Never Ending Story? Dänische Kohortenstudie liefert die bislang besten Daten gegen Autismus als Folge der MMR-Impfung

Kurt-Martin Mayer

Interessenkonflikte

19. März 2019

21 Jahre ist es nun her, dass der in Großbritannien tätige Arzt Dr. Andrew Wakefield als Erstautor eine Studie über einen Zusammenhang zwischen der Masern-Mumps-Röteln (MMR)-Impfung und dem Auftreten von Autismus in The Lancet veröffentlicht hat. Mittlerweile ist die Publikation zurückgezogen, der Autor in Großbritannien mit einem Berufsverbot belegt, weil ihm „unethische Forschungsmethoden“ vorgeworfen wurden und er Gelder verschwiegen hatte, die er von Anwälten erhalten hatte, die Klagen der Eltern autistischer Kinder gegen die Industrie vertraten.

 
Der fehlende Nachweis einer Assoziation zwischen Impfung und Autismus-Spektrum in einer so großen populationsbezogenen Studie ist jedoch ein starkes Argument für die Impfung. Prof. Dr. Fred Zepp
 

Grundlage seiner damaligen Publikation waren 12 Kinder im Durchschnittsalter von 6 Jahren gewesen, von denen 8 innerhalb von 4 Wochen nach der MMR-Impfung eine Autismus-Diagnose erhielten. Die Studie hatte für weltweite Aufmerksamkeit gesorgt und zu einem Rückgang der Impfquoten geführt. Bis heute berufen sich Impfgegner auf die angeblich durch sie nachgewiesene Gefahr.

Mehrere Untersuchungen und Aufsätze haben seitdem Wakefields Thesen angezweifelt. Nun findet auch eine der bislang aufwändigsten Nachfolgeuntersuchungen keinen Hinweis auf einen Bezug zwischen Impfung und Krankheit [1].

Eine abschließende wissenschaftliche Widerlegung stellt allerdings auch die neue Veröffentlichung in den Annals of Internal Medicine nicht dar, meint Prof. Dr. Fred Zepp, Direktor des Zentrums für Kinder- und Jugendmedizin Universitätsmedizin Mainz und Mitglied der STIKO.

„Epidemiologische Kohortenstudien wie die vorliegende haben nun einmal ihre Limitationen. Ein Kausalitätsnachweis – beziehungsweise dessen Widerlegung – wäre erst in einer prospektiven randomisierten Studie möglich. Der fehlende Nachweis einer Assoziation zwischen Impfung und Autismus-Spektrum in einer so großen populationsbezogenen Studie ist jedoch ein starkes Argument für die Impfung“, so Zepp.

Hohe Power, viele Einflussfaktoren berücksichtigt

Dass Zepp die neue, aus Dänemark kommende Überprüfung der Wakefield-Thesen in jedem Fall für „gut und wichtig“ hält und meint, die Studie gebe „wieder mehr Sicherheit“, liegt an der Größe der Kohorte und der Vielzahl der Einflussfaktoren, die die Autoren berücksichtigten.

Der Epidemiologe Dr. Anders Hviid vom Statens Serum Institut in Kopenhagen und seine Kollegen bezogen 657.461 zwischen Anfang 1999 und Ende 2010 in Dänemark geborene Kinder in ihre retrospektive Analyse ein. Die Beobachtungszeit endete am 31. August 2013.

Während der über 5 Millionen Personenjahre in der Nachverfolgung wurden 6.517 Kinder (129,7 pro 100.000 Personenjahre) als autistisch diagnostiziert. Der Vergleich zwischen Kindern mit und Kindern ohne MMR-Impfung ergab bei einer Hazard Ratio (HR) von 0,93 (95% Konfidenzintervall KI 0,85 bis 1,02) nahezu keine Unterschiede. Ebenso wurde kein erhöhtes Autismusrisiko nach MMR-Impfung in verschiedenen Subgruppen beobachtet.

Weder die Frage, ob ein Geschwisterkind an Autismus erkrankt war, noch die Höhe eines Autismus-Risiko-Werts beeinflussten das Ergebnis. Den Autismus-Risiko-Wert hatten die Dänen für jedes einzelne Kind errechnet. Er setzte sich aus mehreren Faktoren zusammen: Alter der Mutter und des Vaters bei der Geburt, Tabakgenuss der Mutter in der Schwangerschaft, Art und Zeitpunkt der Geburt, Geburtsgewicht, Kopfumfang und APGAR-Wert nach 5 Minuten.

Die 6.517 Diagnosen, die die Forscher aus dem zentralen dänischen Psychiatrie-Register bezogen, lauteten:

  • autistische Störung (1.997 Fälle),

  • atypischer Autismus (537),

  • Asperger-Syndrom (1.098),

  • andere tiefgreifende Entwicklungsstörung (576) und

  • unspezifische tiefgreifende Entwicklungsstörung (2.309).

Das Durchschnittsalter bei der ersten Autismus-Diagnose war 7,22 Jahre (SD 2,86). 95,19% (625.842 Kinder) wurden gegen MMR geimpft (1. MMR-Impfung in einem medianen Alter von 1,34 Jahren), die restlichen 31.619 Kinder blieben ungeimpft.

In der Untergruppe der Mädchen zeigte sich ein leicht reduziertes Erkrankungsrisiko nach Impfung (adjustierte HR 0,79, KI 0,64 bis 0,97) ebenso wie in der Kohorte mit den Geburtsjahren 1999, 2000 und 2001 (aHR 0,84, KI 0,73 bis 0,96).

 
Wir fanden keinen Beleg für die Hypothese eines erhöhten Autismus-Risikos nach MMR-Impfung in einer nationalen, nicht vorselektierten Population dänischer Kinder. Dr. Anders Hviid und Kollegen
 

Nach MMR-Impfung ergab sich kein erhöhtes Risiko bei Kindern, die andere frühkindliche Impfungen erhalten oder autistische Geschwister hatten. Ebenso resultierte kein Einfluss aus dem zuvor errechneten Autismus-Risiko-Wert. Unter Einbeziehung einer zweiten MMR-Impfung war auch kein dosisabhängiger Effekt zu beobachten.

„Wir fanden keinen Beleg für die Hypothese eines erhöhten Autismus-Risikos nach MMR-Impfung in einer nationalen, nicht vorselektierten Population dänischer Kinder“, fassen Hviid und seine Kollegen ihre Untersuchung zusammen. Auch die Bildung von Untergruppen nach Umwelt- und familiärem Risiko zeigte kein Signal. Ebenso fand die Annahme, Autismusfälle würden sich in bestimmten Zeitabständen nach der MMR-Impfung häufen, keine Unterstützung.

Impfquote mit großem Einfluss auf Maserninzidenz

Die Autoren der dänischen Kohortenstudie betonen, dass Masernausbrüche in Europa und den USA nicht selten seien. Scheu vor und Ablehnung der Impfung seien als wesentliche Ursachen derartiger Ausbrüche identifiziert worden. Eine mathematische Modellrechnung ergab, dass ein 5%iger Rückgang der Masern-Impfquote eine Verdreifachung der Masernfälle nach sich ziehe.

 
Uns in der STIKO geht es um jene 25 bis 30 Prozent, die unsicher bis skeptisch sind. Prof. Dr. Fred Zepp
 

In Deutschland liege die Quote der 1. Teilimpfung bei mehr als 90%, jene der 2. zwischen 85 und 90% bei zuletzt leicht steigender Tendenz, sagt Zepp und ergänzt: „3 bis 5 Prozent der Menschen sind knochenharte Impfgegner, die rationalen Argumenten nicht zugänglich sind. Uns in der STIKO geht es um jene 25 bis 30 Prozent, die unsicher bis skeptisch sind.“

Eine – von der Ständigen Impfkommission (STIKO) abgelehnte – Masern-Impfpflicht kam dieser Tage wieder ins Gespräch: Die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) forderte sie nach einem Masern-Ausbruch an einer Hildesheimer Schule. Seit Jahresbeginn sind in Niedersachsen bereits 26 Masernfälle aufgetreten, mehr als im gesamten Vorjahr.

Auch bundesweit mehren sich die Masernfälle: In den ersten 7 Wochen des Jahres wurden dem Robert Koch-Institut (RKI) zufolge bereits 132 Fälle registriert, nach 46 Fällen im Vorjahreszeitraum. Eine Häufung gibt es dabei auch in Nordrhein-Westfalen. Prof. Hans-Dieter Klenk, Universitätsklinik Marburg, kommentiert die aktuelle Entwicklung gegenüber Medscape: „Wenn die Masern aufflackern, beruht das meist auf Impflücken.“
 

Kommentar

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