New Orleans – Fitnessarmbänder und -uhren erfreuen sich größter Beliebtheit. Mehr als je zuvor haben Verbraucher die Möglichkeit, ihre eigenen Gesundheitsdaten zu überwachen. Aber die populären Fitness-Devices können offenbar auch einen echten medizinischen Nutzen haben – indem sie bei den Verwendern eine unerkannte Herzrhythmusstörung aufdecken, wie Prof. Dr. Mintu Turakhia und Dr. Marco Perez von der Stanford University School of Medicine in Kalifornien bei den Scientific Sessions 2019 des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans berichteten [1].

Prof. Dr. Mintu Turakhia
In der „Apple Heart Study“ war eine Apple Watch in Kombination mit der dazugehörigen App tatsächlich in der Lage, einen unregelmäßigen Herzschlag zu entdecken und die Nutzer per Mitteilung auf der Uhr zu warnen. „In 84 Prozent der Fälle bestätigte ein gleichzeitig durchgeführtes EKG das Vorhofflimmern“, berichteten Turakhia und Perez bei der Präsentation der Studienergebnisse. „Dieser hohe positive Vorhersagewert zeigt, dass sich mit der Technologie ein Vorhofflimmern korrekt detektieren lässt.“
Bei den Besuchern der ACC Sessions in New Orleans löste die Vorstellung, Vorhofflimmern per Smartwatch detektieren zu lassen, dennoch nicht nur Begeisterung aus: Prof. Dr. Isabelle van Gelder von der Klinik für Kardiologie der Universität Groningen, Niederlande, betonte etwa gegenüber ESC TV, dass sie sich große Sorgen darüber mache, welche Ängste eine solche Benachrichtigung bei den Nutzern auslösen könnte – noch dazu möglicherweise unbegründet, wenn sich das Vorhofflimmern anschließend nicht bestätige.
Veränderungen im Blutfluss
An der von Apple gesponserten Studie nahmen Probanden ab 22 Jahren teil, die sowohl eine Apple Watch (Series 1, 2 oder 3) als auch ein kompatibles iPhone (5S oder neuer) besaßen. Diese Modelle der Apple Watch verfügen über einen optischen Sensor, der per Photoplethysmographie geringste Veränderungen im Blutfluss messen kann, die auf einen unregelmäßigen Herzschlag hindeuten können. Neuere Modelle, die über eine integrierte EKG-App verfügen, waren nicht Teil der Studie.
Die App verfügt über einen Algorithmus, der die von der Apple Watch erzeugten Tachogramme auswertet. Liegt eine Rhythmusstörung vor – wenn 5 von 6 Tachogrammen in 48 Stunden einen unregelmäßigen Herzschlag zeigen – sendet die App eine Benachrichtigung an die Uhr. Personen, die Antikoagulanzien erhielten oder schon einmal Vorhofflimmern hatten, wurden von der Studie ausgeschlossen.
Die Studienpopulation habe aber einen guten Querschnitt des kardiovaskulären Risikos repräsentiert, so Turakhia bei einer Pressekonferenz: 5% der Probanden hatten Diabetes, 21% zu hohen Blutdruck und 1% hatte schon einmal einen Schlaganfall gehabt. 38% waren laut ihrem Body-Mass-Index (BMI) adipös.
Seltene Benachrichtigungen
Von den 419.297 Personen, die sich von November 2017 bis Juli 2018 für die prospektive Studie registrierten, erhielten insgesamt 0,5% – knapp 2.100 Teilnehmer – eine entsprechende Benachrichtigung. Etwa ein Drittel der Teilnehmer von ihnen hatte einen CHADS-VASc-Score von 2 oder höher – üblicherweise der Grenzwert für eine Antikoagulation.

Prof. Dr. Gerhard Hindricks
Bei den Studienteilnehmern unter 40 Jahren war die Benachrichtigungsrate sehr niedrig (0,6%), bei denjenigen über 65 Jahren war sie mit knapp über 3% höher. Für Turakhia „ein ermutigendes Ergebnis“, da Vorhofflimmern bekanntlich mit dem Alter häufiger werde, wie der Professor für kardiovaskuläre Medizin betonte.
Auch dass nur selten Benachrichtigungen getriggert worden seien, stuften Turakhia und Perez als wichtigen Befund ein, da es „zuvor Bedenken gab, die App könnte übermäßig viele Benachrichtigungen auslösen“.
Bestätigung per ambulantem EKG
Interessant war auch, was passierte, nachdem die Teilnehmer eine Benachrichtigung über einen unregelmäßigen Herzschlag auf ihre Apple Watch bekommen hatten. Im Rahmen der Studie waren sie angehalten, sich über die App mit einem Studienarzt in Verbindung zu setzen. In einer Video-Konsultation entschied der Arzt dann, ob ein ambulantes EKG erforderlich war, um die Herzaktivität zu messen und ein potenzielles Vorhofflimmern zu identifizieren.
Den per Post zugesendeten EKG-Patch trugen die Teilnehmer 7 Tage lang und schickten ihn dann zur Auswertung zurück. Insgesamt erhielten 658 Studienteilnehmer einen EKG-Patch geschickt, 450 schickten ihn zurück und wurden in die anschließende Analyse eingeschlossen.
Nur bei einem Drittel (34%) der Studienteilnehmer, bei denen die App eine Warnung ausgelöst hatte und die danach eine Woche lang einen EKG-Patch trugen, bestätigte die EKG-Messung das Vorhofflimmern. Den beiden Wissenschaftlern zufolge sei das aber nicht unerwartet gewesen. „Vorhofflimmern kann kommen und gehen, speziell im Frühstadium der Erkrankung. Auch wenn nur bei 34% das ambulante EKG Anzeichen für ein Vorhofflimmern aufwies, bedeutet das nicht, dass 66% kein Vorhofflimmern hatten. Es bedeutet nur, dass das Vorhofflimmern im Messzeitraum gerade nicht zu sehen war“, sagte Turakhia. „Diese Ergebnisse helfen uns auch, zu verstehen, wie wir als Ärzte mit diesen Benachrichtigungen umgehen sollten.“
Guter Vorhersagewert
Dass die Benachrichtigungen auf der Apple Watch tatsächlich gut mit den EKG-Ergebnissen korrelierten, zeigte eine weitere Analyse: 450 Teilnehmer trugen gleichzeitig die Fitnessuhr und das EKG-Patch. Aus diesen Messungen ergab sich ein positiver Vorhersagewert von 84%: Das heißt, wurde eine Mitteilung auf der Uhr getriggert, dann zeigte das ambulante EKG-Monitoring in 84% der Fälle ebenfalls ein Vorhofflimmern.
Nur etwa die Hälfte der Patienten, die von ihrer Apple Watch auf einen unregelmäßigen Herzschlag hingewiesen worden waren, nahm im Anschluss Kontakt mit dem Studienarzt auf. Die Wissenschaftler um Turakhia und Perez vermuten, dass sie sich anderweitig Hilfe gesucht haben könnten. Nachfolgenden Befragungen ergaben, dass 57% der Teilnehmer, die eine Warnung erhalten hatten, außerhalb der Studie medizinische Hilfe in Anspruch genommen hatten, unabhängig davon, ob sie Kontakt mit dem Studienarzt aufgenommen hatten oder nicht.
Implikationen für künftige Studien
Turakhia und Perez räumen ein, dass die Studie Limitationen gehabt habe. Sie basiert zum größten Teil auf den Angaben der Teilnehmer. Und es konnten nicht die angestrebten 500.000 Teilnehmer eingeschlossen werden, auch nicht die erhofften 75.000 über 65 Jahren.
In einem Interview mit ESC TV resümierte der deutsche Kardiologe und Rhythmologe Prof. Dr. Gerhard Hindricks, dass die neue Technologie durchaus „fantastische Möglichkeiten für die Patienten“ berge, schränkt aber ein, dass noch wichtige Fragen offen seien: „Wird sie die Outcomes verbessern? Wird sie dazu führen, dass die Patienten besser und länger leben? Das muss erst noch bewiesen werden.“ Der Ärztliche Direktor des Herzzentrums Leipzig zweifelt außerdem daran, dass Ärzte, Patienten sowie das Gesundheitssystem schon bereit für diese Innovationen sind.
Für die Wissenschaftler um Turakhia und Perez legt ihre Studie aber den Grundstein für künftige virtuelle Studien, in denen Wearables genutzt werden sollen, um die Herzgesundheit außerhalb einer Klinik zu überwachen. Der logische nächste Schritt sei, zu untersuchen, wie Wearables mit anderen Technologien, etwa einem Echtzeit-EKG kombiniert werden könnten, um Herzrhythmusstörungen zu managen.
Die Art und Weise, wie klinische Studien durchgeführt werden, könnte sich drastisch verändern, so Turakhia. „Wir müssen die Leute nicht in ein Krankhaus bringen, um ihnen die Studienintervention zu verabreichen.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Apple Heart Study: Fitnessuhr detektiert Vorhofflimmern – gedämpfte Begeisterung bei Kardiologen - Medscape - 19. Mär 2019.
Kommentar