Gewichte stemmen gegen Typ-2-Diabetes? 60 Minuten Krafttraining pro Woche bessern Kraft und Insulinsensitivität messbar

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

5. März 2019

Durch ein 6-wöchiges Krafttraining mit kurzen, aber intensiven Übungseinheiten konnten jüngere übergewichtige Männer sowohl Muskelmasse und -kraft als auch die Insulinsensitivität deutlich verbessern. Das berichten Wissenschaftler der Universität in Glasgow [1].

Erkenntnisse für Diabetiker relevant

„Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass ein einfaches Training, das wöchentlich nur etwa eine Stunde dauert, die Insulinsensitivität bei übergewichtigen Männern verbessern kann“, resümiert das Forscherteam um Dr. Ahmad D. B. Ismail, Institute of Cardiovascular and Medical Sciences, University of Glasgow, UK.

 
Dies ist die erste Studie, die zeigt, dass ein einfaches Training, das wöchentlich nur etwa eine Stunde dauert, die Insulinsensitivität bei übergewichtigen Männern verbessern kann. Dr. Ahmad D. B. Ismail
 

Interessant seien die Erkenntnisse der Studie besonders für Menschen mit Typ-2-Diabetes, die zu 90% übergewichtig oder adipös seien. Relevant sei ein Krafttraining für diese Patientengruppe nicht nur aufgrund der möglichen Auswirkungen auf die Insulinsensitivität, sondern auch wegen der schnellen muskulären Anpassungen.

Die Bewahrung der Muskelkraft und -masse ist für die Stoffwechselgesundheit sehr wichtig, betonen die Autoren. So haben Studien einen Zusammenhang zwischen schlechten Muskelkraft-Werten und einem erhöhten Diabetes-Risiko gezeigt.

Zwar seien die gesundheitlichen Effekte von Krafttraining „längst etabliert“. „Aber es ist gut, dass die Erkenntnisse von Studien wie dieser, auch, wenn sie nur 10 Teilnehmer hatte, bekannt werden“, meint Sportmediziner und Sportorthopäde Prof. Dr. Frank Mayer, Ärztlicher Direktor der Hochschulambulanz der Universität Potsdam, im Gespräch mit Medscape. „Das signalisiert den Patienten: Da kann schnell etwas bewirkt werden“, sagt Mayer, der auch Vorsitzender des Wissenschaftsrats der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention (DGSP) ist. 

Dosierungsempfehlungen bislang nicht eindeutig

Frühere Studien hatten gezeigt, dass längere 45-minütige Krafttrainingseinheiten, bei denen mehrere Wiederholungssätze der einzelnen Übungen ausgeführt werden, die Insulinsensitivität bei Patienten mit Typ-2-Diabetes und bei gesunden Menschen kontinuierlich steigern. Ob kürzere Einheiten Ähnliches bewirken, war bislang unklar.

Aktuell empfiehlt die WHO für Erwachsene 2 Mal pro Woche Krafttraining. Darüber, wie lange und wie intensiv trainiert werden soll, um muskuläre Anpassungen und andere gesundheitliche Effekte zu erreichen, lieferten bisherige Studien keine eindeutigen Erkenntnisse. Daher gibt es seitens der Fachgesellschaften hierzu unterschiedliche Empfehlungen.

Die Wissenschaftler in Glasgow wollten nun herausfinden, ob ein kurzes Trainingsprogramm von 15 bis 20 Minuten schon nach wenigen Wochen signifikante muskuläre Anpassungen und eine Verbesserung der Insulinsensitivität bewirken kann. Es derart kurzes Programm hat den Vorteil, dass es für viele einfacher in den Alltag integrierbar ist als eine dreiviertelstündige Einheit.

 
Das signalisiert den Patienten: Da kann schnell etwas bewirkt werden. Prof. Dr. Frank Mayer
 

Hierzu haben sie 10 übergewichtige Männer (Durchschnittsalter 36 Jahre) mit einem BMI von mindestens 25 (Durchschnitt: 29 kg/m²) über einen Zeitraum von 6 Wochen 3 Mal pro Woche für 15 bis 20 Minuten in einem Fitnessstudio trainieren lassen. In jeder Trainingseinheit absolvierten die Probanden jeweils nur einen Satz von 9 Standard-Übungen bei einer Trainingsintensität von 80% relativ zum Wiederholungsmaximum (1 Repetition Maximum (RM); das heißt, das Gewicht, das für eine Wiederholung maximal bewegt werden kann).

Muskelkraft und Muskeldicke wurden zu Studienbeginn und dann wöchentlich gemessen, die Insulinsensitivität zu Trainingsbeginn und nach 6 Wochen.

Frühe muskuläre Anpassungen

Schon nach 2 Wochen Training waren Zunahmen an Muskelkraft und Muskelhypertrophie messbar, mit kontinuierlichen Steigerungen im weiteren Trainingsverlauf. Die Dicke des großen Oberschenkelmuskels (Vastus lateralis) nahm innerhalb von 6 Wochen um durchschnittlich 27% zu. Die isometrische Maximalkraft der Streckmuskulatur im Knie erhöhte sich um 10%. Auch die Insulinsensitivität nahm im Laufe der Studie deutlich um durchschnittlich 16% zu.

 
Bei Menschen, die vorher nicht trainiert haben, zeigt sich schnell ein Effekt – das demonstriert diese Studie erneut sehr schön. Prof. Dr. Frank Mayer
 

Der Grad und die Geschwindigkeit der Anpassungen, sagt Mayer, hängen sehr stark vom Trainingsniveau ab. Da hier relativ untrainierte übergewichtige Männer untersucht wurden, seien die schnellen Auswirkungen des Trainings insbesondere auf die koordinativen Aspekte der Muskulatur nicht überraschend. „Bei Menschen, die vorher nicht trainiert haben, zeigt sich schnell ein Effekt – das demonstriert diese Studie erneut sehr schön“, sagt der Experte.

(Zeitliche) Barrieren – und der innere Schweinehund – oft zu groß

Die Erkenntnisse zu den muskulären und metabolischen Verbesserungen tragen zum großen Erkenntnis-Pool der gesundheitlichen Auswirkungen von Krafttraining bei – dazu gehören auch z.B. Blutdruck- und Lipidsenkung sowie eine niedrigere Mortalitätsrate, schreiben die Autoren. Es überrasche, dass trotz der bekannten Vorteile so wenige Menschen Krafttraining betreiben.

Auch in den Kliniken werde nur selten Krafttraining angeboten, betont Sportmediziner Mayer. Ein großes Problem beim Krafttraining sei die Compliance, sprich die Bereitschaft, das empfohlene Training auch umzusetzen. „Wenn es tatsächlich gelingt das Minimum herauszufinden, das reicht, um Effekte zu erzielen, könnte das helfen, sich selbst zu motivieren und das Training in den Tagesablauf zu integrieren.“

In früheren Studien zu den Auswirkungen von Krafttraining wurden im Allgemeinen 2 bis 4 Wiederholungssätze je Übung durchgeführt. Im Gegensatz dazu absolvierten die Probanden in Glasgow nur jeweils einen Satz. „Eine solche Intervention könnte vom pragmatischen Standpunkt betrachtet für viele attraktiver sein“, schreiben Ismail und Kollegen.

Lassen sich die Erkenntnisse der Studie bestätigen, könnten die „aktuellen und ziemlich komplexen Empfehlungen für Krafttraining zu einer klaren und einfachen Empfehlung umformuliert werden – ein einziger Satz bis zur Erschöpfung mit einem individuell angepassten Gewicht“.

 
Wenn es tatsächlich gelingt das Minimum herauszufinden, das reicht, um Effekte zu erzielen, könnte das helfen, (…) das Training in den Tagesablauf zu integrieren. Prof. Dr. Frank Mayer
 

In weiteren Studien müsse nun die Auswirkung eines solchen Trainings bei Patienten mit höherem Krankheitsrisiko oder Menschen, die bereits an Diabetes erkrankt sind, untersucht werden, bemerkt Ismail. Wichtig sei auch, den nachhaltigen Effekt eines solchen Trainings zu bewerten, sagt Mayer. „Es ist notwendig die Patienten bei der Stange zu halten und längerfristige Effekte nach mehr als 6 Wochen bzw. mehreren Monaten zu analysieren.“
 

Kommentar

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