Morbus Crohn: Auch ältere Patienten profitieren von immunsuppressiver Kombitherapie

Dr. Jürgen Sartorius

Interessenkonflikte

15. April 2019

In einer Studienpopulation von Patienten mit Morbus Crohn erwies sich bei den über 60-Jährigen ein Therapiekonzept mit frühem kombiniertem Einsatz von Immunsuppressiva und antimetabolisch wirksamen Substanzen als ebenso gut wie bei Jüngeren. Das ergab eine Post-hoc-Subgruppenanalyse der kanadisch-belgischen REACT Studie, die aktuell in Wiley Aliment Pharmacological Therapy erschienen ist [1].

Im 24-monatigen Beobachtungszeitraum hatten laut Dr. Siddharth Singh, Abteilung Gastroenterologie und Biomedical Informatics, Universität San Diego, und Kollegen, die 311 über 60-jährigen Patienten sowohl die gleichen Chancen auf eine steroidfreie klinische Remission als auch die gleichen Risiken für eine erhebliche Verschlechterung wie die 1.670 Patienten im Alter unter 60.

 
Die Behandlungsrealität des Studienkollektivs ähnelt der Situation vieler Patienten in Deutschland … Prof. Dr. Ursula Seidler
 

Prof. Dr. Ursula Seidler
© Tom Figiel

„Die Behandlungsrealität des Studienkollektivs ähnelt der Situation vieler Patienten in Deutschland, die in gastroenterologischen Schwerpunktpraxen behandelt werden. Insofern sind sie auch für uns interessant“, urteilt Prof. Dr. Ursula Seidler, Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung Gastroenterologie, Hepatologie und Endokrinologie.

Alter spielte kaum eine Rolle

Auch die beiden in der Studie getesteten unterschiedlichen Therapiemethoden schnitten in beiden Altersgruppen nahezu gleich gut ab: Bei einem frühen Einsatz einer Kombitherapie von Immunsuppressiva und antimetabolisch wirksamen Substanzen (ECI-Arm) erreichten 72,6% der Jüngeren nach 12 Monaten Therapie eine steroidfreie klinische Remission, bei konventioneller Behandlung 64,4% (konventioneller Arm). Von den über 60-Jährigen erreichten 74,8% mit der Kombitherapie eine steroidfreie klinische Remission vs. 63,0% mit konventioneller Behandlung.

„Die Studienergebnisse besagen, dass eine Therapieoptimierung bei Patienten, die sich mit ihrer aktuellen Therapie nicht in klinischer Remission befinden, die Crohn-spezifischen Komplikationen verringert“, fasst Seidler zusammen. „Und zwar bei älteren Patienten ebenso wie bei jüngeren.“

Durch die Kombitherapie sank das Risiko für eine Verschlechterung der Erkrankung bei Jüngeren auf 0,71 und bei Älteren auf 0,69 gegenüber einer konventionellen Behandlung. Als Verschlechterungen galten etwa notwendige Operationen, Klinikeinweisungen oder schwere Komplikationen wie Blutungen, Schmerzzunahme und Abszesse. Bei schweren Medikamenten-assoziierten Nebenwirkungen gab es weder zwischen den Therapiearmen noch zwischen jüngeren und älteren Patienten Unterschiede.

Strenges Therapieregime schlägt erfahrungsbasierte konventionelle Behandlung

Die Patienten im Arm der Kombitherapie (ECI-Arm) erhielten je nach Zentrum 4 (in Kanada) oder 12 Wochen (in Belgien) lang ein Kortikoid (Budenosid oder Prednisolon), falls beim Studienbeginn die Erkrankung nicht in Remission war (definiert als Harvey-Bradshaw Index ≤ 4).

Führte dieser Schritt zu einer klinischen Remission im Sinne einer Punktezahl von mindestens 4 im Harvey Bradshaw Index, wurde die Behandlung für 12 Wochen weitergeführt. Blieb danach die Remission erhalten, setzte man die Kortikoid-Behandlung ab. Wenn nicht, wurde sie um den Tumornekrosefaktor(TNF)-Antagonisten Adalimumab und einen Anti-Metabolit-Wirkstoff (Azathioprin oder Methotrexat) erweitert.

Die gleiche Behandlungserweiterung erhielten Patienten, die bereits nach der ersten Kortikoid-Behandlung keine Remission erreicht hatten.

Der weitere Verlauf wurde alle 12 Wochen kontrolliert und – wenn keine Remission vorlag – die Behandlung schrittweise angepasst: Nach insgesamt 24 Wochen erhöhte man Adalimumab auf eine wöchentliche Gabe. Nach 36 Wochen wurde zusätzlich der Anti-Metabolit-Wirkstoff (Azathioprin bzw. Methotrexat) ausgetauscht. Nach 48 Wochen wechselte man zusätzlich den TNF-Antagonisten.

Eine Operation wurde frühestens nach 56 Wochen in Betracht gezogen. Wurde bei einer der Kontrollen eine Remission erreicht, behielt man die jeweilige Kombinationstherapie bei.

Die Patienten im konventionellen Arm wurden nach den bisherigen Therapieprotokollen des jeweiligen Zentrums behandelt. Im Gesamtkollektiv der REACT-Studie wie auch in der Subgruppe der älteren Patienten hatten dann am Ende der 24 Monate die Patienten beider Arme ähnlich häufig Kortikoide erhalten, aber der Prozentsatz an Immunmodulatoren plus TNF-Antagonisten war im ECI-Arm höher (19,6% vs 9,6%).

Neuere Wirkstoffe sind wahrscheinlich noch sicherer

„Zur Therapieoptimierung wurde die Kombitherapie aus Immunmodulator und TNF-Antagonisten gewählt, die sich zum Zeitpunkt des Studienbeginns 2010 als die effektivste Strategie zur Remissionsinduktion und -erhaltung erwiesen hatte“, kommentiert Seidler.

 
Allerdings gibt es auch Daten, die eine erhöhte Komplikationsrate von Immunsuppressiva bei älteren Patienten mit M. Crohn belegen. Prof. Dr. Ursula Seidler
 

„Inzwischen haben wir weitere Biologika mit guter Wirksamkeit bei M. Crohn, die nach ersten Studien mit einem noch geringeren Infektionsrisiko als die TNF-Antagonisten in Kombination mit einem Immunsuppressivum verbunden sind. Ob sie in einem vergleichbaren Patientenkollektiv ähnlich wirksam sind, wird derzeit in Langzeituntersuchungen eruiert.“

Daten, die dem Ergebnis der Studie widersprechen

„Allerdings gibt es auch Daten, die eine erhöhte Komplikationsrate von Immunsuppressiva bei älteren Patienten mit M. Crohn belegen“, gibt Seidler zu bedenken. Eine im Januar 2019 publizierte Metaanalyse von 14 Studien mit insgesamt ca. 8.000 älteren Patienten, die mit oder ohne Biologika und ca. 13.000 jüngeren Patienten, die mit Biologika behandelt wurden, belege ein etwa 3-fach erhöhtes Infektionsrisiko bei den älteren Patienten unter Biologika im Vergelich zu älteren Patienten ohne sowie gegenüber den jüngeren Patienten mit Biologika.

Die Subgruppe der über 60-Jährigen unterschied sich bis auf die bisherige durchschnittliche Dauer der Erkrankung (15,6 vs. 9,8 Jahre) nicht nennenswert von den jüngeren Patienten der Studienpopulation. Sie hatten lediglich etwa 10% häufiger bereits eine Crohn-spezifische Operation hinter sich (55,3% vs. 45,6%).

Bereits zu Beginn der Studie standen die Patienten unter einer Basismedikation, die Kortikoide (ca. 20%), TNF-Antagonisten (ca. 20%) und Immunmodulatoren (ca. 30%) beinhaltete. Alle eingeschlossenen Patienten hatten somit eine jahrelange M.-Crohn-Anamnese und keine aktuelle Remission.

Kein Grund, Älteren die Kombitherapie vorzuenthalten

In ihrer Diskussion weisen die Autoren ausdrücklich darauf hin, dass die zugrundeliegenden Daten der REACT Studie auf die Darstellung der Unterschiede zwischen den beiden Therapieoptionen und nicht zwischen den Altersgruppen generiert worden waren und ihre Analyse damit keine statistisch harten Daten zu liefern vermöge.

Allerdings wollten die Autoren die Gültigkeit einer von ihnen beschriebenen allgemeinen Praxis überprüfen, ältere Patienten mit M. Crohn aus Angst vor möglichen Infektionsrisiken seltener mit kombinierter Immunsuppressionstherapie aus Biologika und Immunmodulatoren zu behandeln. Für diese Einschränkung der Behandlungsmöglichkeiten bei älteren Pateinten erbrachte diese Studie keine Belege. Dies bestätigt auch Seidler.

 
Eine intensive Betreuung der Patienten mit gründlicher Erfassung des klinischen Zustandes alle 3 Monate … scheint ein guter Weg zu sein. Prof. Dr. Ursula Seidler
 

Es wurden zwar unter den Älteren mehr Todesfälle als bei den Jüngeren beobachtet (4,5 % vs. 0,2%), diese waren aber nicht spezifisch auf M. Crohn zurückzuführen. Außerdem lagen diese unter den kombiniert therapierten nicht höher als unter den konventionell behandelten Patienten.

Die Frage „Wie sollte man also vorgehen?“ beantwortet Seidler abschließend so: „Eine intensive Betreuung der Patienten mit gründlicher Erfassung des klinischen Zustandes alle 3 Monate, wie sie hier im ECI-Arm vorgeschrieben war, scheint ein guter Weg zu sein, auch älteren Patienten die Vorteile einer wirksamen antiinflammatorischen Behandlung bei Minimierung der Risiken zukommen zu lassen. Welcher Therapiealgorithmus dazu verwendet wird, wird durch die Zulassung neuer Medikamente für M. Crohn immer mehr von der individuellen Krankengeschichte jedes einzelnen Patienten beeinflusst und setzt eine hohe Expertise beim Behandler voraus.“

 

Kommentar

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