Vorhofflimmern plus ACS oder PCI – was tun? Optimale Antithrombose setzt auf NOAK, ASS bleibt Abwägungssache

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

18. März 2019

New Orleans – Patienten mit Vorhofflimmern, die ein akutes Koronarsyndrom (ACS) erleiden und/oder sich einer perkutanen Koronarintervention (PCI) unterziehen, sind – was die antithrombotische Therapie betrifft – nach wie vor ein Problem. Tripel oder duale Therapie? Vitamin-K-Antagonist oder NOAK? Mit oder ohne ASS?

Dr. Renato D. Lopes

Bei den Scientific Session 2019 des American College of Cardiology (ACC) in New Orleans hat Dr. Renato D. Lopes vom Duke Clinical Research Institute, Duke University School of Medicine, Durham, USA, am Wochenende die Ergebnisse der AUGUSTUS-Studie vorgestellt – und damit für etwas mehr Daten und mehr Klarheit bei diesen Patienten gesorgt [1].

AUGUSTUS zeigt, dass bei diesen Patienten eine direkte orale Antikoagulation (DOAK) mit dem Faktor-Xa-Hemmer Apixaban (Eliquis®) einem Vitamin-K-Antagonisten überlegen ist – und dass auf Acetylsalicylsäure (ASS) möglicherweise verzichtet werden kann.

„Eine antithrombotische Therapie mit Apixaban und ohne ASS war mit weniger Blutungen und Hospitalisierungen assoziiert als eine Behandlung mit einem Vitamin-K-Antagonisten, ASS oder beidem – und dies ohne einen Unterschied im Auftreten ischämischer Ereignisse“, berichtete Lopes. Zeitgleich zur Präsentation beim Kongress sind die Ergebnisse der AUGUSTUS-Studie im New England Journal of Medicine veröffentlicht worden [2].

 
Eine antithrombotische Therapie mit Apixaban und ohne ASS war mit weniger Blutungen und Hospitalisierungen assoziiert. Dr. Renato D. Lopes
 

Dort macht Prof. Dr. Shamir R. Mehta vom Population Health Research Institute der McMaster Universität in Hamilton, Kanada, in einem begleitenden Editorial nochmals die Praxisrelevanz deutlich: „Etwa einer von 5 Patienten mit Vorhofflimmern erleidet ein akutes Koronarsyndrom oder unterzieht sich einer PCI.“ Einen Freibrief für den Verzicht auf ASS sieht der kanadische Kardiologe in der AUGUSTUS-Studie jedoch nicht [3].

Uneinigkeit über optimale Therapie

Wie die optimale antithrombotische Therapie aussieht, darüber herrscht tatsächlich Uneinigkeit. Während in Nordamerika aktuell ein DOAK in Kombination mit einem P2Y12-Antagonisten (z.B. Clopidogrel) empfohlen wird, rät die europäische Leitlinie zu einer antithrombotischen Dreifachtherapie. Sie besteht aus einer dualen Plättchenhemmung (meist mit ASS und Clopidogrel) zur Vorbeugung von Herzinfarkten und Stentthrombosen und einer oralen Antikoagulation zur Prävention von Schlaganfällen.

„Doch dieses Vorgehen wird hinterfragt, da es das Risiko schwerer Blutungsereignisse erhöht“, schreibt Mehta. „Es sind neue antikoagulative Strategien erforderlich, die das Blutungsrisiko reduzieren, ohne dass das Risiko für koronare oder kardioembolische Ereignisse ansteigt“, bekräftigt er.

Neue Strategien

Lopes und seine Koautoren untersuchten eben solche neuen Strategien in der internationalen, randomisierten AUGUSTUS-Studie bei 4.614 Patienten aus 33 Ländern. Nach einem akuten Koronarsyndrom oder einer PCI war bei ihnen eine Behandlung mit einem P2Y12-Antagonisten geplant, dessen Auswahl dem behandelnden Arzt überlassen war – letztlich war es bei 90% Clopidogrel.

Nach Einschluss in die Studie, die ein 2x2-faktorielles Design hatte, wurden die Patienten randomisiert einer direkten oralen Antikoagulation mit dem Faktor-Xa-Hemmer Apixaban oder einem Vitamin-K-Antagonist sowie einer Plättchenhemmung mit ASS oder einem Placebo zugeteilt – mit einer Therapiedauer von jeweils 6 Monaten.

Weniger Blutungen, kein Unterschied bei ischämischen Ereignissen

Das wichtigste Studienziel war, herauszufinden, ob eine der antithrombotischen Therapiestrategien weniger Blutungen verursacht als die anderen – ohne dabei das Risiko für ischämische Ereignisse zu erhöhen. Beim Kongress berichtete Lopes, dass dies tatsächlich der Fall gewesen sei. Während es in der mit einem Vitamin-K-Antagonisten behandelten Gruppe bei 14,7% der Patienten zu schweren oder klinisch relevanten Blutungen kam, lag die Blutungsrate unter Apixaban nur bei 10,5%.

Zwar sei der Vergleich zwischen Apixaban und Vitamin-K-Antagonist open label gewesen und die Patienten in der Vitamin-K-Antagonisten-Gruppe hätten sich nur 59% der Zeit im therapeutischen Zielbereich befunden, dennoch seien die Daten robust und konsistent mit anderen Studien zur direkten oralen Antikoagulation, schreibt Mehta.

Apixaban war außerdem mit einer geringeren Inzidenz von Todesfällen und Hospitalisierungen assoziiert als Vitamin-K-Antagonisten: 23,5 vs. 27,4% – ein statistisch signifikanter Unterschied. Die Häufigkeit ischämischer Ereignisse war dagegen in den beiden Gruppen ähnlich.

Direkte orale Antikoagulation empfehlenswert für die Routine

„Angesichts dieser Daten sollten Patienten mit Vorhofflimmern, die ein akutes Koronarsyndrom haben oder sich einer PCI unterziehen, künftig routinemäßig ein direktes orales Antikoagulans erhalten“, resümiert Mehta.

Der Vergleich zwischen ASS und Placebo fand mit doppelter Verblindung statt. „Wenig überraschend“, so Mehta, führte ASS zu mehr Blutungen (16,1%) als das Placebo (9,0%). „Dass ASS das Blutungsrisiko erhöht, wissen wir seit vielen Jahren … die Schlüsselfrage war, ob das Weglassen von ASS vor dem Hintergrund einer direkten oralen Antikoagulation und einer Clopidogrel-Therapie die Inzidenz koronarer ischämischer Ereignisse erhöht“, betont er.

Schlüsselfrage unbeantwortet?

Lopes und seine Kollegen berichten, dass die Raten an Todesfällen und Hospitalisierungen sowie ischämischen Ereignissen in der ASS-Gruppe denen in der Placebogruppe entsprochen hätten. Mehta warnt aber, dass die Ergebnisse der AUGUSTUS-Studie hinsichtlich eines frühzeitigen Absetzens von ASS nach einem akuten Koronarsyndrom oder einer PCI „nicht notwendigerweise beruhigend“ seien.

Tatsächlich traten in der Placebogruppe numerisch mehr Herzinfarkte (3,6 vs. 2,9%), Notfall-Revaskularisationen (2,0 vs. 1,6%) und Stentthrombosen (0,9 vs. 0,5) auf als in der ASS-Gruppe – auch, wenn der Unterschied statistisch nicht signifikant war. Die Inzidenz von Stentthrombosen sei in der Placebogruppe fast doppelt so hoch gewesen wie in der ASS-Gruppe, schreibt Mehta.

 
Angesichts dieser Daten sollten Patienten mit Vorhofflimmern, die ein akutes Koronarsyndrom haben oder sich einer PCI unterziehen, künftig routinemäßig ein direktes orales Antikoagulans erhalten. Prof. Dr. Shamir R. Mehta
 

Das Fehlen eines signifikanten p-Wertes als keinen Unterschied zu interpretieren, wäre hier falsch, erklärt er, denn auch, wenn AUGUSTUS eine große Studie gewesen sei, sie habe dennoch zu wenig Power gehabt, um einen Unterschied bei ischämischen Ereignissen zeigen zu können.

„Eine numerische Erhöhung dieser Ereignisse könnte durchaus ein Anzeichen dafür sein, dass der Unterschied bei einer größeren Patientenzahl statistische Signifikanz erreicht hätte“, so Mehta. Darüber hinaus wurden die Patienten erst 2 Wochen nach dem Index-Ereignis in die AUGUSTUS-Studie eingeschlossen. „Aber es sind die Tage und Wochen direkt nach dem Ereignis, in denen das Risiko für koronare ischämische Ereignisse am höchsten ist“, so Mehta.

ASS bleibt Abwägungssache

Sein Fazit zum Einsatz von ASS lautet deshalb: „Die Entscheidung sollte weiterhin auf einer Abwägung von 3 miteinander konkurrierenden Risiken erfolgen – kardioembolischer Schlaganfall, koronare ischämische Ereignisse und Blutungen.“ Und auch Lopes und seine Koautoren bekräftigen, dass ihre Analyse als exploratorisch angesehen werden sollte, andere Studien hätten ebenfalls eine numerische Erhöhung bei koronaren ischämischen Ereignissen gezeigt, wenn ASS weggelassen wurde.

 
Die Entscheidung sollte weiterhin auf einer Abwägung von 3 miteinander konkurrierenden Risiken erfolgen. Prof. Dr. Shamir R. Mehta
 

„Wenn Ärzte vor der Entscheidung stehen, ASS bei Patienten mit Vorhofflimmern nach einem akuten Koronarsyndrom oder einer PCI einzusetzen, gilt es, einen potenziellen kleinen Rückgang bei den koronaren ischämischen Ereignissen gegen ein höheres Risiko für klinisch bedeutsame Blutungen abzuwägen.“

„Haben Patienten ein geringes Risiko für thrombotische Ereignisse – etwa nach einer elektiven PCI ohne klinische oder angiographische Hochrisikofaktoren – oder ein hohes Blutungsrisiko, ist ein frühzeitiges Absetzen der ASS-Therapie und eine Behandlung mit einem direkten oralen Antikoagulans plus Clopidogrel berechtigt“, schreibt Mehta. Andererseits, bei Patienten, die sich einer komplexen Mehrgefäß- oder Hochrisiko-PCI unterzögen oder bei denjenigen, die ein akutes Koronarsyndrom mit hohem Risiko hätten, dürfe ASS nicht routinemäßig weggelassen werden.

 

Kommentar

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