Alkohol und nicht zuletzt Rotwein ist ein wichtiger Triggerfaktor für Migräne-Attacken. Das ist das Ergebnis einer Studie, die im European Journal of Neurology erschienen ist [1].
Dr. Gerrit L. J. Onderwater von der Abteilung für Neurologie des Leiden University Medical Centers im niederländischen Leiden und seine Kollegen haben webbasiert 2.197 Migräne-Patienten befragt, um mehr über die Rolle von Alkohol als Trigger einer Migräne-Attacke zu erfahren.
Etwa 15% der Bevölkerung leiden unter Migräne. Die Ursachen sind nicht vollständig klar, bekannt ist aber, dass Stress, Änderungen des Schlaf-Wachrhythmus, Wetterumschwünge oder zyklusbedingte hormonelle Veränderungen bei Frauen Migräne-Attacken triggern können. Auch Gerüche, Schokolade oder Alkohol können einen Migräne-Anfall auslösen.
Dass Alkohol ein Trigger von Migräne-Attacken sein kann, ist zwar nicht grundsätzlich neu, bestätigt Prof. Dr. Hans-Christoph Diener, Sprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN), gegenüber Medscape. „Neu ist aber die Dimension – also in welchem Ausmaß Alkohol Migräne-Attacken auslöst“, sagt er. Und weiter: „Auch das Studiensetting ist vernünftig aufgestellt, die Studienpopulation hatte ja eine Größe von knapp 2.200 Migräne-Patienten. Neu ist auch, dass Alkohol sehr rasch Migräne-Attacken auslösen kann.“
In der Studie berichteten rund ein Drittel der Patienten von Symptomen innerhalb von weniger als 3 Stunden nach Alkoholkonsum, und fast 90% der Patienten berichteten von Attacken innerhalb von 10 Stunden danach – unabhängig davon, welches alkoholische Getränk sie konsumiert hatten.
Fragebögen von fast 2.200 Migräne-Patienten
Onderwater und seine Kollegen verwendeten zur Datenerhebung webbasierte Fragebögen, die per E-Mail übermittelt wurden. Teilgenommen hatten Migräne-Patienten (Alter zwischen 18 und 80 Jahren), die zwischen Februar 2008 und Januar 2013 in die Migraine Neuro-Analyse (LUMINA) Studienpopulation der Universität Leiden aufgenommen worden waren.
Die Wissenschaftler fragten nach dem Konsum alkoholischer Getränke, dem selbst gemeldeten Trigger-Potenzial, den Gründen für Alkoholabstinenz und der Zeit zwischen dem Alkoholkonsum und dem Migräne-Anfall.
Nur kurze Zeit zwischen Alkoholkonsum und Migräne-Attacke
1.547 von den 2.197 Befragten gaben an, Alkohol zu trinken, 783 Patienten (35,6%) meldeten, dass Alkohol bei ihnen Kopfschmerz-Attacken auslöst. Mehr als 25% der befragten Migräne-Patienten hatten daher ihren Alkoholkonsum eingestellt bzw. verzichteten aufgrund der vermuteten Triggerwirkung generell auf Alkohol.
Unter den 1.547 Befragten, die gelegentlich Alkohol trinken, war der Anteil sogar noch höher: In dieser Gruppe gaben 42,5% an, dass Alkohol bei ihnen ein Migräne-Trigger sei. Die Probanden, bei denen Alkohol Migräne-Anfälle auslöst, wiesen einen geringeren Body-Mass-Index (BMI) auf, litten häufiger unter Migräne ohne Aura und wiesen mehr Migräne-Attacken auf.
Die Zeit zwischen Alkoholkonsum und Migräne-Attacke war bei einem Drittel der Patienten ausgesprochen kurz (unter 3 Stunden). Fast 90% berichteten von einer Migräne-Attacke innerhalb von weniger als 10 Stunden – unabhängig vom Getränketyp.
Rotwein lässt sich vermeiden, vieles andere nicht
Wein, insbesondere Rotwein (77,8% der Teilnehmer gaben Rotwein als Trigger an), wurde als der häufigste Triggerfaktor unter den alkoholischen Getränken genannt. Allerdings führte das Trinken von Rotwein nur bei 8,8% der Befragten auch immer zu einer Migräne-Attacke. Es wird vermutet, dass in Rotwein enthaltene Inhaltsstoffe wie Histamin, Tyramin oder Phenylethylamin diesen Effekt verursachen können.
Die Befragten gaben an, dass bereits 2 Standardgläser ausreichen, um einen Migräne-Anfall zu provozieren. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass alkoholische Getränke, insbesondere Rotwein, von Migräne-Patienten als Trigger erkannt werden, und dies einen erheblichen Einfluss auf den Alkoholkonsum hat“, schreibt Onderwater.
Und weiter: „Es ist diskussionswürdig, ob Alkohol nun faktisch oder mutmaßlich Migräne-Attacken auslöst. Die geringe Konsistenz der Provokation deutet darauf hin, dass alkoholische Getränke als singuläre Trigger wohl nicht ausreichen, zumal die Auslöseschwelle variiert.“
Dass 77,8% der Teilnehmer Rotwein als hauptsächlichen Trigger angeben, Rotwein aber nur bei 8,8% der Teilnehmer auch immer zu einer Migräneattacke führt, ist kein Widerspruch, stellt Diener klar: „Die Zahl der Migräne-Patienten, bei denen Rotwein zuverlässig eine Attacke auslöst, ist relativ gering. Der Großteil der Patienten berichtet aber, dass ihnen speziell Rotwein nicht guttut.“
Diener erinnert daran, dass Migräne-Attacken selten von einem einzelnen Faktor ausgelöst werden, sondern dass dabei meist mehrere Faktoren zusammenspielen.
Rotwein, betont er, könne man leicht umgehen, andere Migräne-Auslöser, z.B. Hormonschwankungen oder Wetterumschwünge, hingegen nicht. Deswegen sei es klug, auf vermeidbare Auslöser zu verzichten, um das Risiko für das Auftreten von Migräne-Attacken geringer zu halten.
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Diesen Artikel so zitieren: Alkohol – vor allem Rotwein – erweist sich als häufiger (und rascher) Trigger von Migräne-Attacken - Medscape - 30. Apr 2019.
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