Beschichtete Stents: Kann ASS nach kurzer Zeit abgesetzt werden – bei gleichem Schutz und weniger Blutungen?

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

25. März 2019

New Orleans – Die aktuellen Leitlinien empfehlen nach der Implantation eines Stents über mindestens 12 Monate eine duale Plättchenhemmung (DAPT) mit Acetylsalicylsäure (ASS) und einem P2Y12-Inhibitor wie Clopidogrel. Aber stellt diese Kombinationstherapie bei Verwendung der neueren, medikamentenbeschichteten Stents (Drug Eluting Stents, DES) tatsächlich noch das optimale Vorgehen dar?

Zwei bei den ACC Scientific Sessions 2019 in New Orleans vorgestellte Studien sprechen dafür, dass hier nach einer kurzzeitigen dualen Plättchenhemmung ASS abgesetzt werden kann – ohne den Schutz vor ischämischen Ereignissen zu gefährden und mit dem zusätzlichen Nutzen geringerer Blutungsraten [1].

Sind 12 Monate ASS wirklich erforderlich?

Dr. Hirotoshi Watanabe von der Kyoto University Graduate School of Medicine berichtete über die Ergebnisse der STOPDAPT-2-Studie: „Nach der Implantation eines mit Everolimus beschichteten Stents erreichten die Patienten seltener den kombinierten primären Endpunkt aus kardiovaskulär bedingtem Tod, Herzinfarkt, Stent-Thrombose, Schlaganfall und schweren Blutungen, wenn ASS bereits nach einem Monat abgesetzt und nur die Clopidogrel-Therapie weitergeführt wurde.“

Dr. Hirotoshi Watanabe

Eine zweite Variante der Plättchenhemmung nach Stentimplantation erprobten Wissenschaftler um Prof. Dr. Joo-Yong Hahn von der Sungkyunkwan University School of Medicine in Seoul, Südkorea. In der SMART-CHOICE-Studie zeigte sich, dass auch das Absetzen von ASS nach 3 Monaten Vorteile bringt – weniger kardiovaskulär bedingte Todesfälle, Herzinfarkte und Schlaganfälle und weniger Blutungsereignisse.

STOPDAPT-2: Verzicht auf ASS nach einem Monat

In die STOPDAPT-2-Studie wurden 3.009 Patienten eingeschlossen, die an 89 Kliniken in Japan einen DES erhalten hatten. Im ersten Monat nach der Implantation erhielten alle Patienten eine duale Plättchenhemmung mit ASS plus Clopidogrel oder Prasugrel. Die eine Hälfte der Patienten setzte danach ASS ab und nahm nur Clopidogrel weiter (Prasugrel-Patienten wurden auf Clopidogrel umgestellt), die andere Hälfte nahm weiter beide Medikamente ein.

Prof. Dr. Joo-Yong Hahn

Von den Patienten, die ASS nur einen Monat genommen hatten, erreichten 2,4% den primären Endpunkt der Studie – kardiovaskulär bedingter Tod, Herzinfarkt, Stent-Thrombose, Schlaganfall und schwere Blutungen. In der Gruppe mit standardmäßiger dualer Plättchenhemmung über die gesamten 12 Monate waren es 3,7%.

Auch die Blutungsrate – separat analysiert – war signifikant niedriger, wenn nach einem Monat auf ASS verzichtet wurde. In der Gruppe, die nur einen Monat ASS einnahm, traten bei 0,4% der Patienten schwere Blutungen auf, in der Gruppe mit Standardtherapie dagegen bei 1,5%. Und das frühzeitige Absetzen von ASS führte nicht zu einem Anstieg ischämischer Ereignisse, genauer gesagt kardiovaskulär bedingtem Tod, Herzinfarkt, Stent-Thrombose oder Schlaganfall.

„Unseren Ergebnissen zufolge könnte eine einmonatige duale Plättchenhemmung gefolgt von einer Monotherapie mit Clopidogrel eine gute Option nach Implantation eines beschichteten Stents sein – mit dem Vorteil, dass weniger Blutungen auftreten“, resümierte Watanabe.

Übertragbarkeit auf Hochrisikopatienten noch unklar

Er schränkt allerdings ein, dass die meisten Studienteilnehmer ein geringes oder mittleres Risiko für ischämische Ereignisse gehabt hätten. Man wisse deshalb nicht, ob sich die Studienergebnisse auch auf Hochrisikopatienten übertragen ließen. Um diese Frage zu beantworten, werden derzeit weitere Patienten in die STOPDAPT-2-ACS-Studie eingeschlossen, und zwar speziell solche mit akutem Koronarsyndrom.

Auch die übrigen Studienteilnehmer werden weiter beobachtet. Die Patienten in der Gruppe, die ASS nach einem Monat absetzte, nehmen weiterhin Clopidogrel. Und die Patienten in der Gruppe mit durchgehender dualer Plättchenhemmung setzten Clopidogrel nach 12 Monaten ab, nehmen aber weiter ASS. Das Ziel ist eine Nachbeobachtung bis zu 5 Jahre nach der Implantation des Stents.

SMART-CHOICE: Verzicht auf ASS nach 3 Monaten

Das Absetzen von ASS nach 3 Monaten resultiert offenbar in ganz ähnlichen Ergebnissen wie das Absetzen nach einem Monat, wie beim Kongress dem Vortrag von SMART-CHOICE-Erstautor Hahn zu entnehmen war.

Die südkoreanischen Wissenschaftler ließen Patienten nach der Implantation eines beschichteten Stents 3 Monate lang eine duale Plättchenhemmung einnehmen. Danach setzte eine Hälfte der Patienten ASS ab, nahm aber den P2Y12-Inhibitor – in diesem Fall Clopidogrel, Prasugrel oder Ticagrelor – weiter.

An der SMART-CHOICE-Studie nahmen 2.993 Patienten teil, denen an 33 Kliniken in Südkorea bei einer PCI ein beschichteter Stent eingesetzt worden war. Nach einem Jahr waren in der Gruppe, die ASS frühzeitig abgesetzt hatte, bei 2,9% der Patienten ein primäres Endpunktereignis eingetreten – Tod egal welcher Ursache, Herzinfarkt oder Schlaganfall. In der Gruppe mit Standardtherapie lag die Rate bei 2,5%.

Außerdem reduzierte auch in dieser Studie das Absetzen von ASS die Blutungsrate um etwa 40%. Während von den Patienten, die nur 3 Monate ASS nahmen, 2% eine schwere Blutung entwickelten, waren es in der Standardtherapie-Gruppe 3,4%. Und auch hier war die Netto-Komplikationsrate – sei es Tod, Herzinfarkt, Schlaganfall oder Blutungen – in den beiden Gruppen nicht signifikant verschieden.

Gilt für alle P2Y12-Inhibitoren

Auch wenn etwas mehr als 3 Viertel der Studienteilnehmer Clopidogrel, den gebräuchlichsten P2Y12-Inhibitor nahmen: „Das Design von SMART-CHOICE war dahingehend einzigartig, dass es alle Arten von P2Y12-Inhibitoren – Clopidogrel, Prasugrel und Ticagrelor – einschloss“, betonte Hahn. „Deshalb gehen wir davon aus, dass unsere Studie im Vergleich zu anderen Studien, die eine P2Y12-Inhibitor-Monotherapie nach PCI untersuchten, besser verallgemeinerbare Antworten liefert.“

Als nächstes wollen Hahn und seine Kollegen unter anderem untersuchen, ob die Art des verwendeten P2Y12-Inhibitors möglicherweise einen Effekt auf die Ergebnisse hat.

Risiken gekonnt ausbalancieren

„Unsere Studie zeigt, dass eine Monotherapie mit einem P2Y12-Inhibitor nach einer kurzfristigen dualen Plättchenhemmung eine neue Strategie ist, um die Risiken für ischämische Ereignisse und Blutungen bei Patienten, die sich einer perkutanen Koronarintervention unterziehen, auszubalancieren“, sagte Hahn.

 
Bei den meisten Patienten, die einen medikamentenbeschichteten Stent der neuesten Generation erhalten, kann ASS nach einiger Zeit abgesetzt werden … Prof. Dr. Joo-Yong Hahn
 

Die Ergebnisse sprächen – wenn sie sich in anderen Studien bestätigten – dafür, meint er, dass „bei den meisten Patienten, die einen medikamentenbeschichteten Stent der neuesten Generation erhalten, ASS nach einiger Zeit abgesetzt werden kann, speziell wenn ein erhöhtes Blutungsrisiko vorliegt oder die Patienten eine stabile ischämische Herzerkrankung aufweisen“.

Kein definitiver Beweis

In einem Interview mit ESC TV warnte Prof. Dr. Sunil V. Rao vom Duke University Hospital, Durham, USA, allerdings davor, die Studie als definitiven Beweis dafür anzusehen, dass ASS nach 3 Monaten abgesetzt werden könne. Der interventionelle Kardiologe wies darauf hin, dass die Studie Limitationen habe, die ihre Beweiskraft einschränkten: „Bei der Planung der Studie ging man davon aus, dass die Ereignisrate unter Standardtherapie bei 4% liegen würde, danach wurde auch die einzuschließende Patientenzahl bestimmt. Doch in Wirklichkeit erreichten in der Standardtherapie-Gruppe nur 2,5% der Patienten den primären Endpunkt“, erklärte Rao.

Darüber hinaus, seien die Therapiestrategien nicht so strikt eingehalten worden, wie man es sich von einer randomisierten Studie eigentlich wünsche. „Zwischen 9 und 14 Prozent der Patienten, die auf die Gruppe mit dreimonatiger ASS-Therapie randomisiert worden waren, nahmen über diesen Zeitraum hinaus noch ASS ein.“

 
Bei einigen ausgewählten Patienten ist eine kürzere Therapie mit ASS wahrscheinlich sicher. Prof. Dr. Sunil V. Rao
 

Die klinischen Implikationen der Studienergebnisse sieht er deshalb differenziert: „Bei einigen ausgewählten Patienten ist eine kürzere Therapie mit ASS wahrscheinlich sicher“, aber um eine definitive Antwort zu erhalten, ob dies für alle Patienten gelte, sei eine „größere Studie erforderlich, oder zumindest eine gepoolte Analyse der Studien, die sich eine ASS-Therapieverkürzung angesehen haben“.

 

Kommentar

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