Das Onkologen-Treffen in Chicago bot „eine Fülle interessanter Daten“. Prof. Dr. Martin Reck erklärt, wie sie die zielgerichtete Therapie beim nicht-kleinzelligen Lungenkarzinom verbessern.
Transkript des Videos von Prof. Dr. Martin Reck:
Hallo, mein Name ist Martin Reck. Ich komme aus Großhansdorf im Norden Deutschlands. Ich bin hier auf der ASCO und ich freue mich, dass ich Ihnen über die aktuellen Ergebnisse in der Thorax-Onkologie berichten kann. Wir haben viele neue Daten hier gesehen. Es geht im Prinzip um 2 große Gruppen von Therapien, bei denen es auch relevante Fortschritte gibt.
Die eine Gruppe sind Patienten mit Onkogen-Alterationen, die wir behandeln können. Es wurde eine große Phase-3 Studie für Patienten mit EGFR-Mutationen vorgestellt. Das ist die RELAY-Studie, die die Kombination von einem EGFR-Tyrosinkinase-Inhibitor mit einem anti-angiogenen Medikament, dem Ramuciromab, untersucht. Das vergleicht man mit einer alleinigen Tyrosinkinase-Inhibitor-Therapie. Die Daten haben gezeigt, dass diese Kombination zu einer relevanten Verlängerung des progressionsfreien Überlebens führt.
Es gibt dann zudem eine ganze Reihe von kleineren Studien, die sich damit beschäftigt haben, was wir mit Patienten machen, wenn sie nach einer TKI-Therapie progredient werden. Wir wissen, wenn wir die T790M-Mutationen finden, dann können wir einen Tyrosinkinase-Inhibitor der 3. Generation einsetzen, wie beispielsweise das Osimertinib.
Aber wir wissen, dass eben viele Patienten diese T790M-Mutation nicht haben. Welche Therapie-Optionen haben wir in diesen Fällen? Da wurden in Chicago 2 interessante Substanzen vorgestellt. Das eine ist ein bispezifischer Antikörper, ein EGF-Rezeptor-Antikörper plus c-MET-Antikörper, der bei Patienten mit einer MET-Alteration – die ja einen häufigen Resistenz-Mechanismus darstellt – wirklich eine eindrucksvolle Wirksamkeit gezeigt hat. Das andere ist ein HER3-Antikörper-Konjugat mit einem Zytostatikum. Ein sehr spannender Ansatz. Wir wissen, dass wir gerade bei Patienten mit EGFR-Mutation relativ häufig eine HER3-Überexpression finden. Und auch hier haben wir spannende erste Daten zur Effektivität gesehen. Das sind kleine Studien, erste Serien, das muss man sicherlich in randomisierten Studien validieren. Aber die Ergebnisse sind schon mal sehr interessant.
Außerdem wurden noch eine ganze Reihe Daten zu seltenen Mutationen vorgestellt. Es gibt verschiedene Medikamente, wie z.B. das Capmatinib oder das Tepotinib für Patienten mit einer MET Exon 14 Mutation, die hier besprochen wurden. Dazu wurden Effektivitätsdaten gezeigt. Und es gab eine neue Substanz, das Repotrectinib, für Patienten mit einer ROS1-Alteration. Sie zeigte eine hervorragende Wirksamkeit – auch bei Patienten mit Gehirn-Metastasen. Also das Gebiet der zielgerichteten, personalisierten Therapie hat sich wirklich erweitert. Da gibt es spannende neue Daten.
Der 2. große Therapieansatz oder Behandlungsblock, um den es hier auf dem ASCO geht, ist die Immuntherapie. Das ist eine neue Behandlung, die unsere therapeutischen Möglichkeiten relevant erweitert hat. Wir haben letztes Jahr 6 große Phase-3-Studien gesehen, die alle eine verbesserte Wirksamkeit für die Kombination Chemotherapie plus Immuntherapie im Vergleich zu einer alleinigen Chemotherapie bei unbehandelten Patienten mit einem fortgeschrittenen Lungenkrebs gezeigt haben.
Dieses Jahr geht es hier um die früheren Tumor-Stadien, also den Einsatz der Immuntherapie bei resektablen Tumoren. Wir haben 2 Papers, die im Grunde die Wirksamkeit einer neoadjuvanten Immuntherapie untersucht haben. Das war zum einen eine Studie über die neoadjuvante Therapie mit Atezolizumab, zum anderen eine Studie, die eine neoadjuvante Therapie mit Nivolumab und Ipilimumab untersucht hat. Wir haben gesehen, dass diese alleinige, neoadjuvante Immuntherapie – 2 oder 3 Zyklen – zu eindrucksvollen, pathologischen Remission am Tumorpräparat geführt haben. Wir müssen warten, was das für den Patienten bedeutet und ob sich das in eine Langzeit-Kontrolle übersetzen lässt. Und wir brauchen natürlich auch den Vergleich zu den konventionellen, neoadjuvanten Therapien. Das müssen wir in randomisierten Studien prüfen. Das sind große Phase-3-Protokolle, die aktuell aktiviert sind und schon laufen.
Dann gab es noch ein kleines Paper aus Spanien, das tatsächlich die Kombination einer neoadjuvanten Chemotherapie und Immuntherapie an einer überschaubaren Gruppe von Patienten geprüft hat. Dort haben wir radiologische und pathologische Ansprechraten gesehen, die wirklich extrem eindrucksvoll waren. Eine pathologische, komplette Remissionsrate von über 70 Prozent. Zusammen mit einer Verträglichkeit, die sehr akzeptabel war. Das scheint wirklich ein sehr aktives Regime zu sein, was möglicherweise die Langzeit-Überlebensdaten bei dieser Erkrankung auch erhöhen könnte. Sie sehen, wir haben eine Fülle von neuen, interessanten Daten, die uns weiterhelfen, unsere Therapie beim nicht-kleinzelligen Lungen-Karzinom zu verbessern – und damit möchte ich mich verabschieden.
Dieses Transkript wurde leicht redigiert.
Medscape © 2019 WebMD, LLC
Die dargestellte Meinung entspricht der des Autors und spiegelt nicht unbedingt die Ansichten von WebMD oder Medscape wider.
Diesen Artikel so zitieren: „Eindrucksvolle Remissionen“ bei Lungenkrebs: Immuntherapie reüssiert neoadjuvant und Mutationen dirigieren die Strategie - Medscape - 7. Jun 2019.
Kommentar