Telematik-Infrastruktur: Bestellfrist endet Ende März, aber trotz drohender Honorarkürzung zögern viele Ärzte noch

Christian Beneker

Interessenkonflikte

26. März 2019

Die KBV drängt, die Freie Ärzteschaft bremst und die Praxen zögern. Bis Ende März müssen alle niedergelassenen Ärzte die Praxiskomponenten zur Anbindung an die Telematik-Infastruktur (TI) bestellt und bis zum 1. Juni 2019 auch installiert haben – sonst drohen Honorarabzüge von 1%. Der März-Termin muss der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung (KV) nachgewiesen werden. Aber bisher ist nur gut ein Drittel der in Frage kommenden Praxen aktiv geworden.

Die KBV wirbt für den Anschluss

„Ab einem bestimmten Datum müssen alle Praxen an die TI angeschlossen sein und als erste Anwendung das Versicherten-Stamm-Daten-Management (VSDM) durchführen können. Können sie das nicht, wird Vertragsärzten das Honorar um ein Prozent gekürzt (siehe § 291 Absatz 2b Satz 14 SGB V)“, so die Information der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) [1].

Nach dem Stamm-Daten-Management werde „das Speichern der Notfalldaten auf der eGK, die elektronische Patientenakte und ein elektronisches Patientenfach (…)  als weitere Anwendungen folgen“, so die KBV.

Alle Komponenten seien jetzt verfügbar und die TI mitten im Ausrollen, betont KBV-Vorstand Dr. Thomas Kriedel in einer Videobotschaft. Es gebe allerdings Probleme mit den Installationsterminen vor allem durch kleinere Hersteller. „Wir wissen nicht definitiv, ob die kleinen Hersteller es schaffen, den 30.6. als Termin zu halten“, heißt es.

 
Aus unserer Sicht wäre der Arzt dann von Sanktionen befreit, weil er seine Verpflichtung aus dem Gesetz erfüllt hat. Dr. Thomas Kriedel
 

Kriedels Rat: Noch in diesem Monat zum Hersteller gehen und bis Ende des 1.Quartals bestellen und dies auch der KV mitteilen. „Aus unserer Sicht wäre der Arzt dann von Sanktionen befreit, weil er seine Verpflichtung aus dem Gesetz erfüllt hat.“

Im Zweifel würde die KBV beim Bundesgesundheitsministerium um eine Ausnahme oder Verlängerung der Frist nachsuchen. Die Politik soll nach dem Willen Kriedels einzelnen KVen erlauben, in Einzelfällen auch selbst über Verlängerungen zu entscheiden.

Erst gut ein Drittel aller Praxen sind verbunden

Unterdessen zeigt sich, wie zäh der Prozess der Bestellung und Installation offenbar läuft. „Anfang des Jahres waren von rund 150.000 Arzt- und Zahnarztpraxen rund 50.000 am Netz“, so die Auskunft der KBV auf Anfrage. Die Gesellschaft für Telematik-Anwendungen der Gesundheitskarte mbH (gematik) gibt die Zahl der Anbindungen auf Anfrage mit aktuell 60.000 an.

Glaubt man den Vertretern der Freien Ärzteschaft (FÄ), von jeher erklärte Gegner der elektronischen Gesundheitskarte und der TI, dann lehnen viele Ärzte die Anbindung an die TI ab. So seien in den Praxen etwa in Westfalen Lippe gerade mal rund 40% der Praxen angeschlossen, in Nordrhein 30% und in Hamburg sogar nur 20%, sagte FÄ-Vorsitzender Dr. Wieland Dietrich, Hautarzt aus in Essen, zu Medscape.

 
Wir wissen nicht, wo unsere Daten bleiben. Dr. Silke Lüder
 

Die Ärzte seien aus guten Gründen skeptisch, wie die FÄ meint. Viele Ärzte zweifeln etwa an der Sicherheit der Patientendaten – so auch die Hamburger Hausärztin und FÄ-Vizevorsitzende Dr. Silke Lüder. „Wir wissen nicht, wo unsere Daten bleiben“, sagt Lüder zu Medscape. „Die von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn geplante Öffnung der TI für mobile Geräte kompromittiert die vorgebliche Sicherheit des Systems vollends.“

Tatsächlich heißt es in einer Erklärung des Bundesgesundheitsministeriums zum eben beschlossenen Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG): „Wer möchte, soll auch ohne den Einsatz der elektronischen Gesundheitskarte mit Smartphone oder Tablet auf medizinische Daten zugreifen können.“

Viele wählen lieber den Honorarabzug

„Viele Kolleginnen und Kollegen lassen sich nicht anschließen und nehmen den angekündigten Honorarabzug von einem Prozent in Kauf“, erklärt Dietrich. Er glaubt, dass das 1% an Strafzahlung nicht einmal so viel wäre wie die zusätzlichen Kosten, die eine Praxis für die Installation aller Komponenten ausgeben müsste. So gesehen könnte man also ruhig die Fristen verstreichen lassen.

„Denn zwar refinanzieren die Kassen die TI in den Praxen mit rund 2.800 Euro“, sagt Dietrich. „Ob die Hersteller aber mit der Pauschale zufrieden bleiben, wenn sie die Geräte reparieren oder bei Installation nachbessern müssen, ist eine andere Frage.“

Viele Ärzte werden also die TI in ihren Praxen nicht installieren und den Rechnungsabschlag in Kauf nehmen. Trotzdem werde er, wie viele andere Ärzte auch, gegen den Bescheid der Strafzahlungen Widerspruch einlegen und auch vor das Sozialgericht ziehen, sagt Dietrich.

Inzwischen handhaben Ärzte, die die TI bereits in ihren Praxen installiert haben, die Sache pragmatisch. Etliche seien von einer geplanten Installation zurückgetreten, berichtet Lüder. Andere waren den ersten Schritt gegangen und haben installiert – und traten dann zurück, sagt die Hausärztin: „Sie probierten das Stammdatenmanagement ein paar Mal aus und schalteten das System dann aus.“

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....