München – Schwangere stehen auf der Prioritätenliste der Weltgesundheitsorganisation an Nr. 1 der Personengruppen, die unbedingt gegen Influenza geimpft werden sollen. Denn eine Virusgrippe gefährdet Mutter und Kind.
Zahlen aus den USA untermauern das. Bei der Influenza-Pandemie 2009/2010 betrafen 5% aller Todesfälle schwangere Frauen, die aber nur etwa 1% der Bevölkerung stellten. Dies berichtete Prof. Dr. Gülsah Gabriel, Tierärztliche Hochschule Hannover, beim Deutschen Pneumologie-Kongress [1]. Dort zogen Experten auch ein vorläufiges Resümee der Influenza-Saison und berichteten von Entwicklungen bei der Diagnostik und Therapie der Grippe.
Ärzte sollten die Impfung Schwangerer aktiv propagieren
In den USA wird seither mit Nachdruck dafür geworben, dass Schwangere sich impfen lassen. Mit Erfolg: Die Impfraten sind auf etwa 50% gestiegen. In Deutschland liegen sie bei unter 10%, obwohl auch hierzulande die STIKO die Schwangerenimpfung gegen Influenza dringend empfiehlt [2].
Für Schwangere ist die Impfung besonders wichtig, weil die Influenza während der Gravidität oft besonders komplikationsträchtig verläuft, wie die hohen Sterberaten belegen. Außerdem schützt die Impfung der Mutter das Kind in den ersten Lebensmonaten davor, wegen schwerer respiratorischer Infektionen stationär aufgenommen werden zu müssen.
Ärzte können die Impfraten erheblich steigern, indem sie Schwangeren die Impfung aktiv anbieten. Als empfohlene Impfung wird die Influenza-Vakzinierung Schwangerer von den Krankenkassen übernommen – auch das trägt nach US-Erfahrungen dazu bei, die Akzeptanz zu steigern.
Saison mit geringer Influenza-Aktivität
Die Influenzasaison 2018/2019 ist in Deutschland glimpflich verlaufen: Die wöchentlichen Aktivitätskarten des Robert Koch-Instituts zeigten nur wenige „heiße Ecken“, und das über einen kurzen Zeitraum – kein Vergleich mit dem Vorjahr, als praktisch die ganze Karte über Wochen rot eingefärbt war und wöchentlich 60.000 im Labor bestätigte Neuinfektionen registriert wurden. Tatsächlich dürfte die Zahl 5- bis 6-mal so hoch gewesen sein.
„Influenza ist immer für eine Überraschung gut“, betonte die Molekularbiologin. Auch das hat die Grippesaison 2017/2018 eindrucksvoll bewiesen. Der empfohlene Grippeimpfstoff deckte nur 2 Influenza-A- und einen Influenza-B-Stamm ab. Es grassierte aber ein anderer B-Stamm (Yamagata), der zwar vom tetravalenten Impfstoff abgedeckt war. Die STIKO hatte sich in dieser Saison allerdings für die trivalente Vakzine entschieden, ist jetzt aber auf die tetravalente umgeschwenkt.
Verbesserte Schnelltests
Auch sonst tut sich einiges in Sachen Influenza, wie Prof. Dr. Torsten T. Bauer, Charité – Universitätsmedizin Berlin, berichtete. So haben Schnelltests eine deutlich verbesserte Sensitivität und Spezifität als noch vor wenigen Jahren. Für die meisten PCR-basierten Systeme liegen beide inzwischen bei 98 bis 100%.
Doch obwohl die Testsysteme schneller werden, brauchen sie immer noch 15 bis 20 Minuten, bis die finalen Resultate vorliegen. „Inklusive Vorbereitung blockiert ein Schnelltest ein Testgerät für 20 bis 30 Minuten“, monierte Bauer. Für den Klinikalltag bedeutet das, dass bei einem wichtigen Ziel Engpässe in Kauf genommen werden müssen, die Point-of-care-Tests eigentlich vermeiden sollten: Die Kohortenisolierung von Influenza-Patienten je nach Virusstamm kann nicht so rasch erfolgen, wie es wünschenswert wäre.
Nichtsdestotrotz stellen die schnelleren und genaueren neuen Tests sicher einen Fortschritt dar. Auf jeden Fall helfen sie, unnötige Verordnungen von Antibiotika und antiviralen Präparaten zu reduzieren.
Hämagglutinin wird Zielstruktur neuer Therapien
20 Jahre nach Zulassung des ersten Neuraminidase-Hemmers kommt nun auch Bewegung in die Pharmakotherapie der Virusgrippe. Die bisher verfügbaren Wirkstoffe haben alle den Nachteil, dass sie erst wirken, wenn das Virus die Zelle bereits geentert hat und sich zu replizieren beginnt (Amantadin) oder die frisch zusammengebauten Viren die Zelle verlassen (Neuraminidase-Hemmer, z.B. Oseltamivir). Das bedeutet: Der Tod der Wirtszelle, in diesem Fall der für den Gasaustausch wichtigen alveolären Epithelzellen, ist dann unausweichlich.
Neue Ansätze zielen deshalb auf das Hämagglutinin, an welches das Virus bindet, um sich in die Zellen einzuschleusen. Im Mausmodel funktioniert das: Ein niedermolekularer Fusionsinhibitor („small-molecule fusion inhibitor“), oral verabreicht, schützte die Tiere wirksam von der Infektion mit Influenza-A-Viren. „Sehen wir mal, wie weit der Fusionsinhibitor beim Menschen kommt“, kommentierte Bauer.
Ein weiterer, vielversprechender Ansatz zielt ebenfalls auf Hämagglutinin und verwendet neutralisierende Antikörper mit breiten Wirkspektrum (broadly neutralizining antibodies) im Sinne einer passiven Immunisierung. Auch diese Strategie steckt aber noch in den Kinderschuhen.
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Nach der Saison ist vor der Saison: Neues zur Influenza und warum Schwangere bei der WHO-Impfempfehlung Priorität haben - Medscape - 4. Apr 2019.
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