Darolutamid, ein neuartiger Androgenrezeptor-Antagonist zur Behandlung von Patienten mit nicht-metastasiertem kastrationsresistentem Prostatakrebs (nmCRPC), hat in einer randomisierten Phase-3-Studie das Metastasen-freie Überleben der Patienten gegenüber einem Placebo deutlich verlängert. Gleichzeitig unterschied sich das Sicherheitsprofil des Medikaments laut Veröffentlichung im New England Journal of Medicine kaum von dem des Placebos [1].
„Die Ergebnisse sind sehr positiv“, sagt Prof. Dr. Axel Merseburger, Direktor der Klinik für Urologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, auf Nachfrage von Medscape. „Mit Darolutamid wird das Auftreten erster Metastasen beim kastrationsresistenten Prostatakrebs um 2 Jahre nach hinten verschoben.“
Trotzdem möchte er zu hohe Erwartungen an das Medikament etwas dämpfen, zumindest noch. Denn ein wichtiger Punkt konnte durch die Studienautoren um Prof. Dr. Karim Fizazi vom Institut Gustave Roussy in Villejuif, Frankreich, nicht geklärt werden. „Die Frage, ob sich unter Darotulamid auch das Leben der Patienten verlängert, konnte statistisch signifikant nicht bewiesen werden“, so Merseburger.
Über 1.500 Patienten nahmen an der Studie teil
An der randomisierten-kontrollierten und doppelblinden ARAMIS-Studie hatten 1.509 Patienten mit nicht-metastasiertem, kastrationsresistentem Prostatakarzinom teilgenommen, die bereits eine Androgen-Deprivationstherapie erhielten. Zudem bestand bei den Studienteilnehmern ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung einer metastasierenden Erkrankung (Verdopplung des PSA innerhalb von 10 Monaten bei einem PSA-Basiswert von mindestens 2 ng/ml).
Die Patienten wurden auf 2-mal täglich 600 mg Darolutamid (n = 955) oder ein Placebo (n = 554) randomisiert. Der primäre Endpunkt war das Metastasen-freie Überleben, definiert als Zeit zwischen der Randomisierung und dem Nachweis von Metastasen (oder dem Tod des Patienten). Ob Metastasen vorhanden waren, wurde alle 16 Wochen röntgenologisch überprüft.
Sekundäre Endpunkte waren in der von den Entwicklern (Bayer und Orion Pharma) gesponserten Studie das Gesamtüberleben, die Zeit bis zum Fortschreiten des Schmerzes, die Zeit bis zum ersten symptomatischen skelettbezogenen Ereignis sowie die Zeit bis zur erstmaligen Verabreichung einer zytotoxischen Chemotherapie.
22 Monate länger frei von Metastasen
In der Darolutamid-Gruppe vergingen im Mittel 40,4 Monate bis zum Nachweis von Metastasen gegenüber 18,4 Monaten in der Placebo-Gruppe (Hazard Ratio: 0,41).
Auch in den sekundären Endpunkten zeigte Darolutamid Vorteile gegenüber dem Placebo: Sowohl die Dauer bis zum Einsetzen von Schmerzen als auch die Dauer bis zur Entscheidung zur Chemotherapie sowie zur ersten Knochenmetastase waren bei den mit dem Antiandrogen behandelten Patienten verlängert.
Zudem war das Gesamtüberleben mit Darolutamid verlängert (HR: 0,71), aufgrund der präspezifizierten Signifikanzwerte aber nicht signifikant. Allerdings handelte es sich hier auch um eine Interimsanalyse: Eine mittlere Überlebenszeit konnte nicht angegeben werden, da insgesamt erst 136 Patienten (78 in der Darolutamid- und 58 in der Placebo-Gruppe) gestorben waren. „Wir wissen deshalb noch nicht genau, ob die Patienten unter der Medikation tatsächlich länger leben und ob der frühe Einsatz gerechtfertigt ist“, so Merseburger.
Darolutamid scheint gut verträglich – auch langfristig?
Die Wirksamkeit, also das Metastasen-freie Überleben, passt zu den Ergebnissen aus 2 weiteren randomisiert-kontrollierten Phase-3-Studien zu Androgenrezeptor-Antagonisten (wir berichteten). Die PROSPER-Studie untersuchte das Medikament Enzalutamid (36,6 Monate vs. 14,7 Monate), die SPARTAN-Studie Apalutamid (40,4 Monate vs. 16,2 Monate).
Ein Vorteil von Darolutamid gegenüber den anderen beiden in dieser Indikation bereits zugelassenen Medikamenten könnte in der Verträglichkeit liegen. Denn im Gegensatz zu den anderen beiden Medikamenten überwindet Darolutamid die Blut-Hirn-Schranke in nicht nennenswertem Maße.
„Die Sicherheitsdaten zeigten keinen klinisch relevanten Unterschied zwischen Darolutamid und Placebo bei der Häufigkeit von unerwünschten Ereignissen [...], einschließlich Stürzen, Frakturen, Krampfanfällen, kognitiven Störungen und Bluthochdruck“, fassen die Studienautoren zusammen.
Merseburger weist in dem Zusammenhang jedoch darauf hin, dass die Ergebnisse von unterschiedlichen Medikamentenstudien nur sehr eingeschränkt miteinander verglichen werden können. Und auch Darolutamid sei nicht gänzlich frei von zentralnervösen Nebenwirkungen.
„In der Darolutamidgruppe klagten 12,1% der Patienten über Fatigue gegenüber 8,7% in der Placebogruppe“, so der Lübecker Experte. Abzuwarten bleibe auch, wie sich das Medikament langfristig auf die Gesundheit der Patienten auswirke.
Für Urologen würden sich auch noch weitere Fragen stellen, meint Merseburger. Sollte das Medikament tatsächlich so früh wie möglich gegeben werden? Und was soll man noch geben, wenn dann doch die ersten Metastasen auftreten?
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Diesen Artikel so zitieren: Neuer Hoffnungsträger beim kastrationsresistenten Prostatakarzinom: Darolutamid verzögert Metastasenbildung deutlich - Medscape - 1. Apr 2019.
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