Alkohol – vor allem Rotwein – erweist sich als häufiger (und rascher) Trigger von Migräne-Attacken

Ute Eppinger

Interessenkonflikte

30. April 2019

Alkohol und nicht zuletzt Rotwein ist ein wichtiger Triggerfaktor für Migräne-Attacken. Das ist das Ergebnis einer Studie, die im European Journal of Neurology erschienen ist [1].

Dr. Gerrit L. J. Onderwater von der Abteilung für Neurologie des Leiden University Medical Centers im niederländischen Leiden und seine Kollegen haben webbasiert 2.197 Migräne-Patienten befragt, um mehr über die Rolle von Alkohol als Trigger einer Migräne-Attacke zu erfahren.

 
Neu ist aber die Dimension – also in welchem Ausmaß Alkohol Migräne-Attacken auslöst. Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
 

Etwa 15% der Bevölkerung leiden unter Migräne. Die Ursachen sind nicht vollständig klar, bekannt ist aber, dass Stress, Änderungen des Schlaf-Wachrhythmus, Wetterumschwünge oder zyklusbedingte hormonelle Veränderungen bei Frauen Migräne-Attacken triggern können. Auch Gerüche, Schokolade oder Alkohol können einen Migräne-Anfall auslösen.

Dass Alkohol ein Trigger von Migräne-Attacken sein kann, ist zwar nicht grundsätzlich neu, bestätigt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), gegenüber Medscape. „Neu ist aber die Dimension – also in welchem Ausmaß Alkohol Migräne-Attacken auslöst“, sagt er. Und weiter: „Auch das Studiensetting ist vernünftig aufgestellt, die Studienpopulation hatte ja eine Größe von knapp 2.200 Migräne-Patienten. Neu ist auch, dass Alkohol sehr rasch Migräne-Attacken auslösen kann.“

 
Neu ist auch, dass Alkohol sehr rasch Migräne-Attacken auslösen kann. Prof. Dr. Hans-Christoph Diener
 

In der Studie berichteten rund ein Drittel der Patienten von Symptomen innerhalb von weniger als 3 Stunden nach Alkoholkonsum, und fast 90% der Patienten berichteten von Attacken innerhalb von 10 Stunden danach – unabhängig davon, welches alkoholische Getränk sie konsumiert hatten.

Fragebögen von fast 2.200 Migräne-Patienten

Onderwater und seine Kollegen verwendeten zur Datenerhebung webbasierte Fragebögen, die per E-Mail übermittelt wurden. Teilgenommen hatten Migräne-Patienten (Alter zwischen 18 und 80 Jahren), die zwischen Februar 2008 und Januar 2013 in die Migraine Neuro-Analyse (LUMINA) Studienpopulation der Universität Leiden aufgenommen worden waren.

Die Wissenschaftler fragten nach dem Konsum alkoholischer Getränke, dem selbst gemeldeten Trigger-Potenzial, den Gründen für Alkoholabstinenz und der Zeit zwischen dem Alkoholkonsum und dem Migräne-Anfall.

Nur kurze Zeit zwischen Alkoholkonsum und Migräne-Attacke

1.547 von den 2.197 Befragten gaben an, Alkohol zu trinken, 783 Patienten (35,6%) meldeten, dass Alkohol bei ihnen Kopfschmerz-Attacken auslöst. Mehr als 25% der befragten Migräne-Patienten hatten daher ihren Alkoholkonsum eingestellt bzw. verzichteten aufgrund der vermuteten Triggerwirkung generell auf Alkohol.

Unter den 1.547 Befragten, die gelegentlich Alkohol trinken, war der Anteil sogar noch höher: In dieser Gruppe gaben 42,5% an, dass Alkohol bei ihnen ein Migräne-Trigger sei. Die Probanden, bei denen Alkohol Migräne-Anfälle auslöst, wiesen einen geringeren Body-Mass-Index (BMI) auf, litten häufiger unter Migräne ohne Aura und wiesen mehr Migräne-Attacken auf.

Die Zeit zwischen Alkoholkonsum und Migräne-Attacke war bei einem Drittel der Patienten ausgesprochen kurz (unter 3 Stunden). Fast 90% berichteten von einer Migräne-Attacke innerhalb von weniger als 10 Stunden – unabhängig vom Getränketyp.

Rotwein lässt sich vermeiden, vieles andere nicht

Wein, insbesondere Rotwein (77,8% der Teilnehmer gaben Rotwein als Trigger an), wurde als der häufigste Triggerfaktor unter den alkoholischen Getränken genannt. Allerdings führte das Trinken von Rotwein nur bei 8,8% der Befragten auch immer zu einer Migräne-Attacke. Es wird vermutet, dass in Rotwein enthaltene Inhaltsstoffe wie Histamin, Tyramin oder Phenylethylamin diesen Effekt verursachen können.

 
Die geringe Konsistenz der Provokation deutet darauf hin, dass alkoholische Getränke als singuläre Trigger wohl nicht ausreichen. Dr. Gerrit Onderwater
 

Die Befragten gaben an, dass bereits 2 Standardgläser ausreichen, um einen Migräne-Anfall zu provozieren. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein, von Migräne-Patienten als Trigger erkannt werden, und dies einen erheblichen Einfluss auf den Alkoholkonsum hat“, schreibt Onderwater.

Und weiter: „Es ist diskussionswürdig, ob Alkohol nun faktisch oder mutmaßlich Migräne-Attacken auslöst. Die geringe Konsistenz der Provokation deutet darauf hin, dass alkoholische Getränke als singuläre Trigger wohl nicht ausreichen, zumal die Auslöseschwelle variiert.“

Dass 77,8% der Teilnehmer Rotwein als hauptsächlichen Trigger angeben, Rotwein aber nur bei 8,8% der Teilnehmer auch immer zu einer Migräneattacke führt, ist kein Widerspruch, stellt Diener klar: „Die Zahl der Migräne-Patienten, bei denen Rotwein zuverlässig eine Attacke auslöst, ist relativ gering. Der Großteil der Patienten berichtet aber, dass ihnen speziell Rotwein nicht guttut.“

Diener erinnert daran, dass Migräne-Attacken selten von einem einzelnen Faktor ausgelöst werden, sondern dass dabei meist mehrere Faktoren zusammenspielen.

Rotwein, betont er, könne man leicht umgehen, andere Migräne-Auslöser, z.B. Hormonschwankungen oder Wetterumschwünge, hingegen nicht. Deswegen sei es klug, auf vermeidbare Auslöser zu verzichten, um das Risiko für das Auftreten von Migräne-Attacken geringer zu halten.

 

Kommentar

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