München – Akute Exazerbationen verschlechtern die Prognose von Patienten mit idiopathischer Lungenfibrose (IPF) dramatisch. Deshalb sollte jede Anstrengung unternommen werden, solche Akutereignisse zu verhindern.
Die aktuell gültige Definition der IPF-Exazerbation ist wie bei vielen Lungenerkrankungen etwas schwammig, befand Prof. Dr. Michael Kreuter, Thoraxklinik am Universitätsklinikum Heidelberg, beim Deutschen Pneumologiekongress 2019 in München [1]. Danach kennzeichnet die Exazerbation eine akute, klinisch relevante respiratorische Verschlechterung, die mit ausgedehnten neuen alveolären Strukturanomalien einhergeht.
Eine hochauflösende Computertomografie (CT) ist Pflicht, um typische bilaterale Milchglas-ähnliche Veränderungen und/oder Konsolidierungen nachzuweisen. Dabei sollte ausgeschlossen werden, dass die Symptome auf kardiale Begleiterkrankungen zurückzuführen sind. Meist ist die IPF bei diesen Patienten bereits bekannt, die akute Exazerbation kann in Einzelfällen aber auch den Anstoß zur Diagnose liefern.
Eine so schlechte Prognose wie die IPF-Exazerbation haben selbst Krebserkrankungen selten. Die Chance, dass ein Patient das erste Jahr danach nicht überlebt, liegt bei 80 bis 90%. Mehr als die Hälfte stirbt noch im Krankenhaus, die mediane Überlebensdauer beträgt gerade mal 2,2 Monate.
„Akute Exazerbationen sind bei IPF der stärkste Prädiktor der Mortalität“, betonte Kreuter. Eine Post-hoc-Analyse der Studien zu den antifibrotisch wirksamen Medikamenten bestätigt das: Eine Exazerbation verzehnfacht das Sterberisiko – mehr als Alter, Rauchen und schlechte Lungenfunktion.
Nicht jede Exazerbation kommt einem Todesurteil gleich. „Es gibt Patienten, denen verschreibt man akut ein Steroid, und dann passiert nie wieder etwas. Aber das ist die absolute Ausnahme.“ Ein gutes Zeichen scheint zu sein, wenn die Exazerbation so mild bleibt, dass der Patient ambulant behandelt werden kann.
Offenbar gibt es eine frühe Form der Exazerbation, die – wenn schnell therapiert – eine bessere Prognose hat. Gemeinhin gilt aber: Ein Patient, der eine akute Exazerbation durchmacht, wird hinterher keine Restitutio ad integrum erleben. Die Regel ist ein massives Fortschreiten von Lungenvernarbung und Funktionsverlust.
Trigger Virusinfekt: Händehygiene ist essenziell
Wenn akute Exazerbationen für Patienten so gefährlich sind, sollte alles versucht werden, potenzielle Trigger zu meiden. Das stellt sich oft gar nicht so einfach dar. Einem Virusinfekt im Winter aus dem Weg zu gehen, ist nahezu unmöglich, will man den Patienten nicht daheim einmauern mit Besuchsverbot. Hygiene spielt hier eine zentrale Rolle, denn die Übertragung erfolgt neben der Tröpfcheninfektion vor allem durch kontaminierte Hände.
In der Exazerbation lässt sich außerdem eine erhöhte Bakterienlast in der Lunge nachweisen, zugleich könnte auch mangelnde Diversität des pulmonalen Mikrobioms eine Rolle spielen. „Das ist einer der Gründe, weshalb ich keinem meiner IPF-Patienten mehr die Hand gebe – damit ich das, was ich vom Vorgänger aufgeschnappt habe, nicht weitergebe“, meinte Kreuter.
Schutz bieten außerdem die üblichen Schutzimpfungen, die die STIKO für chronisch (Lungen-)Kranke empfiehlt, allen voran gegen Influenza und Pneumokokken. Wie gut die beiden Antifibrotika Nintedanib und Pirfenidon vor Exazerbationen schützen, lässt sich aus den bisherigen Daten nicht abschließend beurteilen.
Weitere potenzielle Trigger sind Mikroaspirationen im Rahmen einer gastroösophagealen Refluxkrankheit, detektierbar durch Pepsinnachweis in der bronchoalveolären Lavage, Immunsuppression oder Chemotherapie. Und ganz wichtig: mechanische Manipulationen am Lungengewebe, sei es durch eine Thoraxoperation, durch Bronchoskopie oder Biopsieentnahme. Auch Intubation und Beatmung können die IPF exazerbieren lassen.
Operationen und Beatmung können Exazerbationen auslösen
Es gibt zwar nicht viele Daten zu transbronchialen Biopsien oder Kryobiopsien, aber zur chirurgischen Lungenbiopsie, die aus eben diesem Grund in der Diagnostik interstitieller Lungenerkrankungen zumindest in Europa nicht mehr empfohlen wird.
Das zeigt, in welchem Dilemma Arzt und Patient häufig stecken. Patienten mit IPF entwickeln zum Beispiel überdurchschnittlich Bronchialkarzinome. „Wenn Sie diese Patienten zum Chirurgen schicken, wird die akute Exazerbation mit extrem hoher Wahrscheinlichkeit eintreten“, so Kreuter.
Natürlich gibt es Situationen, in denen an einer Operation kein Weg vorbei führt. Es gibt Überlegungen, ob sich das Exazerbationsrisiko durch perioperative Gabe von Antifibrotika senken lässt. Auch der Einsatz von Steroiden wird diskutiert, „aber ich persönlich würde davon lieber abraten“.
Außerdem sollte man mit dem Anästhesisten sprechen, dass er hohe Beatmungsdrücke und hohe O2-Konzentrationen unbedingt vermeidet. Denn beides kann hohe Zytokinfreisetzung induzieren, die dann zur Exazerbation führt. Empfohlen wird außerdem ein restriktives Flüssigkeitsmanagement, auch wenn die Datenlage dazu noch spärlich ist.
Wenn ein IPF-Patient mit klinischen Symptomen kommt, die auf eine Exazerbation hinweisen, „brauchen Sie rasch ein HR-CT – da hilft Ihnen kein Labortest und kein Biomarker“, betonte Kreuter. Natürlich sind zuvor wichtige Differenzialdiagnosen wie Lungenembolie, Herzinfarkt oder Herzinsuffizienz auszuschließen.
Exazerbationstherapie ist derzeit ein schwarzes Loch
Das Problem: Wie akute Exazerbationen bei IPF optimal behandelt werden sollten, weiß niemand. Keine Therapie hat sich bisher als durchschlagend effektiv erwiesen. Die aktuelle Leitlinie, auch schon 8 Jahre alt, gibt lediglich eine schwache Empfehlung für Steroide ab, wobei Dosierung, Applikationsweg und Dauer der Gabe völlig im Dunkeln liegen.
Erprobt wird derzeit vieles. Die Palette reicht von antiviralen Wirkstoffen wie Ganciclovir über das unvermeidliche Azithromycin bis hin zur B-Zelldepletion mit Rituximab. Prospektive Studien dazu fehlen.
Was man den Patienten definitiv anbieten sollte, ist High-flow-O2, auch wenn das in scheinbarem Widerspruch zu dem oben genannten steht. „Die Patienten sind schwerst symptomatisch und haben große Angst zu ersticken“, sagte Kreuter. „Meine klinische Erfahrung zeigt, dass das hilft.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Akute Exazerbation – lebensbedrohliche Komplikation der idiopathischen Lungenfibrose - Medscape - 25. Mär 2019.
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