Wiesbaden – Stellt sich ein Patient mit Husten vor, handelt es sich meist um leichte grippale Infekte oder eine Bronchitis. Manchmal hält der Husten aber über Wochen oder Monate an – dann ist eine gründlichere Diagnostik notwendig. Wie die neue S2k-Leitlinie „Husten“ der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie (DGP) bei erwachsenen Patienten die Diagnostik vereinfacht, und wie refraktäre und idiopathische Formen des chronischen Hustens behandelt werden können, stellten 3 Autoren der DGP-Leitlinie auf dem 125. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) in Wiesbaden vor [1].

Prof. Dr. Heinrich Worth
Für eine zielgerichtete Diagnostik und Therapie ist die Einteilung des Hustens nach seiner Dauer sinnvoll. Grundsätzlich spricht man bei Husten von bis zu 8 Wochen Dauer von „akut“, hält Husten länger als 8 Wochen an, spricht man von „chronisch“ und Husten mit einer Dauer von 3 bis 8 Wochen gilt als „subakut“, erklärte Prof. Dr. Heinrich Worth, ehemaliger Chefarzt der Klinik für Herz- und Lungenerkrankungen am Fürther Krankenhaus.
Wobei spontan abheilender Husten nach banalen viralen Infekten der oberen und unteren Atemwege auch bis zu 8 Wochen anhalten kann (bei Pertussis, Adenovirus, Mycoplasma pneumoniae auch länger).
Alarmzeichen beim akuten Husten
Häufigste Ursachen des akuten Hustens sind virale Infekte der oberen und unteren Atemwege. Treten allerdings folgende Alarmzeichen auf, ist umgehend eine weitere Diagnostik notwendig:
Dyspnoe
Verdacht auf Pneumonie
Verdacht auf Tuberkulose (TBC)
hohes Fieber
Zyanose
Hinweis auf Herzinsuffizienz
sehr starker Raucher
akute inhalative Intoxikation
Maßnahmen bei Verdacht auf eine schwerwiegende Erkrankung sind ein Röntgen-Thorax, gegebenenfalls ein Kontrastmittel-Computertomogramm (CT), Labor (auch D-Dimere und NT-proBNP – ein Marker für frühe Herzinsuffizienz), Lungenfunktionstest, Oxymetrie, Blutgase, EKG und Ultraschall-Kardiografie.
Bei typischer Anamnese für einen akuten Erkältungsinfekt und ohne klinischen Hinweis auf eine Pneumonie oder das Vorliegen der genannten Alarmzeichen kann mit der Einleitung der Diagnostik bis zu 8 Wochen gewartet werden. Im typischen Fall sind keine weitergehenden diagnostischen Maßnahmen erforderlich.

Dr. Peter Kardos
Antibiotika sind beim akuten Husten durch Erkältungsinfekt in der Regel nicht indiziert. Empfehlenswert ist ein Vorgehen nach dem Algorithmus „Akuter Husten“ der neuen S2k-Leitlinie (S. 172). Mögliche Lokalisationen des Infektes sind: Rhinitis, Rhinosinusitis, Pharyngitis, Laryngitis und Bronchitis – wobei letztere selten isoliert auftritt. Bakterielle Infekte sind seltener als virale Entzündungen für einen akuten Husten verantwortlich.
Der chronisch refraktäre Husten
Die Prävalenz des chronischen Hustens (länger als 8 Wochen) liegt bei Erwachsenen weltweit bei 9,6%. Anhaltender Husten kann ein Ausdruck harmloser, aber auch sehr schwerer Erkrankungen wie eines Bronchialkarzinoms sein, machte Prof. Dr. Adrian Gillissen deutlich. Er ist Chefarzt der Abteilung für Innere Medizin in der Ermstalklinik Bad Urach. Diagnostisch empfiehlt sich ein Vorgehen nach dem Algorithmus „Chronischer Husten“ der neuen Leitlinie (S. 174).
Die häufigsten Erkrankungen, die chronischem Husten zugrunde liegen, lassen sich über ein Röntgen-Thorax und eine Lungenfunktionsprüfung abklären. Dazu gehören z.B. COPD, Asthma, Lungentumoren, Tuberkulose, Aspiration, Lungen-Parenchym-Erkrankungen. Die chronische (Raucher-)Bronchitis ist dabei eine Ausschlussdiagnose.
Führen Röntgen- und Lungenfunktionsdiagnostik nicht weiter, sollte man an einen chronischen Husten, getriggert durch eine Erkrankung im Bereich der oberen Atemwege, einen gastroösophagealen Reflux und an Husten als Asthma-Äquivalent denken.
Bei der weiteren Diagnostik sollten in Betracht gezogen werden: seltene Erkrankungen des Tracheo-Bronchialsystems (einschließlich Bronchiektasie), Medikamente, die Husten auslösen können (z.B. ACE-Hemmer), Herzerkrankungen mit Lungenstauung, Pertussis, Tuberkulose und Frühstadien diffuser Lungen-Parenchym-Erkrankungen. Die weiterführende Diagnostik umfasst meist eine Multislice-Computertomografie der Thorakal-Organe und ggf. eine Bronchoskopie.
Ursachentherapie des chronischen Hustens:
Asthma: inhalative Corticosteroide (ICS) + Bronchodilatatoren
Chronische Bronchitis (Raucher): Raucherentwöhnung
COPD: Bronchodilatatoren (+ ICS)
Bronchiektasen, Bronchomalazie: Mukolytika, Physiotherapie, Antibiotikum
Pertussis: Makrolide (früh), symptomatisch
Infektiöse Erkrankungen (TBC): Antibiotika
Lungen-Parenchym-Erkrankungen: Immunsuppression, Pirfenidon., Nintedanib
Cystische Fibrose (CF) und andere seltene pulmonale Erkrankungen: Physiotherapie, Antibiotika, Mukolyse etc.
Pleuraerkrankungen/Pleuritiden: Analgetika, Antibiotika, Punktion, videoassistierte Thorakoskopie (VATS)
Extrapulmonale Erkrankungen:
Gastroösophagealer Reflux: H2-Blocker
Medikamente (z.B. ACE-Hemmer): Medikamente austauschen
Herzerkrankungen (z.B. Lungenstauung): Diuretikum, Betablocker, nicht-pharmakologische Therapien
Spricht der chronische Husten bei Patienten mit Reflux, Asthma oder Sinusitis auf die entsprechende Therapie nicht an, liegt ein chronisch refraktärer Husten vor. Häufig betroffen sind Frauen im mittleren Lebensalter. Ursache ist eine erhöhte Sensitivität des Hustenreflexes.
Chronisch refraktärer Husten: Gefapixant reduziert die Hustenfrequenz deutlich
Zur symptomatischen Behandlung des chronisch refraktären Hustens kommen Antitussiva wie Codein oder Dihydro-Codein infrage (bei produktivem Husten nicht indiziert). Auch Phytopharmaka, die krampflösend und Hustenreiz-mindernd wirken (z.B. Thymian, Sonnentau, Cineol, Myrtol, Pelargonium) und Expektorantien können eingesetzt werden.
Bewährt hat sich auch das Antiepileptikum Pregabalin in Kombination mit Sprechtherapie (SPT). In einer Studie aus 2016 hat sich die Kombination bei Patienten mit refraktärem (und idiopathischem) chronischen Husten als wirksam gegenüber Placebo plus SPT erwiesen. Die Verbesserungen im Leicester Cough Questionnaire (LCQ) waren unter SPT plus Pregabalin (Dosis 4 x 75 mg pro Tag) größer als unter SPT allein; der mittlere Unterschied im LCQ betrug 3,5.
In einer doppelblinden Placebo-kontrollierten Studie hat sich auch das Antikonvulsivum Gabapentin (Dosis 1 x 800 mg pro Tag) bei Patienten mit refraktärem Husten als wirksam erwiesen. 62 Patienten waren auf Gabepentin (n=32) oder Placebo (n=30) randomisiert worden. Gabapentin verbesserte die hustenspezifische Lebensqualität im Vergleich zu Placebo signifikant.
Einen vielversprechenden Ansatz stellt womöglich der P2X3-Rezeptorblocker Gefapixant dar. Präklinische Studien hatten ergeben, dass P2X3-Rezeptoren die Sensibilität des Hustenreizes vermitteln und so zu chronischem Husten führen können. In einer Placebo-kontrollierten Phase-2-Studie aus 2015 wurden 24 Patienten mit chronisch refraktärem Husten auf den P2X3-Rezeptorblocker AF-219 (zweimal täglich, 600 mg) oder Placebo randomisiert. Unter AF-219 wurde die Hustenfrequenz im Vergleich zu Placebo um 75% reduziert (p=0,0003). Auf Grundlage dieser Daten wurden jetzt 2 Phase-3-Studien mit mehr als 2.000 Patienten (Behandlungsdauer 1 Jahr) gestartet.
Auch eine nicht-medikamentöse Therapie kann die Symptomatik bei chronisch refraktärem Husten deutlich lindern, wie die Kombination aus Physiotherapie und Sprechtherapie zeigt, die 2017 in einer Studie untersucht wurde. 75 Teilnehmer wurden auf Physio- und Sprechtherapie (n=34) oder auf die Kontrollgruppe (Beratung zu gesunder Lebensweise, n=41) randomisiert. In der Interventionsgruppe verbesserte sich die gesundheitsbezogene Lebensqualität (HRQoL) im Durchschnitt um 1,53 Punkte mehr als in der Kontrollgruppe (p=0,024). Auch die Hustenhäufigkeit sank um 41% (p=0,030).
Heilversuche mit Pregabalin, Gabapentin und Sprechtherapie beim idiopathischen Husten
Kann nach Ausschöpfung der Diagnostik keine Grunderkrankung festgestellt werden, liegt ein chronisch idiopathischer Husten vor, so Dr. Peter Kardos vom Zentrum für Pneumologie, Allergologie, Schlafmedizin der Klinik Maingau in Frankfurt. Patienten mit chronisch idiopathischem Husten leiden an einer erhöhten Sensitivität des Hustenreflexes mit unbekannter Ursache.
Das Verhältnis Frauen zu Männern liegt beim chronisch idiopathischen Husten bei 2:1. Das typische Erkrankungsalter für Frauen liegt nach der Menopause. Häufig geben die Patientinnen eine jahrelang zurückliegende Erkältung als Beginn an. Im Vergleich zu Patienten mit etablierter Ursache des chronischen Hustens (die auf eine Therapie ansprechen) ist die Dauer der Beschwerden bei Patienten mit chronisch idiopathischem Husten signifikant länger, die Fraktion exhalierten Stickstoffoxids (FeNO) niedriger und die Capsaicin-Sensitivität höher.
Die Hypersensitivität des Hustenreflexes gilt heute klinisch als Ursache für den chronisch idiopathischen Husten. Erkrankungen wie Bronchiektasen, Reflux, Rhinosinusitis, COPD, Asthma, eosinophile Bronchitis und Lungenfibrose gelten als Trigger des chronischen Hustens. Die Therapie der einzelnen Trigger kann zwar häufig eine Linderung bringen, die Symptome verschwinden damit aber nicht.
Sekretomotorika und Antitussiva sind für die symptomatische Therapie des chronisch idiopathischen Hustens nur wenig wirksam. Einige Patienten profitieren – als Heilversuch – von der Inhalation von Lokalanästhetika oder Morphin in niedrigdosierter retardierter Form.
Auch ein Heilversuch mit Gabapentin, Pregabalin oder Amitriptylin kann erfolgreich sein. Erfahrene Logopäden erreichen mit gezielter Sprech- und Atemtherapie ebenfalls eine Linderung des Hustens. Amitryptilin, Gabapentin und Pregabalin werden off-label eingesetzt – und zwar in folgenden Dosen: Amitryptilin 10 mg abends; Gabapentin 3 x 100 mg anfangen, bis zu 12.00 mg/die; Pregabalin 25 mg abends anfangen, bis zu 300 mg/Tag.
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Diesen Artikel so zitieren: Neue DGP-Leitlinie zu Husten – mit vereinfachten Algorithmen und Extrakapitel zu chronisch idiopathischem Husten - Medscape - 20. Mai 2019.
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