Volle Bezahlung nur bei Überleben – Novartis erprobt neues Pay-for-Outcome-Modell bei CAR-T-Zell-Therapie

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

12. März 2019

Bislang gibt es nur wenige Daten zum langfristigen Nutzen der CAR-T-Zelltherapien (chimäre Antigenrezeptor-T-Zellen). Und: Die neuartige Gentherapie gegen Krebs ist sehr teuer. Nun haben sich Novartis als Hersteller von Kymriah® (Tisagenlecleucel) und die GWQ ServicePlus AG, ein Dienstleister von Betriebskrankenkassen, auf Basis dieser beiden Tatsachen befristet auf neue Zahlungsmodalitäten verständigt [1].

Novartis erstattet die Arzneimittelkosten zum Teil an GWQ zurück, sollten die Patienten trotz Therapie innerhalb eines bestimmten Intervalls sterben. Details zur genauen Vereinbarung wollen beide Partner jedoch nicht nennen. Andere Konzerne zeigen an dem sogenannten „Pay-for-Performance-Modell“ ebenfalls Interesse.

 
Innovative Erstattungsmodelle sind zukunftsweisend, und zwar insbesondere für Gentherapien, die ein hohes Potenzial für die Heilung von Krebspatienten aufweisen und als Einmalgabe stattfinden. Markus Karmasin
 

„Wir sind der Überzeugung, dass innovative Erstattungsmodelle zukunftsweisend sind, und zwar insbesondere für Gentherapien, die ein hohes Potenzial für die Heilung von Krebspatienten aufweisen und als Einmalgabe stattfinden“, sagt Markus Karmasin, Leiter des Geschäftsbereiches Zell- & Gentherapie bei Novartis Onkologie in Deutschland bei Novartis.

Und Oliver Harks, Bereichsleiter Einkaufsmanagement bei der GWQ, ergänzt: „Der Vertrag zwischen der GWQ und Novartis macht deutlich, dass es möglich ist, gemeinsam nachhaltige Lösungen für das Gesundheitssystem zu entwickeln und gleichzeitig den schnellen Patientenzugang zu therapeutischen Innovationen zu fördern.“

Wenig Daten zur CAR-T-Zelltherapie

Zum Hintergrund: Wie Medscape berichtet hat, bewertete die American Society of Clinical Oncology (ASCO) CAR-T-Zelltherapien Anfang 2018 als „Durchbruch des Jahres“. Wenige Monate später empfahl der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA), 2 CAR-T-Zelltherapien zuzulassen: Kymriah®  und Yescarta® (Axicabtagen-Ciloleucel, Kite Pharma EU B.V.). Sie kommen bei unterschiedlichen therapierefraktären Leukämien zum Einsatz.

 
Der Vertrag zwischen der GWQ und Novartis macht deutlich, dass es möglich ist, gemeinsam nachhaltige Lösungen für das Gesundheitssystem zu entwickeln. Oliver Harks
 

Kurz darauf veröffentlichte die American Society of Hematology (ASH) im Rahmen der Jahrestagung neue Langzeitergebnisse: Dr. Joseph Alvarnas von der City of Hope im kalifornischen Duarte bestätigt, der Behandlungsansatz sei nicht nur kurzfristig von Erfolg gekrönt, vielmehr bestehe bei manchen Patienten Aussicht auf Heilung.

Dieser Euphorie ist entgegenzuhalten, dass in die Zulassungsstudien nur eine überschaubare Zahl von Patienten eingeschlossen war. Bei Kymriah® z.B. waren dies:

  • pädiatrische und junge erwachsenen Patienten mit rezidivierter/refraktärer akuter lymphatischer B-Zell-Leukämie (ALL) – 92 Personen wurden aufgenommen und 75 behandelt;

  • erwachsene Patienten mit rezidiviertem oder refraktärem diffus großzelligem B-Zell-Lymphom (DLBCL) nach 2 oder mehr Linien einer systemischen Therapie – 165 Personen wurden aufgenommen und 93 behandelt.

Karmasin zufolge soll die Kymriah®-Therapie einmalig 320.000 Euro (374.000 US-Dollar) kosten. In den USA sind es 475.000 US-Dollar.

Ringen um den Erstattungspreis

Noch haben sich der Hersteller und der GKV-Spitzenverband nicht auf einen Erstattungspreis verständigt. Grundlage dafür ist seit Einführung des Arzneimittelmarkt-Neuordnungsgesetzes (AMNOG) bekanntlich der Zusatznutzen, gemessen an Vergleichstherapien.

Bis zum Abschluss der Verhandlungen paraphierte Novartis deshalb mit einem Dienstleister von BKKen ein am Therapieergebnis orientiertes Erstattungsmodell. Zugrundeliegender Outcome-Parameter ist dabei das Überleben der behandelten Patienten: Novartis führt einen Teil der Arzneimittelkosten an die Krankenkasse zurück, sollte der Patient aufgrund seiner Leukämie innerhalb eines definierten Zeitraums sterben.

Die Vereinbarung gilt für 76 Kassen mit mehr als 12,8 Millionen Versicherten und endet, sobald eine Vereinbarung mit dem GKV-Spitzenverband getroffen worden ist.

Outcome-Modelle in der Diskussion

Mit der aktuellen Vereinbarung betreten Krankenkassen und Hersteller Neuland.

Zur Beurteilung des Mehrwerts eines Arzneimittels und der Kosten für die Solidargemeinschaft sind nicht nur Vergleiche mit Standardtherapien möglich. Das britische National Institute für Health and Care Excellence (NICE) arbeitet mit qualitätskorrigierten Lebensjahren (Quality-Adjusted Life Years, QALY). Als Obergrenze für die Erstattung nennen NICE-Experten in vielen Fällen rund 20.000 bis 30.000 GBP (23.000 bis 35.000 Euro) pro QALY. Deutschland kennt solche Obergrenzen nicht.

Pay-for-Performance-Modelle wie im aktuellen Fall machen bei hochpreisigen Arzneimitteln mit relativ geringer Evidenz Sinn.

Überlegungen aus den USA, die Remission nach 30 Tagen als Outcome-Parameter heranzuziehen, waren wenig zielführend. Bereits einen Tag später könnte die Leukämie wieder auftreten.

Mit dem Überleben haben beide Seiten einen Endpunkt definiert, der in anderen Fällen seine Schwächen hat. Gerade bei multimorbiden Patienten lässt sich nicht immer sagen, welche Erkrankung zum Tod geführt hat. Und bei chronischen Erkrankungen müssten klare Parameter definiert werden, um Outcome-Modelle umzusetzen.

Paradigmenwechsel auch in Deutschland?

Trotz offener Fragen zeigen andere Hersteller Interesse. „Wir müssen an das Thema Preise viel rationaler und weniger emotional herangehen“, meint Stefan Oschmann, Vorsitzender der Geschäftsleitung von Merck, gegenüber dem Handelsblatt . Bezahlt werde zu viel nach Aktivität, also pro Tablette oder Injektion: „Die Vergütung sollte sich viel mehr daran orientieren, was dabei herauskommt“, sagt auch er.

 

Kommentar

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