Bei der topischen Therapie multipler aktinischer Keratosen am Kopf ist eine 5%ige Fluorouracil-Creme 12 Monate nach Behandlungsende wirksamer als Imiquimod, Methylamino-Lävulinsäure zur photodynamischen Therapie (MAL-PDT) oder Ingenolmebutat.
Das berichtet Dr. Maud H. E. Jansen von der Abteilung für Dermatologie, Maastricht University Medical Center, zusammen mit ihren Kollegen im New England Journal of Medicine [1]. Basis war eine randomisierte Vergleichsstudie mit 624 Patienten.
„Für die Studie spricht, dass es sich um einen Head-to-Head-Vergleich verschiedener Behandlungsoptionen handelt, die alle auch in Deutschland von Bedeutung und zugelassen sind“, sagt Prof. Dr. Carola Berking zu Medscape. Sie ist Oberärztin an der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Allergologie, Klinikum der Universität München (LMU). Außerdem koordiniert sie zusammen mit Kollegen die S3-Leitlinie „Aktinische Keratose und Plattenepithelkarzinom der Haut“.
Berking lobt zudem: „Weitere Pluspunkte sind der prospektive Ansatz und die Industrieunabhängigkeit.“ Meist gebe es nur Zulassungsstudien mit einem Vergleichsarm, oft Diclofenac als der am schwächsten wirksamen Substanz oder Placebo.
Auch die Strategie, in allen 4 Armen zu Beginn eine Kürettage durchgeführt zu haben, bewertet Berking als Stärke: „Bei früheren PDT-Studien wurde oft kritisiert, dass die Kürettage als Bestandteil des Protokolls womöglich großen Einfluss auf den Behandlungserfolg hat.“ Jansen und ihre Kollegen hätten hier einen möglichen Bias bezüglich der Vergleichbarkeit der medikamentösen Verfahren untereinander ausgeschlossen.
Aber die Expertin kritisiert auch, dass Angaben zur „participant complete clearance“ und „lesion complete clearance“, also zur kompletten Abheilung bezogen auf Teilnehmer bzw. auf Läsionen, fehlten. Dies entspreche nicht den Standards von Zulassungsstudien und mache direkte Vergleiche schwierig.
Für die Bewertung von Methoden in der täglichen Praxis kämen außerdem noch Aspekte der Behandlungsfläche, die in der Regel 25 cm2 übersteige, der Praktikabilität (Applikation durch Behandler oder Patient, Häufigkeit der Anwendung) sowie der Wirkstoffart (z.B. Chemotherapeutikum versus Immunmodulation) hinzu. Diese Aspekte haben Jansen und ihre Kollegen nicht bewertet.
Keine klaren Empfehlungen zur Therapie der aktinischen Keratosen
Die aktinische Keratose ist die häufigste prämaligne Hauterkrankung. Betroffen sind laut Angaben der European Skin Cancer Foundation vor allem hellhäutige Männer ab dem 50. Lebensjahr.
„Zur Epidemiologie von aktinischen Keratosen gibt es kaum belastbare Daten“, heißt es in der Leitlinie „Aktinische Keratosen und Plattenepithelkarzinom der Haut“ (Konsultationsfassung). Man geht davon aus, dass aktuell in Deutschland 1,7 Millionen Menschen aufgrund von aktinischen Keratosen in dermatologischer Behandlung sind. Die Anzahl der Patienten, die wirklich an aktinischen Keratosen erkrankt sind, liegt jedoch wesentlich höher und wird in den nächsten Jahren entsprechend der Bevölkerungsstruktur weiter ansteigen.
„In den aktuellen Richtlinien werden keine klaren Empfehlungen gegeben, welche Behandlung bevorzugt wird“, schreiben Jansen und ihre Kollegen. Berking bestätigt dies gegenüber Medscape.
Studie vergleicht 4 häufige Therapieoptionen bei 624 Patienten
Deshalb untersuchten die Autoren die Wirksamkeit von 4 häufig angewandten Therapien bei 624 Patienten mit klinisch nachgewiesener aktinischer Keratose am Kopf. Die Läsionen dehnten sich über eine zusammenhängende Fläche von 25 bis 100 cm² aus. Alle Studienteilnehmer wurden 1:1:1:1 den 4 Therapiegruppen zugeordnet:
5% Fluorouracil-Creme über 4 Wochen,
5% Imiquimod-Creme über 4 Wochen,
Methylaminolevulinat (MAL)-PDT-Phototherapie (1 Zyklus) oder
0,015% Ingenolmebutat-Gel über 3 Tage.
Die Forscher bestimmten die Anzahl und das Ausmaß aktinischer Keratoseherde zu Studienbeginn und 3 bzw. 12 Monate nach Ende der Therapie. Alle Läsionen wurden mit ihrer genauen Position auf einer transparenten Folie unter Verwendung physikalischer Referenzpunkte als Orientierungspunkte erfasst. Die Schwere jeder Läsion bewertete man mit der Klassifizierung nach Olsen.
12 Monate nach Therapieende fanden die Autoren statistisch signifikante Unterschiede beim Behandlungserfolg nach Gabe von Fluorouracil (74,7%) versus Imiquimod (53,9%) versus MAL-PDT (37,7%) versus Ingenolmebutat (28,9%).
Im Vergleich zu Fluorouracil betrug die Hazard-Ratio für ein Therapieversagen 2,03 mit Imiquimod, 2,73 mit MAL-PDT und 3,33 mit Ingenolmebutat. Es wurden keine unerwarteten toxischen Wirkungen dokumentiert.
„Unsere Ergebnisse könnten die Behandlungsentscheidungen sowohl in der Dermatologie als auch in der Primärversorgung beeinflussen“, schreiben Jansen und ihre Kollegen. „Aus Kostengesichtspunkten ist Fluorouracil auch die attraktivste Option.“ Sie erwarten, dass einheitlichere Therapien mit mehr Fluorouracil zu deutlichen Einsparungen führen könnten.
Empfehlungen für die Praxis
Auch in Deutschland gab es Wissenslücken bei der Therapie der aktinischen Keratose. Deshalb haben die Deutsche Dermatologischen Gesellschaft (DDG) und die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) eine S3-Leitlinie entwickelt. Basis sind über 300 Publikationen systematisch ausgewertet, darunter waren fast 100 randomisierte kontrollierte Studien und Metaanalysen. Experten, aber auch Betroffene und Interessierte konnten den Entwurf bis zum 5. Februar 2019 kommentieren.
„Dies Studie von Jansen et al. wurde in der neuen Leitlinie noch nicht berücksichtigt, wir werden sie jedoch beim Update berücksichtigen“, so Berking. Aktuell gebe es kaum Head-to-Head-Vergleiche. „Deshalb haben wir kein hierarchisches Verfahren zur Auswahl von Therapien angegeben.“
Die Expertin rät Kollegen, weitere Aspekte beim Behandlungsregime einzubeziehen, allen voran die Praktikabilität: „Bei der konventionellen PDT führt ein Arzt die Therapie aus, bei allen anderen Methoden müssen Patienten die Präparate unterschiedlich lang und unterschiedlich häufig selbst anwenden.“
Gerade alten, multimorbiden Patienten falle es oft schwer, Cremes oder Gele regelmäßig aufzutragen. Und bei Fluorouracil sei der zeitliche Aufwand – verglichen mit anderen topischen Zubereitungen – am größten.
Hinsichtlich des kosmetischen Erfolgs habe Fluorouracil nicht besser abgeschnitten, sondern geringfügig schlechter. „Solche Aspekte wird ein Behandler in seine Überlegungen immer mit einbeziehen“, resümiert die Expertin. „Daran wird sich auch mit der Studie nichts ändern.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Aktinische Keratose: Großer Therapie-Vergleich – welche Behandlung ist die beste? Pluspunkte für Fluorouracil - Medscape - 22. Mär 2019.
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