Mannheim – Bei den Blutdruckzielwerten scheint es wieder nach unten zu gehen. Prof. Dr. Thomas Benzing, Universitätsklinikum Köln, plädierte bei der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie bei Hypertonikern mit chronischer Niereninsuffizienz (CKD) für eine konsequente Blutdrucksenkung auf den Zielkorridor 120-130/70-80 mmHg hin, bei ausgeprägter Proteinurie ggf. sogar auf 120/80 mmHg [1].
In der Ende des letzten Jahres aktualisierten ESC/ESH-Leitlinie zum Blutdruckmanagement, die von der Deutschen Hochdruckliga weitgehend übernommen worden ist, wird bei CKD-Patienten noch ein Zielkorridor von 130 bis unter 140 mmHg systolisch und 80 bis unter 90 mmHg genannt, da für niedrigere Werte nicht ausreichend Evidenzen vorlägen.
Das Plädoyer von Benzing für noch niedrigere Werte fügt sich allerdings gut in den allgemein vorherrschenden Trend. Bereits bei einer Auftaktveranstaltung zu den Highlights des Kongresses empfahl Prof. Dr. Felix Mahfoud, Uniklinikum des Saarlandes, Homburg/Saar bei unter 65-jährigen Hypertonikern einen Zielkorridor 120-130/70-80 mmHg, sofern dies vertragen werde (wir berichteten).
Von der Leitlinie ist dies gedeckt, allerdings wurde nach Veröffentlichung in Deutschland zunächst auf einen Blutdruck unter 140/90 mmHg als primäres Therapieziel fokussiert – mit der Option, noch tiefer zu gehen, vor allem bei Risikopatienten.
Für Hypertoniker mit chronischer Niereninsuffizienz hat Benzing dafür gute Argumente: Ein systolischer Blutdruck über 130 mmHg geht mit einer deutlich erhöhten Progressionsrate einer CKD einher, berichtete er. Oder andersherum: „Eine intensive Blutdrucksenkung verhindert bei Patienten mit Proteinurie die Progression der Nierenerkrankung.“ Bei CKD-Patienten ohne Proteinurie konnte dieser Zusammenhang nach Angaben Benzings bisher noch nicht belegt werden.
Auch in Bezug auf harte Endpunkte ist eine konsequente Therapie vorteilhaft. „Eine aggressivere Blutdrucksenkung verringert bei CKD-Patienten unabhängig von der Proteinurie hochsignifikant die Mortalität“, so der Nephrologe weiter. Dies konnte in einer Subgruppen-Analyse der SPRINT-Studie belegt werden, die 2015 die Diskussion um tiefere Blutdruckzielwerte bekanntlich ins Rollen gebracht hat.
Bei Studienteilnehmer mit chronischer Niereninsuffizienz (eGFR 20-60, Diabetiker waren ausgeschlossen), die auf das systolische Blutdruckziel unter 120 mmHg eingestellt waren (erreicht wurden im Mittel 121/69 mmHg), war die Gesamtmortalität um 28% geringer als bei Patienten mit einem Blutdruckziel unter 140 mmHg (erreicht wurden im Mittel 136/76 mmHg) .
„Bei allen Patienten mit Risikofaktoren für eine chronische Nierenerkrankung – Hypertonie, Diabetes, KHK, pAVK – sollte das Serumkreatinin bestimmt und daraus die eGFR berechnet werden“, empfahl Benzing.
Tipps zur Behandlung von Hypertonie bei chronischer Niereninsuffizienz
In Deutschland gebe es mehr als 8 Millionen Patienten mit eingeschränkter Nierenfunktion, so Benzing, meist in milder Form: eGFR 45-59 ml/min, entspricht CKD-Stadium 3a. Eine Niereninsuffizienz sei ein unabhängiger starker kardiovaskulärer Risikofaktor, der auf die Therapie Einfluss haben sollte. Zudem sollte auch die Proteinausscheidung im Urin bestimmt werden. Hypertoniker mit Proteinurie seien kardiovaskuläre Hochrisiko-Patienten und sollten besonders aggressiv eingestellt werden, am besten auf einen Blutdruck von 120/80 mmHg.
Wie sollten Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz antihypertensiv behandelt werden? In der neuen Leitlinie wird bei den meisten Hypertonikern bereits initial eine fixe Zweifach-Kombination empfohlen. „Erste Wahl sind ACE-Hemmer oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) plus Kalziumantagonist oder Diuretikum bzw. Schleifendiuretikum“, berichtete Prof. Dr. Berthold Krämer, Universitätsklinikum Mannheim.
Bei CKD-Patienten sei unter einer blutdrucksenkenden Therapie, insbesondere bei Einsatz von ACE-Hemmer oder ARB, zunächst ein weiterer Abfall der eGFR und ein Anstieg des Serumkreatinins zu erwarten, erinnerte der Nephrologe. Bei einem Anstieg des Kreatinins über 30% muss eine mögliche Nierenarterien-Erkrankung ausgeschlossen werden.
Reicht die antihypertensive Zweifach-Kombination zum Erreichen der Zielwerte nicht aus, ist der nächste Schritt die Dreifach-Kombination aus ACE-Hemmer oder ARB mit Kalziumkanalblocker und Diuretikum (oder Schleifendiuretikum).
Auf Stufe 3, definitionsgemäß einer resistenten Hypertonie, sollte ein Aldosteron-Antagonist wie Spironolacton hinzugenommen werden.
Betablocker können in jedem Stadium hinzugefügt werden, wenn die Patienten eine Indikation für eine solche Therapie haben, etwa bei koronarer Herzkrankheit (KHK), Herzinsuffizienz oder Vorhofflimmern (VHF).
Und bei weiteren Erkrankungen?
Beispiel Vorhofflimmern: Hier sollte auf Stufe 1 ein ACE-Hemmer oder ARB mit einem Betablocker (oder Kalziumantagonisten vom Nicht-Dihydropyridin-Typ) kombiniert werden oder ein Betablocker mit einem Kalziumantagonisten. Auf Stufe 2 kommt dann das Diuretikum hinzu.
Bei pAVK-Patienten, die ein hohes kardiovaskuläres Risiko haben, nannte Krämer die Kombination von RAAS-Hemmer und ggf. Dihydropyridin-Kalziumkanalblocker oder Thiazid bzw. Thiazid-ähnliches Diuretikum als Initialtherapie. Betablocker seien ebenfalls geeignet.
Bei COPD-Patienten werden first-line RAAS-Hemmer kombiniert mit Kalziumkanalblocker empfohlen, auf Stufe 2 können Beta-1-selektive Betablocker, alternativ Thiazide oder Thiazid-ähnliche Diuretika hinzugefügt werden.
Eine Besonderheit stellt bekanntlich die antihypertensive Therapie in der Schwangerschaft dar. RAAS-Hemmer und Diuretika sind hier kontraindiziert, bewährt hat sich nach Angaben von Krämer alpha-Methyldopa, alternativ bzw. ergänzend Kalziumkanalblocker.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Blutdrucksenkung bei Nierenschaden: Im Trend wieder aggressiver – welche Ziele und Antihypertensiva Experten empfehlen - Medscape - 10. Mai 2019.
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