Pflegepersonal-Stärkungsgesetz: Pflegekosten von DRGs trennen – ein großer Fehler oder heilsame Wirkung des Pflegebudgets?

Christian Beneker

Interessenkonflikte

7. Mai 2019

Nach Ansicht von Dr. Wulf-Dietrich Leber ist der Plan, die Pflegekosten von den Krankenhaus-DRGs zu trennen, ein politischer Fehler. Leber ist Abteilungsleiter Krankenhäuser beim GKV-Spitzenverband. Es geht um ein Volumen von 15 Milliarden Euro und damit ein Fünftel der Gesamtkosten – Geld, das nun nach dem Kostendeckungsprinzip für die Pflege ausgeschüttet werden soll.

So will es das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG). „Vermutlich werden die Krankenhäuser alle möglichen Dienste in das Pflegebudget hineinrechnen, um möglichst hohe Vergütungen zu erhalten“, so Leber zu Medscape.

Ab 2020 soll die Krankenhaus-Pflege am Bett über ein gesondertes Budget finanziert werden. So sollen die tatsächlichen Pflege-Personalkosten in den bettenführenden Stationen unabhängig von den DRGs vergütet werden.

 
Vermutlich werden die Krankenhäuser alle möglichen Dienste in das Pflegebudget hineinrechnen, um möglichst hohe Vergütungen zu erhalten. Dr. Wulf-Dietrich Leber
 

„Das ermöglicht die vollständige Tariffinanzierung für das Pflegepersonal“, schreibt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in einem Gastbeitrag im Magazin „Führen und Wirtschaften im Krankenhaus“ (f&w). Komme erst das gesonderte Budget, so gelte auch: „‚Kein Geld für die Pflege‘ ist keine Ausrede mehr.“

„Tausend Probleme“ bei der Abgrenzung

Kassenvertreter Leber dagegen glaubt nicht an die heilsame Wirkung des Pflegebudgets. „Ob das, was ich fürchte, eintreten wird, wird erst die Zukunft erweisen“, schränkt Leber ein.

Seine Befürchtungen sind aber sehr konkret: Die Anreize sind so angelegt, dass die Krankenhäuser möglichst viele Leistungen über das Pflegebudget werden abwickeln wollen. „Hol- und Bring-Dienste zum Beispiel dürften in den Abrechnungen als Pflegedienste deklariert und abgerechnet werden“, so Leber zu Medscape. Oder es werden Pflegende wieder die Zimmer reinigen müssen.

„Es wäre eine Katastrophe für die Patienten, wenn pflegenahe Dienste wieder von Pflegern und Schwestern gemacht werden würden“, sagt Leber. Bei der Abgrenzung der Töpfe werde man „tausend Probleme bekommen“, ist er überzeugt: „Sind Notaufnahmen mit 3 Pritschen bettenführende Stationen und die dazugehörigen Schwestern über das neue Budget abzurechnen oder sind Pritschen keine Betten?“, formuliert Leber ein Beispiel.

Und ob der Geldsegen schließlich bei den Patienten ankomme, sei fraglich. So würden die Krankenhäuser zum Beispiel höhere Löhne an die Pflegenden zahlen. „Da bekommt zwar die Pflege mehr Geld, aber der Patient hat nichts davon.“

Disziplinierende Wirkung der Pflegepersonal-Untergrenzen?

Leber setzt dagegen eher auf die disziplinierende Wirkung der Pflegepersonal-Untergrenzen. „Wir haben im internationalen Vergleich in der stationären Versorgung exorbitant zu viele Fälle“, kritisiert Leber. „Verkürzt gesagt haben wir in der Altenpflege zu wenige Pflegekräfte und im Krankenhaus zu viele Patienten.“

Nach seiner Ansicht würden Untergrenzen dazu führen, dass die Krankenhäuser bei Engpässen beispielsweise zweifelhafte operative Eingriffe reduzieren. „Wenn kein Anästhesist da ist, wird nicht operiert. Man sollte auch nicht operieren, wenn das Personal auf der Aufwachstation fehlt.“

Die Untergrenzen könnten nur funktionieren, wenn sie auf das ganze Krankenhaus ausgedehnt werden, meint Leber.

Personal-Untergrenzen dürfen nicht zum Hebel werden

Karl Blum, Vorstand des Deutschen Krankenhausinstitutes e.V. (DKI), indessen sieht die Lage ganz anders. Gewiss werde es mit den geteilten Budgets einen stärkeren Wettbewerb um die Pflegenden geben, meint auch Blum – und damit eine „Wanderungsbewegung zugunsten der Krankenhäuser“.

 
Tatsächlich wird mit der Trennung der Pflegekosten von den Fallpauschalen die Pflege aufgebaut, weil die Zahl der Pflegenden erhöht werden kann. Karl Blum
 

Trotzdem hält er die Trennung der Budgets für den richtigen Schritt und teilt Lebers Kritik nicht. „Tatsächlich wird mit der Trennung der Pflegekosten von den Fallpauschalen die Pflege aufgebaut, weil die Zahl der Pflegenden erhöht werden kann“, sagt Blum zu Medscape.

Dagegen würden die Krankenhäuser gar keine neuen Leistungen in die Pflege verschieben können, Wirtschaftsprüfer wüssten das zu verhindern. „Es werden nur Leistungen in das Pflegebudget übernommen, die den entsprechend festgelegten Kriterien genügen“, versichert der DKI-Vorstand. „Die Details müssen natürlich unter den Selbstverwaltungspartnern abgesprochen werden.“

Mit den Personal-Untergrenzen kann Blum sich aber auch nicht anfreunden. Sie als Hebel der Fallreduktion benutzen zu wollen, „würde ja bedeuteten, dass in den Kliniken Patienten versorgt werden, die diese Versorgung medizinisch nicht benötigen“, so Blum. „Das trifft definitiv nicht zu.“

Im Übrigen prüfe der Medizinische Dienst der Krankenkassen die Häuser sehr genau auf Fehlbelegungen. Blum: „Die Unterstellung, dass die Krankenhäuser viele medizinisch nicht notwendige Leistungen erbringen, ist bestenfalls hypothetisch.“

 

Kommentar

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