Weniger Kohlenhydrate in der Ernährung – steigt im Gegenzug möglicherweise das Risiko für Vorhofflimmern?

Patrice Wendling

Interessenkonflikte

4. April 2019

New Orleans Eine niedrige Aufnahme von Kohlenhydraten ist offenbar ein Prädiktor für das künftige Risiko, ein Vorhofflimmern zu entwickeln, und dies unabhängig von traditionellen Risikofaktoren und anderen Ernährungsfaktoren. Dies deutet eine neue Analyse der ARIC-Studie an, die im Rahmen einer Poster-Präsentation bei den Scientific Sessions 2019 des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans, USA, vorgestellt worden ist [1].

 
Unsere Studie zeigt, dass Low-Carb-Ernährungsweisen in einer großen, prospektiven Studie mit einem erhöhten Risiko für das Neuauftreten eines Vorhofflimmerns assoziiert sind. Dr. Xiaodong Zhuang
 

In einem Interview mit Medscape berichtete Erstautor Dr. Xiaodong Zhuang vom First Affiliated Hospital der Sun Yat-sen University, Guangzhou, China: „Unsere Studie zeigt, dass Low-Carb-Ernährungsweisen in einer großen, prospektiven Studie mit einem erhöhten Risiko für das Neuauftreten eines Vorhofflimmerns assoziiert sind. Dies deutet darauf hin, dass diese populäre Art der Gewichtskontrolle durch Einschränkung der Kohlenhydrataufnahme nur mit Vorsicht empfohlen werden kann.“

Die Diskussion darüber, ob kohlenhydratarme Ernährungsweisen – wie etwa eine ketogene Ernährung, die Steinzeit- oder die Atkins-Diät – hilfreich oder schädlich sind, wurde teilweise durch Forschungsarbeiten entfacht, die High- und Low-Carb-Ernährungsweisen mit einer erhöhten Gesamtmortalität in Verbindung brachten.

Die meisten Studien berücksichtigten allerdings nicht, ob die Kohlenhydrate durch tierische oder durch pflanzliche Lebensmittel ersetzt wurden. Und keine der Studien befasste sich ausdrücklich mit dem Risiko für Vorhofflimmern.

In der beim ACC-Kongress vorgestellten und kurz zuvor online im Journal of the American College of Cardiology (JACC) erschienen Studie [2]„waren Ernährungsweisen mit geringem Kohlenhydratgehalt mit einem erhöhten Risiko für neu auftretendes Vorhofflimmern assoziiert“, wie Zhuang feststellte.

Entzündung und oxidativer Stress bei kohlenhydratarmer Ernährung?

Die Wissenschaftler vermuten, dass Menschen, die sich kohlenhydratarm ernähren, möglicherweise einen höheren Grad an Entzündung im Körper haben, da sie tendenziell weniger Gemüse, Obst und Getreide verzehren, die bekanntlich die Inflammation reduzieren. Eine weitere mögliche Erklärung ist, dass der Konsum von mehr Protein und Fett anstelle kohlenhydratreicher Nahrungsmittel zu oxidativem Stress führen könnte.

Sowohl Entzündung als auch oxidativer Stress gelten in mehreren Evidenzlinien als zentrale Mediatoren für die Entstehung eines Vorhofflimmerns. Der beobachtete Effekt könnte somit in Verbindung zu einem erhöhten Risiko für andere Arten von kardiovaskulären Erkrankungen stehen.

Kein Beweis für Kausalität

„Es überrascht mich nicht, dass bei einer kohlenhydratarmen Ernährungsweise häufiger Vorhofflimmern auftritt“, sagte Dr. Andrew Freeman von National Jewish Health in Denver, USA, auf Nachfrage von Medscape. Der Kovorsitzende der Arbeitsgruppe für Ernährung und Lebensstil der ACC ergänzte: „Ich denke, dass es einen optimalen Bereich gibt – nicht zu viel und nicht zu wenig [Kohlenhydrate] –, der wahrscheinlich genau richtig ist. Unabhängig davon gibt es überwältigende Evidenz dafür, dass wir auf eine vollwertige Ernährung setzen sollten, die reich an pflanzlichen und arm an verarbeiteten Lebensmitteln ist.“

 
Es überrascht mich nicht, dass bei einer kohlenhydratarmen Ernährungsweise häufiger Vorhofflimmern auftritt. Dr. Andrew Freeman
 

Auch wenn Vorhofflimmern eine der Konsequenzen des derzeitigen Low-Carb-Hypes sein könnte, betonte Freeman dennoch, dass die Ergebnisse keinen Beweis für Kausalität darstellten. Die Daten könnten zwar um Störfaktoren bereinigt werden, aber „in Studien, die auf Ernährungsfragebögen beruhen, bleibt immer ein gewisser Grad an Unsicherheit“.

Höheres Risiko für Vorhofflimmern bei geringer Kohlenhydrataufnahme

Die Analyse umfasst die Daten von 13.385 Teilnehmern der ARIC-Studie (Atherosclerosis Risk in Communities), die zu Beginn nicht an Vorhofflimmern gelitten und die auf Fragebögen Angaben zur täglichen Aufnahme von 66 verschiedenen Nahrungsmitteln gemacht hatten. Die tägliche Kohlenhydrat-Aufnahme sowie die Kalorienaufnahme aus Kohlenhydraten ermittelten die Wissenschaftler um Zhuang mittels dieser Fragebögen und einer Nährstoff-Datenbank der Harvard University.

Basierend darauf, welchen Prozentsatz ihrer täglichen Kalorien sie aus Kohlenhydraten zu sich nahmen, wurden die Studienteilnehmer – zu 45% Männer und zu 74,7% weiß – in 3 Gruppen eingeteilt: weniger als 44,8% (niedrig), 44,8 bis 52,4% (mittel) und mehr als 52,4% (hoch).

Zu Studienbeginn wiesen 34,1% der Teilnehmer eine Hypertonie auf, 4,7% hatten schon einmal einen Schlaganfall gehabt, 4,8% hatten eine koronare Herzkrankheit und 4,5% eine Herzinsuffizienz. Im Schnitt waren sie 54,2 Jahre alt und 26,8% von ihnen waren adipös (Body-Mass-Index [BMI] mindestens 30 kg/m²).

In der Nachbeobachtungszeit von im Mittel 22,4 Jahren entwickelten die Teilnehmer mit geringer Kohlenhydrataufnahme mit einer um 18% höheren Wahrscheinlichkeit ein Vorhofflimmern als diejenigen mit mittlerer Kohlenhydrataufnahme (Hazard Ratio HR 0,82; 95%-Konfidenzintervall KI 0,73-0,93). Im Vergleich zu den Studienteilnehmern mit hoher Kohlenhydrataufnahme war ihr Risiko für Vorhofflimmern um 16% erhöht (HR 0,84; 95%-KI 0,71-0,99). In beiden Fällen galt dies nach Berücksichtigung multipler möglicher Störfaktoren, wie die Autoren um Zhuang im JACC berichten.

Für die Poster-Präsentation beim Kongress in New Orleans kategorisierten Zhuang und sein Team die Studienteilnehmer dagegen in Quartile der Kohlenhydrataufnahme (42,7% oder weniger der täglichen Kalorienaufnahme, 42,71 bis 48,55%, 48,56 bis 54,74% und mindestens 54,75%) und werteten 1.808 Fälle von Vorhofflimmern im Follow-up-Zeitraum aus.

Das adjustierte Risiko für neu auftretendes Vorhofflimmern stieg pro Zunahme der Kohlenhydrat-Aufnahme (prozentualer Anteil an der Energieaufnahme) um eine Standardabweichung (9,4%) um 18% an (HR 0,82; 95%-KI 0,72-0,94).

Studienteilnehmer mit der geringsten Kohlenhydrataufnahme entwickelten mit einer um 21% höheren Wahrscheinlichkeit ein Vorhofflimmern als diejenigen im zweiten Quartil (HR 0,79; 95%-KI 0,68-0,92). Im Vergleich zu denjenigen im dritten Quartil war ihr Risiko um 23% erhöht (HR 0,77; 95%-KI 0,64-0,93) und im Vergleich zu denjenigen im höchsten Quartil um 36% (HR 0,64; 95%-KI 0,49-0,84).

Eine Regressionsanalyse mit Restricted Cubic Splines ergab hinsichtlich des Risikos für Vorhofflimmern eine ähnliche Tendenz auch bei Teilnehmern, deren Kohlenhydrat-Aufnahme unter 62% der täglichen Gesamt-Energieaufnahme lag.

Tierische oder pflanzliche Low-Carb-Ernährungsscores?

Schließlich wollten Zhuang und seine Kollegen noch herausfinden, ob es eine Rolle spielt, durch welche Nahrungsmittel die Kohlenhydrate bei Low-Carb-Ernährungsweisen ersetzt werden. Basierend auf dem Anteil an tierischen und pflanzlichen Nahrungsmitteln bildeten sie tierische und pflanzliche Low-Carb-Ernährungs-Scores.

„Mithilfe eines Cox-Regressionsmodells ermittelten wir die Assoziation zwischen Vorhofflimmern und tierischen oder pflanzlichen Low-Carb-Ernährungs-Scores, aber es ließ sich kein signifikanter Zusammenhang nachweisen“, berichtete Zhuang.

Die Cox-Regressionsmodelle hätten verschiedene Faktoren berücksichtigt, erklärte Zhuang: Alter, Geschlecht, Ethnizität, Gesamtenergieaufnahme, Gesamtfettaufnahme, Aufnahme an tierischem Fett, Gesamtproteinaufnahme, Aufnahme an tierischem Protein, Ballaststoffaufnahme, den glykämischen Index, die glykämische Last, BMI, Körperoberfläche, Raucherstatus, Alkoholkonsum, Bildungsstand, Sport, körperliche Aktivität, Gesamtcholesterin, HDL-Cholesterin, LDL-Cholesterin, Triglyzeride, Kreatin, Harnsäure und das Vorliegen von Hypertonie, Schlaganfall, Diabetes, KHK und Herzinsuffizienz.

Zhuang sagte, dass die ausführliche und rigorose Erfassung von Störfaktoren in der ARIC-Studie eine umfassende statistische Adjustierung ermöglicht habe, stimmte aber Freeman zu, dass ein gewisser Grad an Messungenauigkeit bei der Beurteilung der Ernährungsweise unvermeidbar sei.

Hinzu kommt, dass sich die Ernährungsgewohnheiten der Studienteilnehmer in den mehr als 20 Jahren Nachbeobachtung verändert haben könnten. Außerdem konnte die Art des Vorhofflimmerns nicht bestimmt werden. Und da die meisten Fälle von Vorhofflimmern über die Entlass-Codes von Krankenhäusern identifiziert wurden, fehlen in der Studie Patienten, die asymptomatisches Vorhofflimmern hatten oder ambulant behandelt wurden.

„Wir haben eine zeitvariierende Sensitivitätsanalyse über einen Zeitraum von 6 Jahren durchgeführt, um den Bias so gut es ging zu minimieren. Und die Resultate waren vergleichbar. Allerdings konnten Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten nach Ablauf der 6 Jahre nicht berücksichtigt werden, da diese Daten in der ARIC-Studie nicht erhoben wurden“, sagte Zhuang.

„Es sind mehr randomisiert-kontrollierte Studien notwendig, mit einer rigorosen Kontrolle der Nahrungsmittelarten und alternativen Energiequellen, um diese Hypothese zu bestätigen, auch wenn dies angesichts der erforderlichen langen Studiendauer schwierig ist“, resümierte er.

Dieser Artikel wurde von Nadine Eckert aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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