Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) lobt seine neue Gesetzesinitiative zur Reform der Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK). Es mache den Dienst unabhängiger, transparenter und effektiver, so das BMG.
So soll das Gesetz mehr Distanz des Dienstes und seiner rund 9.000 Mitarbeiter zu den Kassen erzwingen. Auch die Abrechnungsprüfungen, die der MDK bei den Krankenhäusern vornimmt, sollen entschlackt und grundlegend verändert werden.
Die Reform des MDK kommt nicht überraschend. Sie wurde bereits im Koalitionsvertrag vereinbart.
Wie (un-)abhängig sind die MDK von den Krankenkassen?
Der Referentenentwurf des MDK-Reformgesetzes fordert eine Organisationsreform der beiden Dienste – sowohl der 15 MDK, die im Auftrag der Kassen unter anderem Krankenhausrechnungen prüfen, als auch des MDS (Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen), der die Arbeit der MDK koordiniert [1].
Beide werden aus ihrer Arbeitsgemeinschaft mit den Kassen gelöst, so will es der Gesetzentwurf. Der MDK wird in eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (K.d.ö.R.) umgewandelt und als „Medizinischer Dienst“(MD) weitergeführt. Der MDS wird zum „MD Bund“ und ebenfalls zur K.d.ö.R..
Die Medizinischen Dienste werden zu Mitgliedern des MD Bund. „Der Medizinische Dienst braucht die organisatorische Unabhängigkeit von den Krankenkassen, um glaubwürdig und handlungsfähig zu bleiben“, begründet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) den Schritt. So weit, so klar.

Jens Spahn
© Stephan Baumann
Aber Dr. Peter Pick, Geschäftsführer des MDS, kritisiert das Misstrauen der Politik: „MDS und MDK sind fachlich unabhängig. Die gutachterliche Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste ist und war immer gegeben“, so Pick auf Anfrage. „Es gibt keinen Einfluss der Krankenkassen auf die Einzelfall-Begutachtung und das operative Geschäft der Medizinischen Dienste.“
Man versuche nicht, über die Nähe zum MDK Kosten zu senken, sagt auch ein Kassenvertreter zu Medscape. Es nütze niemandem, etwa einen Pflegebedürftigen zu niedrig einzustufen, dies würde am Schluss nur teurer für die Kassen.
Was die Krankenkassen ebenfalls ärgert, ist ein anderer Punkt im Zusammenhang mit der Organisationsreform: Die Zusammensetzung der Verwaltungsräte der neuen MD soll nun per Gesetzesbeschluss geändert werden.
„Künftig werden auch Vertreter der Patientinnen und Patienten, der Pflegebedürftigen und der Verbraucher sowie der Ärzteschaft und der Pflegeberufe im Verwaltungsrat vertreten sein“, so der Referentenentwurf. Mit dieser Bestimmung ziehe der Gesetzgeber erneut Aufgaben der Selbstverwaltung an sich, kritisieren die Krankenkassen.
Eine Kurzbewertung des Gesetzes durch die AOKs, die Medscape vorliegt, kritisiert, die Regelungen würden die Selbstverwaltung schwächen. Mehr noch: Die neuen Verhältnisse in den Verwaltungsräten spiegelten „nicht die Finanzierungsverantwortung wider.“
Will sagen: Die Kassen wollen verhindern, dass Patienten und Selbsthilfegruppen darüber mitbestimmen, welche Leistungen einem Pflegebedürftigen bezahlt werden und welche nicht.
Auch Pick kritisiert, der MDK gerate durch die Reform in eine Minderheitenposition. „Die Selbstverwaltung sollte eher gestärkt werden, da sie der Garant für die fachliche Unabhängigkeit der Medizinischen Dienste auch gegenüber von Einzelinteressen einzelner Krankenkassen ist“, so Pick. „Wir brauchen in den Gremien Selbstverwalter, die die Kranken- und Pflegeversicherung kennen und ihr Fachwissen in die Arbeit der Medizinischen Dienste einbringen.“
Je mehr korrekte Krankenhaus-Rechnungen, umso weniger Prüfungen
Außerdem soll laut Gesetzentwurf die Prüfungspraxis für Krankenhaus-Rechnungen geändert werden. „Die Abrechnungen der Kliniken sollen künftig gezielter überprüft werden. Das ist auch im Sinne der Patienten“, so Spahn. „Weniger, aber gezieltere Prüfungen lassen mehr Zeit für eine gute Versorgung.“
Und so sieht die angestrebte neue Regelung aus: In den 4 Quartalen 2020 sollen die MDK 10% aller Krankenhaus-Rechnungen prüfen. Das Ergebnis des 3. Quartals (die „Prüfquote“) ist dann ausschlaggebend für die Anzahl der Prüfungen im 1. Quartal 2021 – und so fort. Die Prüfquote pro Quartal wird also auf Basis des vorvergangenen Quartals erhoben. So gilt: Je mehr korrekte Rechnungen in einem Quartal, umso weniger Rechnungen werden im übernächsten Quartal geprüft. Der Gesetzgeber spricht hier von einem „lernenden System“.
Pick kommentiert zustimmend: „Wir halten es für zielführend, dass selektiv vorgegangen wird und vor allem die Krankenhäuser in den Fokus der Prüfungen genommen werden sollen, die in großem Maße falsch abrechnen.“
Tatsächlich hat der Spitzenverband der Krankenkassen für 2017 errechnet, dass 56% aller Krankenhausrechnungen falsch gewesen seien. Die Krankenhäuser mussten 2,8 Milliarden Euro zurückzahlen. Die Prüfquoten-Regelung dürfte auch deshalb erhebliche Folgen haben, weil die Zahl der Prüfungen bisher ständig gestiegen ist und nun gedrückt werden könnte. Zwischen 2014 und 2018 stieg die Zahl der Prüfungen von 1,9 auf 2,4 Millionen, teilt der MDS mit. In den 15 MDK wurden dazu über 100 neue Gutachterstellen geschaffen und 200 Stellen für Codier-Kräfte. Auch das kostet.
Grund genug, zu handeln. Die AOKs finden das System der Strafen für Krankenhäuser mit vielen falschen Rechnungen denn auch „positiv“, allerdings ebenso „strategieanfällig“, wie es in dem AOK-Papier heißt. Denn die Krankenhäuser könnten jeweils absehen, wann im Quartal ihre Prüfquote durch den MDK erfüllt ist – was sie dazu reizen könnte, „z.B. in den letzten 3 Wochen des Quartals entsprechend willkürlich abzurechnen.“
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft begrüßt die Regelung rundherum. Der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum: „Dieses Gesetzgebungsvorhaben von Minister Spahn hat das Potenzial für eine fairere Prüfung der Krankenhausabrechnungen.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Spahn legt Entwurf für MDK-Reform vor: Mehr Distanz zu Krankenkassen und neues Prüfverfahren für Klinikabrechnungen - Medscape - 15. Mai 2019.
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