.
An der Spitze standen Pneumonitiden (23 Fälle, 28,0%), gefolgt von Pneumonien (5 Fälle, 6,1%), Sepsis (7 Fälle, 8,5%), Atemwegsversagen (5 Fälle, 6,1%) und Herz-Kreislauf-Versagen (3 Fälle, 3,7%). Atemwegserkrankungen (39 Fälle, 48,0%) machten fast die Hälfte aller Todesfälle in Zusammenhang mit den Arzneistoffen aus.
Herz-Kreislauf- (8 Fälle, 9,8%), infektiöse (7 Fälle, 8,5%), hämatologische (5 Fälle, 6,1%) und hepatische (3 Fälle, 3,7%) Erkrankungen waren deutlich seltener.
Stärken und Schwächen
Als größte Stärke ihrer Auswertung bewerten Wang und Kollegen die Zahl an eingeschlossenen Veröffentlichungen. Normalerweise würden bei jeder Studie nur die wichtigsten Nebenwirkungen gemeldet, und Informationen über weniger häufig beobachtete Ereignisse würden unter Anwendung eines vorgegebenen studienspezifischen Cutoff-Wertes nicht mehr erfasst, heißt es im Artikel. Je größer die Studie, desto mehr Informationen gingen über Cutoffs verloren.
Über statistische Korrekturen sei es gelungen, dies zu korrigieren. Die Autoren verwendeten dazu Veröffentlichungen ohne Cutoff; meist handelte es sich hierbei um Studien mit geringeren Patientenzahlen.
Dem stehe der bekannte Publikationsbias als Schwäche der Analyse gegenüber: Gute Ergebnisse im Sinne einer erfolgreichen Pharmakotherapie würden eher veröffentlicht als negative Studien. Außerdem weist das Team um Wang auf fehlende Head-to-Head-Vergleiche zwischen PD-1/PD-L1-Inhibitoren hin. „Die Ergebnisse sollten deshalb mit Vorsicht interpretiert werden“, lautet ihr Resümee.
Kaum Todesfälle unter PD-1/PD-L1-Inhibitoren
„Die Blockade der PD-1/PD-L1-Achse führt zu vielversprechenden Ergebnissen bei mehreren Krebsarten“, schreiben Dr. Diwakar Davar und Dr. John M. Kirkwood in einem begleitenden Kommentar [2]. Sie forschen am UPMC Hillman Cancer Center, Pittsburgh. Unerwünschte Effekte seien vor allem damit zu erklären, dass die Immunhomöostase ausgehoben werde.
„Insgesamt ergänzt diese große und umfassende Meta-Analyse unser Wissen über die unerwünschten Effekte von PD-1/PD-L1-Inhibitoren erheblich.“ Für Ärzte sei wichtig, dass es kaum zu unerwünschten Ereignissen des Grades 5, sprich zu Todesfällen, gekommen sei.
Die Editorialisten raten Kollegen, speziell Erkrankungen des respiratorischen Systems im Blick zu behalten: „Hier ist die Wahrscheinlichkeit von Todesfällen durch Pharmakotherapien am größten.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Checkpoint-Inhibitoren: Metaanalyse enthüllt die häufigsten Nebenwirkungen – und wie gefährlich sie sind - Medscape - 20. Mai 2019.
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