Die Therapie mit einem Statin allein reicht bei vielen Patienten nicht aus, um die LDL-Cholesterin-Ziele zu erreichen. Immer wieder klagen Patienten auch über Muskelbeschwerden und die maximale Statindosis kann nicht ausgereizt werden. Für solche Fälle könnte der ATP-Citrat-Lyase-Inhibitor Bempedoinsäure eine neue Option sein, um die Effektivität der Therapie zu erhöhen.
In der Phase-3-Studie CLEAR Harmony hatten Patienten, die den neuen Lipidsenker zusätzlich zur maximalen Statintherapie erhielten, einen signifikant niedrigeren LDL-Cholesterinspiegel als die Placebo-Gruppe – und dies ohne mehr Nebenwirkungen. Dies berichtet eine Arbeitsgruppe um Prof. Dr. Kausik K. Ray vom Imperial Centre for Cardiovascular Disease Prevention am Imperial College London im New England Journal of Medicine [1].
An die Wirksamkeit anderer Lipidsenker, die bereits zur Ergänzung der Statintherapie eingesetzt werden, reicht die Wirksamkeit von Bempedoinsäure allerdings nicht heran. „Der Effekt auf das LDL-Cholesterin ist mit einer Reduktion um 16,5% moderat“, urteilt Prof. Dr. Oliver Weingärtner, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Gesellschaft zur Bekämpfung von Fettstoffwechselstörungen und ihren Folgeerkrankungen DGFF (Lipid-Liga), im Gespräch mit Medscape. „Da lässt sich mit PCSK9-Inhibitoren, die das LDL-Cholesterin im Schnitt halbieren, aber auch mit Ezetimib mehr erreichen.“

Prof. Dr. Oliver Weingärtner
Cholesterinsenkung muss nicht vor Herzinfarkt schützen
Der am Universitätsklinikum Jena in der Interventionellen Kardiologie, Angiologie und Lipidologie tätige Oberarzt erinnert außerdem daran, dass eine Verbesserung des Lipidprofils nicht unbedingt zu einer Reduktion harter kardiovaskulärer Endpunkte führt. „Während es für PCSK9-Inhibitoren und Ezetimib bereits Endpunktstudien gibt, steht der Beweis, dass Bempedoinsäure Schlaganfall, Herzinfarkt und Tod reduziert noch aus.“
In der CLEAR-Harmony-Studie wurden 2.230 Patienten mit hohem kardiovaskulären Risiko und LDL-Cholesterin-Ausgangswerten über 70 mg/dl trotz einer hoch dosierten Statintherapie untersucht. Sie erhielten 52 Wochen lang zusätzlich zum Statin entweder Bempedoinsäure in einer Dosierung von 180 mg am Tag oder ein Placebo.
Verbessertes Lipidprofil
Zu Studienbeginn lag der LDL-Cholesterinwert im Mittel bei 103,2 mg/dl. In der mit Bempedoinsäure behandelten Gruppe sank das LDL-Cholesterin bis Woche 12 um 16,5% und damit signifikant stärker als in der Placebo-Gruppe (-1,6%). Nach 24 Wochen waren die LDL-Cholesterin-Werte in der Bempedoinsäure-Gruppe im Vergleich zu den Ausgangswerten um 14,9% geringer (Placebo: -1,2%). Und nach 52 Wochen betrug die Cholesterinsenkung unter Bempedoinsäure noch 12,6% und war immer noch signifikant stärker als in der Placebo-Gruppe (-1,0%).
Auch das Non-HDL-Cholesterin, das Gesamtcholesterin, das Apolipoprotein B und das hochsensitive C-reaktive Protein senkte Bempedoinsäure im Vergleich zu Placebo signifikant.
Selbst wenn das Medikament eine im Vergleich zu anderen Therapieoptionen nur moderate Wirksamkeit aufweist, kann es aber offenbar mit einer guten Verträglichkeit aufwarten. Nebenwirkungen seien in der Summe nicht häufiger aufgetreten als mit Placebo, berichten Ray und seine Kollegen. Nur die Inzidenz von Nebenwirkungen, die zum Therapieabbruch führten, sei in der Bempedoinsäure-Gruppe höher gewesen als in der Placebo-Gruppe.
Nicht mit Muskelbeschwerden assoziiert
„Von besonderer Wichtigkeit ist, dass Bempedoinsäure offenbar nicht mehr Muskelbeschwerden verursacht als Placebo“, betont Weingärtner gegenüber Medscape. In beiden Gruppen traten relevante Muskelbeschwerden wie Myalgie und Muskelschwäche gleich häufig auf und auch der Prozentsatz an Patienten, die die Therapie aufgrund von Muskelbeschwerden abbrachen, war in beiden Gruppen gleich hoch.
Dieser Sicherheitsnachweis war wichtig, da Bempedoinsäure am gleichen Signalweg ansetzt wie Statine. „Aber damit Bempedoinsäure wirken kann, muss das Medikament zunächst in eine aktive Form umgewandelt werden und das hierfür erforderliche Enzym ist im Skelettmuskel nicht vorhanden, so dass die Substanz nur in der Leber wirkt“, erklärt Weingärtner.
Nebeneffekte
Ray und seine Kollegen weisen darauf hin, dass es unter Bempedoinsäure zu einem geringen, aber signifikanten Anstieg der Gicht-Diagnosen gekommen sei. Das Diabetes-Risiko – das unter einer langfristigen Statintherapie bekanntlich geringfügig ansteigt – wurde dagegen durch die zusätzliche Gabe von Bempedoinsäure sogar signifikant gesenkt.
Während Weingärtner die Zunahme bei den Gicht-Diagnosen als „kleineres Problem“ einstuft – bei Problemen könne man die Bempedoinsäure absetzen – findet er die Senkung des Diabetes-Risikos „spannend, da sie gegenläufig zum Statineffekt ist“. Die Ursachen für beide Befunde sind allerdings noch unbekannt.
Die ATP-Citrat-Lyase ist an der Cholesterinsynthese beteiligt, der HMG-CoA-Reduktase (HMGCR), dem Target von Statinen, ist sie vorgeschaltet. In einer Genstudie zeigte sich bereits, dass genetische Varianten, die den Effekt von ATP-Citrat-Lyase-Inhibitoren sowie von HMGCR-Inhibitoren (Statinen) imitieren, vergleichbare Effekte haben. Sie reduzierten das LDL-Cholesterin über den gleichen Wirkmechanismus und waren pro Einheit Abnahme des LDL-Cholesterins mit den gleichen Effekten auf das kardiovaskuläre Risiko assoziiert.
Endpunktstudien abwarten
Ob Bempedoinsäure künftig neben PCSK9-Inhibitoren und Ezetimib eine weitere Option im Armamentarium für die LDL-Cholesterinsenkung sein wird, werden aber erst die Ergebnisse der Endpunktstudie CLEAR Outcomes zeigen.
Doch für Weingärtner ist bereits heute klar: „Ich würde immer zuerst Ezetimib dazugeben, wenn das Statin nicht ausreicht, weil es den Cholesterinwert stärker senkt und als Generikum günstiger ist als PCSK9-Inhibitoren. Aber wenn auch das nicht ausreicht, könnte man dann in der Individualtherapie Bempedoinsäure als drittes Medikament dazugeben, speziell auch wenn man die Statindosis reduzieren musste, weil Muskelbeschwerden aufgetreten sind.“
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Diesen Artikel so zitieren: Phase-3-Studie mit alternativem Cholesterinsenker additiv zum Statin: Moderate LDL-Senkung ohne mehr Nebenwirkungen - Medscape - 26. Mär 2019.
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