Eine Vielzahl von Medienberichten in den USA hat in jüngster Zeit die Sicherheit von drahtlosen Kopfhörern oder Ohrstöpseln in Frage gestellt und sich dabei besonders auf die Apple AirPods (also kabellose Bluetooth-Kopfhörer der Firma Apple) konzentriert. Eine der Befürchtungen ist, dass solche Geräte im Ohr das Krebsrisiko erhöhen könnten. Medscape hat mehrere Experten zu möglichen Gesundheitsrisiken befragt.
Anfang März begannen Nachrichten durch die Presse zu geistern mit Schlagzeilen wie „Sind AirPods und andere Bluetooth-Kopfhörer sicher?“ oder „Drahtlose Kopfhörer könnten Strahlung ins Gehirn schleusen und Krebs verursachen.“
Die meisten Artikel zitieren eine Petition an die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und der Vereinten Nationen (UN), die von 247 Wissenschaftlern aus 42 Ländern unterzeichnet worden war: Die Wissenschaftler warnten vor den potenziellen Gefahren elektromagnetischer Strahlung, u.a. durch drahtlose Technologien.
Jedoch: Diese Petition ist bereits 2015 veröffentlicht worden und es geht darin weder um AirPods (die es damals noch nicht gab) noch um die Bluetooth-Technologie. Dennoch sind sensationelle Schlagzeilen entstanden, wie „Über 200 Wissenschaftler sagen, dass AirPods Krebs verursachen könnten“ – obwohl die Petition AirPods ja gar nicht erwähnt und nur allgemein auf ein mögliches erhöhtes Krebsrisiko sowie andere gesundheitliche Bedenken hinweist.
Die AirPods hat Apple 2016 eingeführt. Mit 28 Millionen verkauften Paaren im vergangenen Jahr und 16 Millionen im Jahr 2017 sind sie sehr beliebt.
Neue Forschungen fehlen
Es gibt auch keine neuen Forschungen, die Anlass für gesundheitliche Bedenken gegenüber AirPods oder Bluetooth liefern. Dr. John E. Moulder, Strahlenbiologe und emeritierter Professor am Medical College of Wisconsin in Milwaukee, sagt gegenüber Medscape: „Das letzte Mal, als ich dieses Thema erforscht habe, war 2016, und damals habe ich keine wissenschaftliche Basis für Bedenken gesehen. Ich habe bis März auch nichts von Bedenken zu diesem Thema gehört.“
Es wird vermutet, dass die Häufung der Artikel in den US-Medien durch eine auf der Website „Medium“ veröffentlichte Geschichte ausgelöst worden ist, die die Petition an die WHO/UN erwähnte, und die auch Dr. Jerry Phillips, Exekutivdirektor, Excel Center und Direktor, Excel Science Center, an der University of Colorado in Colorado Springs zitiert.
„Meine Bedenken im Hinblick auf AirPods sind, dass ihre Platzierung im Gehörgang das Gehirn einer relativ hohen Hochfrequenzstrahlung aussetzt“, wird Phillips zitiert. Er fügt hinzu, dass die Risiken nicht auf AirPods beschränkt seien und dass die bestehende Evidenz „auf mögliche gesundheitliche Bedenken gegenüber allen Technologien, die mit Funkfrequenzen arbeiten, hinweist“.
Medien zu diesem Thema „gezielt bespielt“ worden
Allerdings vertraten die von Medscape befragten Experten durchaus unterschiedliche Meinungen.
„AirPods verwenden Standard-Bluetooth mit 0,01 Watt“, sagt Dr. Kenneth Foster, Professor für Bio-Engineering an der University of Pennsylvania, Philadelphia. „Ein Mobiltelefon sendet 0,1-1 Watt, und FCC-Aufzeichnungen deuten darauf hin, dass die Hochfrequenz-Exposition von AirPods weit unter den Grenzwerten für Mobiltelefone liegt. Diese Messungen wurden unter ‚worst-case‘-Bedingungen durchgeführt, die die tatsächliche Exposition unter realen Bedingungen weit überbewerten.“ (FCC: Federal Communications Commission, US-Regulierungs- und Zulassungsbehörde für Rundfunk und Kommunikation)
Die Antenne im AirPod ragt aus dem Ohr heraus und liegt etwa einen halben Zoll (ca. 1,3 cm) über dem Schädel. „Die Hochfrequenz-Exposition ist minimal und liegt im Wangenbereich über dem Kiefer“, fügte Foster hinzu. „Das Gerät strahlt keine Energie in das Ohr aus.“
Foster fuhr fort, dass die Medien zu diesem Thema „gezielt bespielt“ würden. „Das Ganze begann mit einer Erklärung bar jeder Fakten von einem Wissenschaftler, der sich auf eine 4 Jahre alte Petition einer selbst gewählten Gruppe von Wissenschaftlern beruft, die zwar allgemeine Bedenken bezüglich EMF (elektromagnetischer Felder) geäußert, aber eben Bluetooth-Ohrstöpsel gar nicht erwähnt haben ....“
Dr. Henry Lai, emeritierter Professor für Bioingenieurwesen an der University of Washington, Seattle und ehemaliger Herausgeber der Zeitschrift Electromagnetic Biology and Medicine, erklärte, dass er nicht wisse, ob AirPods weniger sicher sind als andere Geräte. „Ich weiß nicht, ob je eine Dosis-Messung verschiedener drahtloser Ohrhörer und Headsets durchgeführt wurde“, sagte er gegenüber Medscape. „Ohne diese Informationen ist es nicht möglich, die potenziellen biologischen Auswirkungen der verschiedenen Geräte zu vergleichen.“
Unterscheiden sich verschiedene In-Ear-Kopfhörer?
Dr. Joel M. Moskowitz, Direktor des Center for Family and Community Health an der University of California, Berkeley, und einer der Wissenschaftler, die die Petition unterzeichnet haben, erklärte, dass die Geschichten über drahtlose Headsets auf einem Beitrag vom September 2016 von seiner eigenen Website basieren; der Beitrag wurde im Dezember 2016 aktualisiert. Er wies darauf hin, dass es nur sehr wenige Forschungen zur Sicherheit der Langzeitbelastung des Kopfes durch Bluetooth-Strahlung gibt und überhaupt keine zur Nahfeld-Magnetinduktion (NFMI).
Moskowitz erklärte gegenüber Medscape, dass AirPods aus 3 Gründen schädlicher sein könnten als andere Arten von drahtlosen Headsets:
Einer der Gründe sei, dass sie, weil sie in das Ohr eingeführt werden, näher am akustischen Nerven- und Hirngewebe sind, das für die Auswirkungen der Mikrowellenstrahlung anfällig ist.
Zweitens, dass sie auch Nahfeld-Magnetinduktion aussenden. Die langfristige Exposition gegenüber diesen beiden Arten von elektromagnetischen Feldern aber wurde noch nie auf Sicherheit hin geprüft.
Der dritte Grund sei, dass die spezifische Absorptionsrate für ein Bluetooth-Gerät ziemlich hoch erscheint.
Die drahtlose Technologie und insbesondere die Mobiltelefone wurden eingehend untersucht, die Ergebnisse sind aber nach wie vor widersprüchlich. So haben beispielsweise etwa 30 epidemiologische Studien versucht, den Zusammenhang zwischen der Nutzung von Mobiltelefonen und dem Risiko für Hirn- und Speicheldrüsentumore zu untersuchen.
Epidemiologische Fall-Kontroll-Studien zeigen eine Erhöhung des Risikos für Hirntumore. Das liegt aber nicht daran, dass die Mobilfunkstrahlung selbst Tumore auslöst. Vielmehr kann die Strahlung die Entwicklung eines Hirntumors beschleunigen, der durch andere Karzinogene oder durch spontane Genmutationen verursacht wird. Im Vergleich zu der hohen Rate der Mobiltelefon-Nutzung ist die Inzidenz von Hirntumoren gering. Offenbar sind diejenigen Anwender gefährdet, an Hirntumoren zu erkranken, die andere karzinogene oder genetische Faktoren dafür aufweisen.
Die Kontroverse um Mobiltelefone verschärfte sich, als die WHO 2011 bekannt gab, dass die Strahlung von Mobiltelefonen möglicherweise Krebs verursachen könne. Einige Studien hatten die Verwendung von Mobiltelefonen mit einem erhöhten Gliom-Risiko in Verbindung gebracht, die WHO hatte daraufhin hochfrequente elektromagnetische Felder als möglicherweise krebserregend für den Menschen eingestuft (Gruppe 2B).
Da gesundheitliche Bedenken nach wie vor nicht aufgelöst sind und auch langfristige Risiken bei der Verwendung von Bluetooth-Geräten bestehen, weist Moskowitz darauf hin, dass es „sicherere Wege gibt, ein Handy zu benutzen“. Er empfiehlt die Verwendung von schnurgebundenen Headsets oder Freisprechanlagen für Mobiltelefone statt drahtloser Ohrstöpsel.
„Außerdem sollte man ein Mobiltelefon nie am Körper aufbewahren, besonders nicht während eines Telefonats, aber auch immer dann nicht, wenn das Telefon eingeschaltet ist“, sagte er.
Wie man mit Apps Hörschäden vorbeugen kann
Von Kopfhörern geht – unabhängig von einem möglichen Strahlenrisiko durch AirPods – auch eine Gefahr für das Hörvermögen aus. Hörschäden treten mittlerweile auch vermehrt bei Jugendlichen auf.
Mit der Mimi-Hörtest-App können Nutzer ihr Hörvermögen auf dem Smartphone über Kopfhörer testen. Durch eine zweite App (Mimi Music) ist es dann möglich, die schlecht vernommenen Frequenzen in den persönlichen Musik-Playlists zu verstärken. Das hat den Vorteil, dass mit einer geringeren Lautstärke das gleiche Klangerlebnis erreicht werden und so Hörschäden vorgebeugt werden kann.
Den Besuch beim Hals-Nasen-Ohren-Arzt könne die App zwar nicht ersetzen, teilt das Start-Up-Unternehmen mit. Man hoffe aber, dass Menschen mit schlechten Hörtest-Ergebnissen zur Erkenntnis kommen, frühzeitig einen Facharzt aufzusuchen.
Die Zuverlässigkeit der Hörtest-Ergebnisse sowie die Nutzerfreundlichkeit der Apps wurden von der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité Berlin klinisch validiert. Die Kalibration ist für jede Art von Kopfhörern möglich.
Nutzer von Mimi Music können die App mit Playlists von Spotify oder Soundcloud verknüpfen. Der präventive Gedanke, Hörschäden durch reduzierte Lautstärke zu vermeiden, hat auch die Barmer Krankenkasse überzeugt. Die Mimi Hörtest App und die Mimi Music App sind als Bausteine der Initiative von Barmer und Mimi Hearing Technologies derzeit kostenfrei verfügbar.
Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.
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Diesen Artikel so zitieren: Kabellose In-Ear-Kopfhörer für Mobiltelefone: Drohen Gesundheitsgefahren? - Medscape - 24. Apr 2019.
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