Die ASCO-Highlights zu Pankreas-, Kolon-, Gallen- und Magen-Krebs: Erfolge mit PARP-Hemmer und „Immuntherapie an allen Ecken“ 

Prof. Dr. Dirk Arnold

Interessenkonflikte

18. Juni 2019

Transkript des Videos:

Einen schönen Gruß aus Chicago. Mein Name ist Dirk Arnold. Ich bin der Medizinische Direktor des Tumorzentrums der Asklepios-Klinik Altona in Hamburg und ich möchte Ihnen in den nächsten Minuten die Highlights vom ASCO 2019 bezüglich der gastrointestinalen Tumore kurz vorstellen. Wir haben ja bei diesem ASCO seit langem mal wieder eine "oral presentation" in der "plenary session" gehabt. Da ging es um die erste, molekular stratifizierte Therapie des Pankreas-Karzinoms. Die Studie untersuchte Patienten, die eine Keimbahn BRCA-Mutation haben. Wir kennen diese Kondition aus dem Ovarial-Karzinom und Mamma-Karzinom. Beim Pankreas-Karzinom betrifft diese Mutation in unserer Population doch zwischen 6 und 7 Prozent aller Patienten. 

Bei der Therapie, die untersucht wurde, handelt es sich um eine Behandlung mit einem PARP-Inhibitor, den wir auch bei anderen Tumor-Entitäten sehr häufig einsetzen. In diesem speziellen Fall war es Olaparib randomisiert gegen Placebo für jene Patienten, die eine Induktionstherapie bekommen hatten (mindestens 16 Wochen mit einer Kombinationschemotherapie mit einem platinhaltigen Schema). Ergebnis dieser Studie: deutliche Verlängerung, sogar mehr als Verdopplung, des progressionsfreien Überlebens von Patienten ab der Randomisation – verglichen mit Placebo. Insgesamt muss man sagen, dass dies natürlich eine prognostisch sehr günstige Gruppe ist. Das Überleben ab Randomisation von diesen Patienten mit metastasiertem Pankreas-Karzinom lag bei mehr als 19 Monaten. Die Daten zum Gesamtüberleben bei dieser Studie steht noch aus und werden noch berichtet werden. Aber ich denke, dies ist schon ein ganz guter Hinweis, dass wir hier die erste molekular stratifizierte Therapie beim Pankreas-Karzinom haben. Ich bin mir sicher, dass die Erkenntnisse recht bald auch in unsere Guidelines eingehen werden.

Zweites großes Thema war an allen Ecken und Enden die Immuntherapie. Die vielleicht wichtigste, aber auch die komplizierteste Studie ist jene, die Pembrolizumab als Primärtherapie beim Magen-Karzinom oder beim GEJ- Tumor untersucht hat. Mehr als 750 Patienten waren in der KEYNOTE- 062-Studie randomisiert worden, eine 3-armige Studie mit extrem komplexem Design. Die 3 Arme, die untersucht worden sind, waren entweder Standard-Chemotherapie, also eine Doublette mit Fluoropyrimidin und Platin oder versus Pembrolizumab als Mono-Therapie, oder Pembrolizumab in Kombination mit der Chemotherapie. Das ist schon im Studiendesign recht kompliziert angelegt. Bei einer derartigen 3-armigen Studie ist klar: Pembrolizumab versus Chemotherapie ist eine Nicht-Unterlegenheitsstudie. Pembrolizumab plus Chemotherapie versus Chemotherapie ist eine Überlegenheitsfragestellung. Die Gesamt-Endpunkte waren ebenfalls hochkomplex. Die vielleicht relevantesten Endpunkte waren das Gesamtüberleben. Es gab ein Ergebnis, das sehr eindrücklich war: der Vergleich Pembrolizumab versus Chemotherapie, also die Nicht-Unterlegenheitsfragestellung. Da war Pembrolizumab der Chemotherapie nicht nur nicht unterlegen, die Immuntherapie war sogar statistisch signifikant deutlich besser. Aber, jetzt kommen die "Aber". So richtig deutlich besser war Pembrolizumab nicht bei Patienten mit jedweder PD-L1-Expression, sondern nur bei Patienten die den kombinierten CPS-Score von mindestens 10 hatten. Für diese war die Immuntherapie deutlich besser als die Chemotherapie alleine.

Und eine zweite Tatsache, die dem Ergebnis ein bisschen Wasser in den Wein mischt, ist: Das progressionsfreie Überleben war nicht verbessert. Im Gegenteil. Dieses war sogar statistisch gesehen für die Chemotherapie ganz gering besser. Warum das? Nun, die Analyse der Kurven zeigt ganz eindeutig, dass Patienten nach hinten raus über die lange Überlebenszeit zwar deutlich von der Immuntherapie profitieren, aber gleichzeitig werden etwa 50 Prozent der Patienten unter der Immuntherapie sehr rasch und sehr schnell progredient. Während Patienten, die einen Nutzen haben, erst nach hinten raus profitieren. Das heißt wir brauchen noch weitere Biomarker, um zu identifizieren, welche Patienten denn eher einen schnellen Progress haben werden, also eine agressive Tumor-Biologie haben, und damit irgendwie doch vielleicht keine idealen Kandidaten für einen Checkpoint-Inhibitor sind. Das Gesamtüberleben auf der anderen Seite war sehr überzeugend.

Ein zweites Ergebnis dieser Studie war: Die Kombination von Pembrolizumab und Chemotherapie versus Chemotherapie alleine. Dieses Ergebnis war etwas besser. Aber es war nicht so viel besser, wie wir uns das alle erhofft hatten. Wenn man die Studienergebnisse jetzt mit dem Abstand von wenigen Stunden kommentiert, glaube ich: Es gibt gute Anhaltspunkte dafür, dass bei einigen, wenn nicht sogar bei zahlreichen Patienten, Pembrolizumab als Mono-Therapie die Chemotherapie ersetzen kann. Ob es auch als Add-On-Therapie so eine große Rolle spielt, weiß ich nicht. Vielleicht werden wir demnächst in solchen Sequenzen landen, dass wir mit einer Chemotherapie über eine kurze Zeit behandeln und dann in eine Immuntherapie übergehen. Viele Fragen, die über den optimalen Einsatz der Immuntherapien beim Magen-Karzinom noch ungelöst sind.

Ein drittes großes Thema war das kolorektale Karzinom. Was gab es hier Neues? Keine ganz großen Sensationen, aber vielleicht 2 Studien die erwähnenswert sind. Die britische Studiengruppe stellte die FOxTROT-Studie vor. Sie interpretiert intelligent das leidige Thema der adjuvanten Therapie beim Stadium 3 mit einem Fluoropyrimidin und einem Platin als "standard of care". Die Studie hat diesen "standard of care" mit einem Ansatz verglichen, der ganz interessant ist. Sie haben sich gesagt, dass man doch Patienten mit einem etwas fortgeschrittenerem Kolon-Karzinom (nicht Rektum), das im CT nach T3-Tumor aussieht, randomisieren kann, und ihnen 6 Wochen dieser Chemotherapie vor der Operation geben könnte und dann den Rest der Therapie hinterher. Also ein randomisierter Vergleich zwischen 6 Wochen vorgezogener adjuvanter Therapie vor Operation gefolgt von Operation versus Standardvorgehen. Dies war eine riesengroße Studie mit 1050 eingeschlossenen Patienten, 2:1 randomisiert.

Das Ergebnis: Die Studie ist formal negativ. Aber es hat doch einen ganz deutlichen Hinweis dafür gegeben, dass es für manche Patienten sinnvoll sein kann, vielleicht die Chemotherapie vorzuziehen und eine kurze Zeit eine Induktionstherapie durchzuführen. Sekundäre Ergebnisse waren: weniger Lokalrezidive – auch das kommt vor. Außerdem mehr Patienten, die komplett reseziert werden konnten. Also auch beim Kolon-Karzinom, dieser vermeintlich so einfachen abdominalchirurgischen Operation, sind die Ergebnisse durch eine präoperative Chemotherapie möglicherweise zu verbessern. Vielleicht liegt die Zukunft darin, das Ganze auch molekular zu stratifizieren.

Ich kann Ihnen hier fast nur Studien zitieren, die ein paar Fragezeichen offenlassen. Die zweite Studie, die beim Kolon-Karzinom vorgestellt worden ist, betrifft ebenfalls das Thema der perioperativen Therapie. Die Fragestellung dieser Studie war: Sollen Patienten mit High-risk-Stadium 2, die wir normalerweise auch mit einem platinhaltigen Schema behandeln, 6 oder 3 Monate therapiert werden? Und Sie ahnen, dies ist eine Subgruppe der großen IDEA-Analyse, die gezeigt hat, dass wir für Patienten mit Low-risk-Stadium 3 das sehr gut machen können. Und wie lagen die Ergebnisse im High-risk-Stadium 2? Es war in der Tat so, dass die Prognose der Patienten fast schlechter war als im Low-risk-Stadium 3. Wir wissen, dass es da eine gewisse Unschärfe gibt. Aber auch die Ergebnisse der Therapie-Verkürzung waren nicht so eindeutig wie im Low-risk-Stadium 3. Für FOLFOX-Therapie waren die 6 Monate deutlich besser als die 3 Monate. Bei CAPOX waren die Kurven in etwa übereinanderliegend. Was machen wir daraus? Vielleicht bei High-risk-Stadium 2 ist Capecitabin/Oxaliplatin (CAPOX) für 3 Monate eine Therapie-Option. Aber wenn man sichergehen will, dann sollte man hier über 6 Monate behandeln. Das waren eigentlich die relevanten Ergebnisse, die wir hier auf dem ASCO 2019 dazu hatten.

Es gab ansonsten noch ein sehr schönes Update der TRIBE-2-Studie. Das ist diese große, randomisierte Studie zum Kolon-Karzinom, die die intensive 3-fach-Therapie versus einer 2-fach-Therapie untersucht. Jetzt wurde nach dem ESMO im vergangenen Jahr eine weitere Analyse zum Gesamtüberleben vorgestellt. Sie zeigt, dass die Intensivierung der Primärtherapie als 3-fach-Therapie für das Gesamtüberleben in der Studie besser ist als für die 2-fach-Therapie. Vorwiegend natürlich bei rechtzeitiger Primärlokalisation oder bei RAS-mutierten Patienten, da ja Bevacizumab und nicht Cetuximab dazugegeben wurde.

Eine Studie, die sich für Sie auch lohnt anzugucken, wenn Sie Gallenblasen- oder Gallengangs-Karzinome behandeln, ist die ABC-06-Studie. Sie hat eine Secondline-Therapie, nämlich mit 5-FU und Oxaliplatin, nach Versagen der Standard-Primärtherapie mit Gemcitabin und Cisplatin etabliert.

Ich denke das sind die Studien, die es lohnt, nochmal anzugucken, wenn man in dem Feld arbeitet. Wie schon gesagt, wir haben hier viele Studien, die nicht so ganz negative und nicht ganz positive Resultate geliefert haben. Ich glaube, es gibt viel Arbeit. Wir werden in den nächsten Tagen oder Wochen noch darüber diskutieren und nachdenken. Und sie werden all das natürlich hier bei Medscape verfolgen können. Ebenso in den Therapie-Empfehlungen der Leitlinien etwa, die sich auch bald danach richten werden. Damit darf ich mich für Ihr Zuschauen bedanken und wünsche Ihnen noch einen schönen Tag.

Das Transkript wurde leicht editiert.

 

 

Kommentar

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