MEINUNG

„Das ist unglaublich gut!“ Der künftige Präsident über Highlights des DGK-Kongress – TAVI, Omega-3 und eine Uhr für alle?

Claudia Gottschling

Interessenkonflikte

17. April 2019

Vom 24. bis 27. April treffen sich in Mannheim die Kardiologen zu ihrer Jahrestagung. Prof. Dr. Andreas M. Zeiher, Direktor der Klinik für Kardiologie, Angiologie und Nephrologie am Universitätsklinikum Frankfurt, wird nach dem Ende des Kongresses die Präsidentschaft der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK) antreten. Im Gespräch mit Medscape gibt er einen Ausblick und eine Einschätzung zu den wichtigsten Studien, die dort diskutiert werden. Er schlägt damit eine Brücke von der kürzlich in den USA abgehaltenen Konferenz des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans ( Medscape berichtete). Lesen Sie hier, was er an Erkenntnissen aus Übersee mitgebracht hat und was die Kollegen hierzulande seiner Meinung nach noch einmal überdenken sollten. Denn man muss ja nicht gleich auf jeden Hype aufspringen …

Prof. Dr. Andreas M. Zeiher

Medscape: Ein Highlight des ACC-Kongresses waren ja die erfolgreichen Studien zur TAVI (Transcatheter Aortic Valve Implantation) bei Patienten mit niedrigem OP-Risiko. Markieren diese Studien das Ende der Chirurgie in der Behandlung der Aortenklappenstenose?

Prof. Zeiher: Ich teile die Einschätzung von Prof. Eugene Braunwald, einem der renommiertesten Kardiologen weltweit von der Harvard-Universität, der die Studien in New Orleans kommentiert hat. Er hat wörtlich gesagt, dass dies ein historischer Moment ist für unsere Patienten mit Aortenklappenstenose. Und das ist es ganz sicher!

 
Diese Ergebnisse werden mit Sicherheit extrem schnell in die Klinik übertragen werden. Prof. Dr. Andreas M. Zeiher
 

Die Patienten in den Studien hatten ein sehr niedriges Operationsrisiko. Sie mussten nur über 70 Jahre alt sein. Solche Patienten waren bislang Kandidaten für die chirurgische Therapie. Aber: Wir sind mittlerweile bei den TAVI-Eingriffen bei einer 1-Jahres-Mortalität von 1,0 und einer 1-Jahres-Schlaganfall-Rate von 1,4 Prozent angekommen. Das ist wirklich unglaublich gut und entspricht annähernd den Risiken, die man bei einem über 70-Jährigen generell erwarten muss.

Wobei in den Studien, muss man fairerweise sagen, die Herzchirurgen auch exzellent waren. Die Ergebnisse dieser Studien werden meines Erachtens die Therapie der Aortenklappenstenose revolutionieren.

Medscape: Das heißt, es handelt sich wirklich um „practise-changing“ Ergebnisse? Sollten sich die Klappenchirurgen schon mal zur Umschulung anmelden?

Prof. Zeiher: Diese Ergebnisse werden mit Sicherheit extrem schnell in die Klinik übertragen werden. Wir gehen davon aus, dass die Leitlinien das entsprechend berücksichtigen müssen. Wir Kardiologen werden einfordern, dass jeder Patient über 70 Jahre, der zur chirurgischen Klappen-Operation zugewiesen wird, im Heart-Team besprochen werden muss, ob man ihn nicht doch besser mit dem Katheter behandelt.

In einem Editorial zur Studie heißt es in Bezug auf die Chirurgie am offenen Herzen: „Der Zug ist abgefahren!“. In den USA gibt es erste Schätzungen, wie sich die neuen Ergebnisse auswirken werden. Im Moment werden dort noch 40.000 Aortenklappen-Stenosen-Operationen durchgeführt. Experten gehen davon aus, dass diese Zahl bis zum Jahr 2022 auf 5.000 zusammenschrumpft. Die Zahlen werden in Deutschland ähnlich dramatisch sinken.

Medscape: Wenn wir schon bei der Katheter-unterstützten Klappenreparatur sind, was werden die Kollegen auf dem DGK-Kongress zum MitraClip hören? Im vergangenen Jahr sorgte die Studienlage nach einer ersten negativen Studie, die dann von einer deutlich positiveren Studie gefolgt wurde, ja für einige Verwirrung.

Prof. Zeiher: Das ist ein großes Thema, über das auf dem Kongress ausführlich diskutiert werden wird. Die Antwort ist ein klares „Ja“ zum Clip. Insbesondere bei jenen Patienten, die ein Problem mit der Mitralklappe haben, weil sie herzinsuffizient sind. Für die wird das Setzen des Clips sicher ein Verfahren der ersten Wahl werden – wenn man die Patienten gut aussucht.

Medscape: Das heißt die enttäuschenden Ergebnisse der MITRA-FR-Studie im vergangen Jahr sehen Sie durch die Folge-Studie COAPT relativiert?

Prof. Zeiher: Bei der negativen MITRA-FR-Studie aus Frankreich war möglicherweise eine andere Auswahl der Patienten getroffen worden. Jene, die mit einer medikamentösen Therapie behandelt worden waren, hatten initial extrem davon profitiert. Das spricht ein bisschen dafür, dass ihre Herzinsuffizienz vorher nicht ausreichend therapiert war.

Bei der späteren COAPT-Studie war vorgeschaltet, dass Patienten mindestens 3 Monate die maximale Herzinsuffizienz-Therapie bekamen. Man hat sehr gut selektioniert, nur etwa 15 von 100 Patienten blieben dann als Kandidaten für den Clip übrig, und eine solche strenge Auswahl sollten man in der Klinik auch machen. Wenn man die richtigen Patienten selektiert, dann profitieren sie auch vom MitraClip.

Medscape: Zu einem anderen ACC Kongress-Highlight: Tragen Sie an Ihrem Handgelenk schon die neue Apple Watch, die Herzrhythmus-Störungen detektiert?

Prof. Zeiher: Nein, (lacht) ich habe keine Apple Watch. Aber die Apple Heart Studie beim ACC-Kongress hat natürlich schon für Aufsehen gesorgt. Allerdings sind wir ja erst am Anfang mit dieser Art der Diagnostik von Vorhofflimmern. Die Untersuchung an sich war cool. Die Daten zeigen, dass man tatsächlich damit Vorhofflimmern erfassen kann. Die Botschaft ist, dass man bei Hochrisikopatienten durchaus solche Geräte benutzen kann – oder vielleicht sogar sollte.

Medscape: Wird man auf dem DGK-Treffen den Kollegen schon raten, dass sie ihren Patienten eine solche Uhr empfehlen?

Prof. Zeiher: Im Moment sicher noch nicht. Es wird sicher bald ähnliche Modelle von anderen Firmen geben. Aber der Meilenstein ist natürlich mit der Apple Heart Studie erreicht worden: In einer riesengroßen Population – es waren ja keine Patienten, sondern normale Menschen aus der Bevölkerung – nachzuweisen, dass die Uhr tatsächlich über 80 Prozent der Fälle von Vorhofflimmern korrekt identifiziert, auch wenn es in dieser Population lediglich bei ca. 0,5 Prozent der Studienteilnehmer auftrat. Aber von einer Empfehlung solcher Tools sind wir noch weit entfernt.

Medscape: Besteht nicht die Gefahr, dass eine solche Überwachung gar nicht „gesund“ ist, manche vielleicht sogar krankmacht oder auf diese Weise für identifizierte Vorhofflimmer-Patienten die Gefahr einer Übertherapie besteht?

Prof. Zeiher: Was Sie ansprechen, ist völlig richtig. Dazu laufen derzeit auch 2 Studien, aber wir haben noch keine Ergebnisse. Wenn die Uhr wirklich geeignet ist, Vorhofflimmern zu entdecken, und das suggeriert diese große Apple-Studie, dann werden natürlich Risikopatienten häufig den Hinweis auf ein Ereignis bekommen. Wir müssen sehen, wie wir damit umgehen.

Aber ich denke, für viele Ältere ist eine solche Vorwarnung doch ein Segen, wenn man weiß, dass Vorhofflimmern – insbesondere beim alten Menschen – so viele Schlaganfälle verursacht. Bisher sehen wir die Patienten ja oft erst, wenn das Kind schon in den Brunnen gefallen ist. Daher denke ich, solche diagnostischen Geräte werden durchaus in die klinische Praxis einziehen. Aber bis dahin vergehen mit Sicherheit noch fünf Jahre.

Medscape: Und dann müssen sich die Notaufnahmen auf einen Ansturm besorgter Patienten mit Vorhofflimmern-Alarm am Handgelenk einstellen oder wie wird man sie in der Praxis dann auffangen?

 
Da hat sich die Therapie in den letzten Jahren tatsächlich dramatisch geändert. Prof. Dr. Andreas M. Zeiher
 

Prof. Zeiher Ja, durch diese Methode werden wir mit einigen Konsequenzen konfrontiert. Aber es ist natürlich die Frage, ob wir solche Patienten nicht auch telemetrisch beraten können oder ob wir sie wirklich immer persönlich sehen müssen. Ich denke, da müssen wir sicher noch einige Fragen zur Patientenbetreuung vorher aufarbeiten.

Medscape: Noch ein anderes Präventionsthema. Wird in Mannheim über ASS als Primärprävention noch diskutiert werden, oder ist das Thema inzwischen beerdigt?

Prof. Zeiher: Wir haben dazu zwar noch einen Vortrag, aber ich glaube, das ist seit den Studienergebnissen aus dem vergangenen Jahr doch ziemlich beerdigt.

Medscape: Von Praxisrelevanz könnte auch die beim ACC Kongress vorgestellte INFINITY-Studie sein. In ihr hatten auch alte Menschen von einer intensiven Blutdrucksenkung unter 130 mmHg systolisch profitiert – vor allem was die Gefahr von Hirnläsionen angeht. Wirken sich solche Ergebnisse auf die deutschen Hypertonie-Empfehlungen aus, die die Grenzwerte ja etwas höher ansetzen als dies in den USA der Fall ist?

Prof. Zeiher: Unsere Leitlinien liefern da gute und ausgewogene Empfehlungen. Generell gilt, dass man nicht jeden Patienten auf das 120er-Ziel systolisch einstellen sollte. Bei älteren Menschen sind auch 130 bis 139 mmHg völlig ausreichend und man sollte bei ihnen nicht mehr so aggressiv rangehen. Das deckt sich nicht ganz mit den Studiendaten. Aber dazu sollte man wissen, dass in der INFINITY-Studie jene Patienten, die bereits bestehende Veränderungen in den hirnversorgenden Arterien hatten, ausgeschlossen waren. Es sich also um bereits selektierte Patienten handelte.

Medscape: Und welche Neuigkeiten gibt es für die große Gruppe der Herzinsuffizienz-Patienten?

Prof. Zeiher: Beim ACC-Kongress gab es eine Nachanalyse zur DECLARE-Studie mit dem Antidiabetikum Dapagliflozin. Die Autoren haben nachgesehen, ob Diabetes-Patienten, die zu Beginn der Studie schon eine Herzinsuffizienz mit reduzierter Auswurffraktion hatten, von dem SGLT2-Inhibitor mehr profitieren als der Durchschnitt.

Denn die SGLT2-Inhibitoren sind ja deswegen so vehement in den Markt gedrungen, weil die EMPA-REG-Studie mit Empagliflozin vor zweieinhalb Jahren gezeigt hat, dass dort Herzinsuffizienz-Ereignisse dramatisch reduziert worden sind. Und dies schon innerhalb der ersten 5 bis 6 Monate der Behandlung. Der positive Effekt kann also nichts mit der Diabetes-Einstellung zu tun haben, weil dieser sich erst nach Jahren auswirken würde.

Die Erklärung ist, dass SGLT2-Inhibitoren eine verstärkte Diurese induzieren, der Körper also Wasser verliert. Nun scheint sich zu bestätigen, dass Herzinsuffizienz-Patienten von diesem Mechanismus zusätzlich profitieren. Die SGLT2-Inhibitoren werden mittlerweile auch in den Leitlinien als Firstline-Therapie bei Diabetikern mit einem erhöhten Risiko für eine Herzinsuffizienz – und dies mit einer Klasse-1a-Indikation empfohlen. Spannend ist, dass derzeit insgesamt 3 große Studien laufen, welche diese Antidiabetika bei Patienten mit Herzinsuffizienz testen, losgelöst vom Diabetes. 

Medscape: Für die Praxis: Ab wann qualifiziert sich derzeit nach Ihrer Ansicht ein Patient für einen SGLT2-Inhibitor?

Prof. Zeiher: Ein Diabetiker, der zum Beispiel eine HFpEF (Herzinsuffizienz mit erhaltener Ejektionsfraktion) hat, also eine Hypertrophie durch eine Hypertonie, der wäre heute schon dafür qualifiziert. Das legen die Studiendaten nahe. Ein Diabetiker mit manifester Herzinsuffizienz und mit reduzierter Ejaktionsfraktion, der natürlich sowieso. Da hat sich die Therapie in den letzten Jahren tatsächlich dramatisch geändert.

Medscape: Ein Schwerpunkt der diesjährigen DGK-Tagung sind Entzündungsprozesse und wie sie Herz-Kreislauf-Erkrankungen beeinflussen. Gibt es da schon Konkretes für den klinischen Alltag? Oder ist das alles noch im Forschungsstadium?

Prof. Zeiher Es ist sicher beides. Wir wollen zum einen aufklären, welche Entzündungsprozesse bei welchen kardiovaskulären Erkrankungen eine Rolle spielen. In erster Linie geht es hier um die Arteriosklerose.

Sie erinnern sich an die CANTOS-Studie mit Canakinumab, dem Interleukin-1-beta-Antagonist? Sie hat vor eineinhalb Jahren ja, gezeigt, dass eine rein anti-entzündliche Behandlung bei koronarer Herzkrankheit günstige Effekte hat. Einschränkend muss man sagen, dass leider die Firma Novartis dieses Medikament nicht für die kardiovaskuläre Medizin weiter entwickeln möchte, weil sie sich offensichtlich größeren Umsatz verspricht, wenn sie das Medikament im Bereich der Onkologie zulässt.

Medscape: Können Sie da noch etwas genauer erläutern?

Ein Nebeneffekt in dieser CANTOS-Studie war ja, dass zum Beispiel unter der Behandlung Bronchialkarzinome signifikant weniger häufig aufgetreten sind. Aber wenn Novartis das Medikament nun für eine kardiovaskuläre Indikation zulässt, hat das natürlich Folgen für den Preis. Im Moment ist Canakinumab für ganz seltene Erkrankungen zugelassen und hat einen sogenannten Orphan-Drug-Status. Die Therapie kostet etwa 56.000 Euro pro Jahr. Als Herz-Kreislauf-Medikament müsste der Preis natürlich sehr stark reduziert werden.

Stattdessen hat Novartis nun einen ganzen Schwung von Krebsstudien aufgelegt, weil sie hoffen, dass der Entzündungshemmer in zwei Jahren auch bei anderen Krebsarten ein ähnlich positives Ergebnis liefert wie in CANTOS. Dann können sie es teurer verkaufen.

 
Aber die neuen Erkenntnisse führen uns Gott sei Dank mal weg von diesen schrecklichen und ewigen Diskussionen, ob man jetzt C-reaktives Protein messen soll oder nicht. Prof. Dr. Andreas M. Zeiher
 

Medscape Das heißt, ein wirksames Medikament zur Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen kommt aus unternehmenspolitischen Gründen nicht zum Einsatz, weil man mit anderen Patienten mehr Geld verdienen kann?

Prof. Zeiher Ja. Aber gut ist, dass mit CANTOS das antientzündliche Wirkprinzip für die kardiovaskuläre Medizin nachgewiesen worden ist. Fast alle großen Pharmafirmen haben jetzt Programme gestartet, um das Inflammasom ganz gezielt zu antagonisieren. Da werden sicher bald Daten kommen – wahrscheinlich erst für die Sekundärprävention. Man muss natürlich vorsichtig sein, was Nebenwirkungen angeht. Wenn man so stark in Entzündungsprozesse eingreift, wird man möglicherweise opportunistische Infektionen begünstigten.

Medscape: Bei welchen Herz-Erkrankungen spielen denn Entzündungsprozesse noch eine Rolle?

Prof. Zeiher: Inflammatorische Prozesse spielen auch mit großer Wahrscheinlichkeit bei der Herzinsuffizienz mit rein. Selbst wenn dort noch keine direkte Therapie-Studie durchgeführt worden ist. Die wird aber mit Sicherheit kommen. Es gibt auch Hinweise darauf, dass Arrhythmien durch eine unspezifische Entzündung begünstigt werden können.

Medscape: Weiß man schon, was die Henne und was Ei, was also ursächlich ist?

Prof. Zeiher: Die CANTOS-Studie hat in dieser Hinsicht bereits den Durchbruch geliefert. Denn sie konnte mit einer Intervention an einem Entzündungsmediator, nämlich dem Interleukin-1-beta, günstige Effekte zeigen. Damit ist die Hypothese belegt, dass die Entzündung eben nicht sekundär ist, sondern tatsächlich primär zur Krankheitsprogression beiträgt.

Medscape: Spielen bei diesen endogenen Entzündungsprozessen auch äußere Faktoren, wie Viren oder Bakterien eine Rolle?

Prof. Zeiher Das hat überhaupt nichts mit Erregern oder einer Antibiotikatherapie zu tun. Wir haben hier eine unspezifische Reaktion auf vielerlei Stimuli. Es handelt sich vielmehr um eine körpereigene Immunantwort gegen untergegangene Zellen zum Beispiel, oder gegen Cholesterin-Kristalle. Natürlich stimulieren alle Risikofaktoren, die wir für die Arteriosklerose kennen, also Diabetes, Rauchen und Hypertonie, dieses so genannte Inflammasom. Ein ganzer Komplex der Signaltransduktion wird da angeschaltet, den man nun ganz gezielt versucht zu attackieren.

Medscape: Was ist dazu die Botschaft für die Kollegen auf dem Kongress?

Prof. Zeiher: Wir wissen jetzt, dass die spezifische Inhibition eines singulären Signaltransduktionswegs oder Vermittlers, nämlich das Interleukin-1- beta in diesem Fall, einen günstigen Effekt hat. Die Forschung und frühe klinische Studien müssen jetzt in einer viel größeren Breite versuchen zu belegen, ob man mit anderen Medikamenten als Canakinumab den gleichen Effekt erzielen kann.

Wenn die Studien positiv sind, werden sich die Ergebnisse in 3 bis 5 Jahren einstellen. Aber das Verständnis und die Grundlagenarbeiten dazu, die gibt es bereits. Die werden auf dem Kongress vorgestellt.

Medscape: Die Suche nach Entzündungen, etwa über die Messung des C-reaktiven Proteins (CRP) bei Herzpatienten, hat ja schon eine längere Tradition …

Prof. Zeiher: Ja, das stimmt. Aber die neuen Erkenntnisse führen uns Gott sei Dank mal weg von diesen schrecklichen und ewigen Diskussionen, ob man jetzt C-reaktives Protein messen soll oder nicht. Das CRP ist wahrscheinlich einfach zu unspezifisch und führt eher in die Irre.

Von daher ist es wichtiger, die Patienten, die tatsächlich eine erhöhte Entzündungsaktivität haben, zu identifizieren – aber mit anderen Methoden. Dazu bietet sich z.B. an, das Interleukin-1 zu messen, auch Interleukin-8 oder Interleukin-6. Weil dies die Mediatoren sind, die die Entzündung befeuern.

Medscape: Wenn die Entzündung als Trigger einer Herzerkrankung so wichtig ist, was halten Sie denn dann von den neuesten Auswertungen der REDUCE-IT-Studie, also der positiven Wirkung hoher Dosen der Omega-3-Fettsäure EPA (Eicosapentaensäure)?

Prof. Zeiher: Das ist eine tolle Studie, das muss man wirklich neidlos anerkennen. Mit dem Ergebnis hatte keiner mehr gerechnet, auch die Studienautoren waren überrascht. Frühere Studien mit geringeren Dosierungen an Omega-3-Fettsäuren waren neutral oder negativ. Das hat wahrscheinlich 2 Gründe: Einmal war EPA in REDUCE-IT mit 4 Gramm pro Tag sehr hoch dosiert. Und es handelt sich um eine besondere Formulierung.

Und auch hier wird diskutiert, ob die Fettsäure antientzündlich wirkt. Wobei man die ganze Bandbreite der Mechanismen noch nicht richtig kennt. Aber die Ergebnisse sind wirklich überzeugend gut. Jetzt beim ACC-Kongress gab es eine Sekundärauswertung, ob auch Nachfolge-Ereignisse reduziert werden – was meiner Ansicht nach Sinn macht. Und die Ergebnisse gehen in die gleiche, positive Richtung. Die neue Analyse, in der man wirklich die kumulativen Ereignisse bewertet, sind für das Gesundheitswesen extrem wichtig.

Medscape: Nach wie vor gibt es bei uns das EPA-Präparat aus der REDUCE-IT- Studie nicht, nur in den USA.

Prof. Zeiher: Das ist eine Frage der Zeit, bis das zu uns schwappt. Ich glaube der Börsenwert des Herstellers Amarin Pharma hat sich in kürzester Zeit versechsfacht. Wir sind durchaus gefordert, das Medikament auch für unsere Patienten verfügbar zu machen. Allerdings ist es derzeit noch relativ teuer, ungefähr 200 Euro pro Monat, weil die Firma behauptet, sie hätten einen besonderen Herstellungsprozess. Ich denke, für die Zulassung und für die weitere Verbreitung müssen sie mit dem Preis runtergehen.

Medscape: Gibt es noch eine Überraschung für die Kardiologen, die zum DGK-Kongress kommen?

Prof. Zeiher: Wir haben zum ersten Mal im Posterbereich sogenannte Science-Boxen aufgestellt. Dort haben die Besucherinnen und Besucher die Chance, mit Experten zu diskutieren – über klinische Studien und Grundlagenforschung. Wir hoffen, dass dort die Berührungsängste geringer sind.
 

Kommentar

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