New Orleans – Werden kardiale Schrittmacher-Systeme in eine resorbierbare Hülle gepackt, die Antibiotika freisetzt, sinkt das relative Risiko für eine Implantat-assoziierte Infektion in den ersten 12 Monaten nach dem Eingriff um 40%. Das klingt imposant, ist doch die Infektion solcher Implantate eine gefürchtete Komplikation. Allerdings: Absolut nimmt das Infektionsrisiko nur um 0,5% ab – von 1,2 auf 0,7%.

Dr. Khaldoun G. Tarakji
Dies ergab die randomisierte kontrollierte WRAP-IT Studie (Worldwide Randomized Antibiotic EnveloPe Infection PrevenTion Trial), deren Ergebnisse Dr. Khaldoun G. Tarakji, Abteilung für kardiale Elektrophysiologie am Cleveland Clinic Heart and Vascular Institute, bei der Jahrestagung 2019 des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans vorgestellt hat und die parallel im New England Journal of Medicine publiziert worden sind [1,2].
200.000 US-Dollar, um eine Infektion zu verhindern
„Die Infektionsrate insgesamt war niedriger als erwartet“, berichtete Tarakji. Dies sei der guten Arbeit in den beteiligten Zentren zu verdanken. Dennoch sei die Infektionsrate durch die antibiotische Hülle nochmals signifikant gesenkt worden. „Und wir sahen keine Zunahme an Komplikationen durch die Hülle, was bedeutet, dass sie in der Anwendung sicher ist.“
Sein Fazit: „Diese Studie liefert umfassende Daten zu Infektionen durch kardiale Schrittmachersysteme und eine starke Evidenz für den Einsatz der TYRX-Hülle zur Infektionsprävention bei diesen Patienten.“
Dr. John M. Mandrola, Medscape-Kardiologie-Blogger aus Louisville, Kentucky, kommentiert dies kritisch: „In einer Studie mit fast 7.000 Patienten verhinderte die Hülle 17 Infektionen. Dies ist der klassische Fall einer hohen relativen Risikoreduktion (40%) bei einer kleinen absoluten Risikoreduktion um 0,5 Prozentpunkte.“
Sowohl Mandrola als auch Prof. Dr. Dhanunjaya Lakkireddy, Kansas City, ACC-Experte bei der Kongress-Pressekonferenz, errechneten hieraus, dass bei einer Number Needed to Treat (NNT) von 200 um eine Infektion zu verhindern und einem Preis für die Hülle von rund 1.000 US-Dollar eine Investition von 200.000 US-Dollar erforderlich ist, um eine einzige Infektion zu vermeiden. Die Frage sei, ob das nicht kostengünstiger ginge.
Infektionen belasten Patienten und Gesundheitssystem
Jedes Jahr erhalten weltweit etwa 1,5 Millionen Patienten ein kardiales Schrittmachersystem implantiert, wie einen Schrittmacher, ein CRT zur kardialen Resynchronisationtherapie oder einen implantierbaren Kardioverter-Defibrillator (ICD). Diese Implantate haben das Leben von Millionen Menschen verbessert und verlängert.
Allerdings besteht trotz Antibiotika-Prophylaxe und bester chirurgischer Praktiken das Risiko einer Implantat-assoziierten Infektion. Bei 1 bis 4% der Patienten tritt nach dem Eingriff eine Infektion auf, meist in den ersten 12 Monaten.
Wie Tarakji erläuterte, besteht bei jeder Prozedur am Implantat, beispielsweise auch bei einem Batteriewechsel, ein Infektionsrisiko. „Die Infektionsrate ist zwar gering, aber die Folgen sind schwerwiegend.“ Eine Infektion erfordere die Entfernung des Systems und eine lange Antibiotika-Therapie mit langem Krankenhausaufenthalt.
Sie gehe mit erhöhter Morbidität und Letalität einher. Die 30-Tage-Sterblichkeit beträgt 4 bis 5%. Die zusätzlichen Behandlungskosten liegen zwischen 44.000 und 83.000 US-Dollar. Nur für die präoperative Antibiotikagabe wurde bislang gezeigt, dass sie das Infektionsrisiko senken kann.
Gewebehülle setzt Antibiotika frei
TYRX ist eine absorbierbare, Antibiotika-haltige Gewebehülle, die das Device in der subkutanen Tasche stabilisiert und die Antibiotika Rifampicin und Minocyclin über 7 Tage freisetzt. Rund 9 Wochen nach der Implantation ist die Hülle vollständig abgebaut und resorbiert.
In der von Medtronic finanzierten randomisierten und kontrollierten klinischen Studie wurden die Wirksamkeit und Verträglichkeit von TYRX bei 6.983 Patienten in 181 Zentren in 25 Ländern untersucht, bei denen ein Herzimplantat neu eingesetzt oder ersetzt wurde, eine Taschenrevision, ein Batteriewechsel oder ein System-Upgrade durchgeführt wurden.
Bei allen Patienten wurde eine Standard-Infektionsprävention durchgeführt. Primärer Endpunkt der Studie war die Rate an schweren Infektionen innerhalb von 12 Monaten, die zu einer System-Entnahme oder -Revision führten, eine Langzeitantibiotika-Therapie erforderlich machten oder zum Tod führten.
3.495 Patienten erhielten eine TYRX-Hülle, 3.488 wurden ohne Hülle versorgt. Das Durchschnittsalter lag bei 70 Jahren, 72% waren Männer. Die demographischen Parameter und das Vorgehen bei der Implantation waren in beiden Gruppen vergleichbar. In der Kontrollgruppe nahmen mit 2,4% mehr Patienten Immunsuppressiva als in der Verumgruppe (1,4%).
Verpackung senkt Infektionsrate
„Der primäre Endpunkt der WRAP-IT wurde erreicht“, verkündete Tarakji. Eine Infektion in den ersten 12 Monaten erlitten 25 Patienten (0,7%) in der TYRX-Gruppe und bei 42 Patienten (1,2%) in der Kontrollgruppe. Dies bedeutet eine Senkung des Infektionsrisikos um 40% (Hazard Ratio: 0,60; p = 0,04). Der Effekt war in allen Subgruppen nachweisbar.
Bei den Patienten der Verumgruppe wurde vor allem das Risiko für Tascheninfektionen um 61% vermindert, während Bakteriämien oder eine Endokarditis mit 0,3% häufiger waren als in der Kontrollgruppe mit 0,2% (HR: 1,57). Der Effekt der Implantathülle hielt über den gesamten Beobachtungszeitraum an. Nach 36 Monaten waren in der TYRX-Gruppe 32 schwere Infektionen (1,3%) und in der Kontrollgruppe 51 (1,9%) aufgetreten.
Mit der antibakteriell wirkenden Hülle waren Komplikationen mit 6,0% nicht häufiger als in der Kontrollgruppe mit 6,9%. Wurde diese Analyse unter Ausschluss der schweren Infektionen als Komplikation erneut durchgeführt, wurde ein ähnliches Ergebnis erreicht. Auch die vermehrte Einnahme von Immunsuppressiva in der Kontrollgruppe soll nach Aussage von Tarakji das Ergebnis nicht beeinflusst haben.
Daten für eine Kosten-Nutzen-Analyse wurden in der Studie prospektiv erhoben, sie sollen noch in diesem Jahr ausgewertet zur Verfügung stehen. Ebenso wurden mikrobiologische Daten zur Resistenz auf Rifampicin und Tetracycline erhoben, die aber ebenfalls noch nicht ausgewertet sind.
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Diesen Artikel so zitieren: WRAP-IT: Resorbierbare Antibiotika-Hülle für Herzschrittmacher senkt die Infektionsrate – aber zu einem hohen Preis - Medscape - 20. Mär 2019.
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