Der Patient hustet Blut unter oraler Antikoagulation: Eine Herausforderung unter DOAK wie unter VKA

Manuela Arand

Interessenkonflikte

5. April 2019

München – Wenn ein Patient unter oraler Antikoagulation (OAK) Blut hustet, sind wichtige Entscheidungen zu treffen: Wie invasiv darf die Diagnostik ausfallen? Kann die OAK fortgeführt werden, ggf. nach einer Pause? Was sind die Alternativen?

Die Zahl der antikoagulierten Patienten in Deutschland ist hoch, erinnerte Prof. Dr. Matthias Held, Missioklinik Würzburg, beim Deutschen Pneumologiekongress [1]. Mindestens 2% der Bevölkerung leiden an Vorhofflimmern und müssten deshalb antikoaguliert werden. Hinzu kommen jährlich 80.000 Lungenembolien, die ebenfalls die Indikation begründen.

Die Zwickmühle ist immer dieselbe, wenn ein Patient unter OAK blutet: Bei hohem Risiko für eine erneute Blutung sollte die Antikoagulation eigentlich beendet werden, aber meistens besteht sie ja aus gutem Grund.

„Wir haben inzwischen eine Reihe von Patienten gesehen, bei denen wir vor dem Dilemma standen“, erzählte Held. Es gilt, Konzepte zu entwickeln, das Problem strukturiert anzugehen, damit die Entscheidung nicht dem Zufall überlassen bleibt.

Lungenblutungsrisiko unter OAK schwer abschätzbar

Wie oft es unter Antikoagulation zu pulmonalen Blutungen kommt, ist schwer zu sagen. „In Publikationen finden sich im Wesentlichen Fallberichte“, so Held. Konkrete Daten gibt es praktisch nur zu den direkten oralen Antikoagulanzien (DOAK), sie stammen aus den Zulassungsstudien.

 
Es kann passieren, dass Sie gar nicht merken, dass der Patient blutet, weil er keine Hämoptysen hat. Prof. Dr. Matthias Held
 

Bei Rivaroxaban etwa finden sich in der Fachinformation als häufige unerwünschte Wirkungen Epistaxis und Hämoptysen – häufig heißt: zwischen 1:10 und 1:100. Bei Apixaban wird es etwas differenzierter: Nasenbluten häufig, Hämoptysen gelegentlich (1:100 bis 1:1000), Blutung der Atemwege selten (1:1000 bis 1:10.000). Was bei allen DOAK fehlt, sind Angaben zum Schweregrad der Blutungen.

Bei Vitamin-K-Antagonisten (VKA) ist das nicht systematisch untersucht worden. In der Fachinformation zu Warfarin steht nur etwas von Nasenbluten (sehr häufig, mehr als 1:10) und „Blutungen im Bereich der Pleurahöhle“ (gelegentlich). Angaben zu endobronchialen oder alveolären Blutungen fehlen, was vermutlich der Uraltzulassung geschuldet sein dürfte.

Es gibt unzählige potenzielle Ursachen für Lungenblutungen: Tumoren, tuberkulöse Kavernen, Malformationen und Vaskulitiden, nicht zuletzt auch die Lungenembolie, die oft spät diagnostiziert wird, wenn die pulmonale Blutung führendes Symptom ist.

Bei akuten Entzündungen Antikoagulation pausieren?

Häufiger steht man als Pneumologe aber vor dem Problem, dass ein Patient unter OAK eine akute entzündliche Erkrankung entwickelt – eine Bronchitis, eine Pneumonie oder ähnliches – welche die Gefäße in der Schleimhaut arrodiert und vulnerabel macht und das Blutungsrisiko erhöht.

Das können lokal umschriebene Blutungen im Bronchialbaum sein, aber auch alveoläre Hämorrhagien. „Es kann passieren, dass Sie gar nicht merken, dass der Patient blutet, weil er keine Hämoptysen hat“, warnte Held. Diffuse alveoläre Hämorrhagien sind praktisch unter allen oralen Antikoagulanzien beschrieben, aber auch unter niedermokelularem Heparin.

Eine wissenschaftliche Arbeit – zugegeben an Mäusen, nicht an Menschen – konnte zeigen, dass wahrscheinlich trotzdem Unterschiede zwischen den Wirkstoffklassen in der Neigung zu solchen Hämorrhagien bestehen. Die Versuchstiere wurden mit Warfarin oder Dabigatran behandelt und dann mit Influenzaviren infiziert. Unter Warfarin stieg sowohl die Gefäßpermeabilität als auch die Sterblichkeit signifikant stärker an als unter dem DOAK.

Natürlich stellt sich die Frage nach praktischen Konsequenzen. Bei einem Patienten, der im Rahmen einer passageren pulmonalen Entzündung blutet, beantwortet sie sich noch relativ leicht – hier kann die OAK pausiert und nach Abklingen wieder begonnen werden. Was aber, wenn der Patient immer wieder Blutungen bekommt?

Pneumologen stehen nicht selten vor dem Problem, dass ein Patient zur transbronchialen Biopsie vorgestellt wird, weil der überweisende Kollege glaubt, in der Computertomografie (CT) Zeichen einer interstitiellen Fibrose entdeckt zu haben. Tatsächlich zeigt genaues Hinschauen, dass die vermeintliche Fibrose in Wahrheit eine diffuse Lungenblutung ist.

„Wir müssen uns hüten, solche Patienten zu punktieren oder zu biopsieren“, betonte Held. Der Transferfaktor (TLCO) kann helfen zu differenzieren: Bei Blutungen ist der Wert deutlich erhöht, weil das intraalveoläre Hämoglobin CO bindet. Cave: Der TLCO kann, muss aber nicht erhöht sein, und ein Normalwert schließt die Blutung nicht aus.

Zur Diagnostik gehören vor allem CT und Bronchoskopie

Wenn klar ist, dass eine Lungenblutung vorliegt, geht es an die differenzierte Diagnostik mit CT und Bronchoskopie zur Lokalisationsdiagnostik – manche Blutung kann dabei gleich gestillt werden –, eventuell Angiografie. Wenn es sich um eine diffuse Blutung handelt, die keinem Lappen und keinem Segment zugeordnet werden kann, bleibt nur zu schauen, ob es einen Auslöser gibt, der sich abstellen lässt. Laboruntersuchungen helfen zu prüfen, ob eine systemische entzündliche Erkrankung vorliegt, deren Behandlung die Blutungsneigung senkt.

 
Der Vorhofohrverschluss ist theoretisch eine gute Option, die praktisch aber oft schwer umsetzbar ist. Prof. Dr. Matthias Held
 

Therapiert werden sollte, wenn möglich, kausal: Pathologische Mukosabefunde können plasmakoaguliert werden; das sind aber Ausnahmefälle. Blutungen aus aberranten Bronchialarterien lassen sich angiografisch-interventionell angehen. „Wenn das nicht funktioniert, bleibt manchmal nur die chirurgische Resektion des Segments oder Lappens“, so Held. Das ist zum Glück nur sehr selten nötig.

In Notfallsituationen bleibt noch, den Patienten Epinephrin als Vasokonstriktor inhalieren zu lassen. „Dazu gibt es überhaupt keine Daten“, räumte der Pneumologe ein. „Ich glaube, wir beruhigen uns damit. Wahrscheinlich funktioniert das nur bei entzündeter Schleimhaut mit kleinen arrodierten Gefäßen.“

Vorhofohrverschluss als Alternative? Erstmal steigt das Risiko

Die Indikation zur OAK gehört selbstverständlich auf den Prüfstand. Speziell beim Vorhofflimmern als der häufigsten Indikation gibt es den Vorhofohrverschluss (LAA) als Alternative bei Patienten, bei denen die OAK kontraindiziert ist, die bereits Eingang in die europäische Leitlinie gefunden hat. Dabei wird über einen venösen Zugang ein Occluder ins linke Vorhofohr eingebracht, der dieses dauerhaft verschließt und damit eine der wichtigsten Quellen zerebraler Emboli ausschaltet.

Allerdings muss in der ersten Phase nach LAA intensiv antikoaguliert werden, bis das Device gut epithelialisiert ist. In Studien wie PROTECT AF führte das initial zu einem deutlich erhöhten Blutungsrisiko im Vergleich zur Kontrollgruppe. „Der Vorhofohrverschluss ist theoretisch eine gute Option, die praktisch aber oft schwer umsetzbar ist“, meinte Held. Im Langzeitverlauf ist die Blutungsrate dann geringer als ohne LAA.

Auf jeden Fall bestehen viele offene Fragen beim Vorhofohrverschluss. So ist ungeklärt,

  • ob und unter welchen Voraussetzungen der Eingriff bei Risikopatienten mit erhöhtem Blutungsrisiko erfolgen kann, z.B. bei chronischer Niereninsuffizienz;

  • ob ein LAA Sinn macht, wenn es unter OAK zum Schlaganfall gekommen ist;

  • wie der LAA gegen DOAK abschneidet (bisher wurde nur gegen Warfarin geprüft);

  • ob, bei wem und wie nach LAA antikoaguliert werden muss.

Genotyping könnte die Entscheidung erleichtern. Kürzlich wurden bereits Polymorphismen identifiziert, die mit einem erhöhten Risiko alveolärer Hämorrhagien unter OAK einhergehen. Zurzeit ist das aber noch Zukunftsmusik.
 

Kommentar

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