5 mal 15 Minuten Akupunktur kann menopausale Beschwerden lindern – Placebo-Effekt nicht ausgeschlossen

Anke Brodmerkel

Interessenkonflikte

5. März 2019

Eine 5-wöchige Akupunktur-Behandlung mit nur einer 15-minütigen Sitzung pro Woche kann klimakterische Symptome spürbar reduzieren – und könnte daher eine Alternative für Frauen sein, die unter Wechseljahrsbeschwerden leiden, aber auf eine Hormonersatztherapie (HET) gerne verzichten würden.

Zu diesem Schluss kommen dänische Wissenschaftler um Dr. Kamma Sundgaard Lund von der Abteilung für Public Health der Universität Kopenhagen. An ihrer randomisierten multizentrischen Studie nahmen insgesamt 70 Probandinnen teil. Veröffentlicht ist sie im BMJ open  [1].

Ein reiner Placeboeffekt lässt sich nicht ausschließen

„Es handelt sich um eine methodisch sehr saubere Untersuchung, die aus den vielen vorliegenden Studien zum Thema Akupunktur wirklich positiv heraussticht“, kommentiert Dr. Katrin Schaudig gegenüber Medscape. Die in Hamburg niedergelassene Gynäkologin mit Spezialisierung für gynäkologische Endokrinologie ist auch Vizepräsidentin der Deutschen Menopause Gesellschaft (DMG). „Das Procedere ist exakt beschrieben, die Daten sind sorgfältig aufbereitet und die statistische Auswertung ist sehr differenziert.“

Dr. Katrin Schaudig

Zwar könne aufgrund des Studiendesigns nicht ausgeschlossen werden, dass die beobachteten Resultate auf einen Placeboeffekt zurückgingen, sagt Schaudig. Ärzte, die die Akupunktur anböten, und Patienten, die dieses Angebot nutzten, seien in der Regel von den positiven Wirkungen der Methode sehr überzeugt.

„Aber es spricht ja nichts dagegen, sich diesen Effekt bei Frauen, die eine Akupunktur-Behandlung einer medikamentösen Therapie vorziehen und an den Erfolg der Methode glauben, zunutze zu machen“, betont Schaudig. „Insbesondere dann nicht, wenn die Behandlung so einfach, kostengünstig und zugleich nebenwirkungsarm wie in der vorliegenden Studie ist.“

Die Vergleichsgruppe erhielt zunächst gar keine Behandlung

Lund und ihre Kollegen rekrutierten für ihre Studie zwischen September und Dezember 2016 an 9 Hausarztpraxen in Dänemark insgesamt 70 Frauen im Alter zwischen 40 und 65 Jahren mit mittelschweren bis schweren klimakterischen Beschwerden.

Per Los wurden die Frauen entweder der Interventionsgruppe zugeteilt, deren 36 Teilnehmerinnen eine 5-wöchige Akupunktur-Behandlung mit jeweils einer 15-minütigen Sitzung pro Woche erhielten. Oder sie kamen in die Vergleichsgruppe, deren 34 Probandinnen zunächst nicht akupunktiert wurden und auch sonst keine Therapie bekamen.

Vorgenommen wurden die Akupunktur-Behandlungen von Hausärzten, die eine Fortbildung zur Akupunktur absolviert hatten und das Verfahren seit durchschnittlich 14 Jahren praktizierten. Zur Behandlung der klimakterischen Beschwerden stachen sie die Nadeln in die Punkte CV-3, CV-4, LR-8, SP-6 und SP-9 und drehten sie für ein paar Sekunden, um bei den Patientinnen in der Umgebung der Einstichstelle ein Wärmegefühl oder Kribbeln auszulösen.

Auf eine Scheinakupunktur wurde bewusst verzichtet

Auf eine Scheinakupunktur, bei der wahllos in irgendwelche Punkte des Körpers hineingestochen wird, verzichtete das Team um Lund bei der Vergleichsgruppe bewusst, da – wie die Wissenschaftler schreiben – der Placebo-Charakter eines solchen Vorgehens nicht bewiesen sei. Zudem gebe es keine als „Sham-Akupunktur“ klar definierte Methode.

„Tatsächlich ist es sehr gut denkbar, dass man auch bei der Schein- oder Sham-Akupunktur eine objektiv messbare Reaktion des Körpers verzeichnen kann, die vom eigentlichen Effekt schwer zu trennen sein dürfte“, bestätigt die Hamburger Ärztin Schaudig.

Allerdings wurde den Frauen der Vergleichsgruppe 6 Wochen nach Studienbeginn die gleiche Behandlung offeriert wie den Teilnehmerinnen der Interventionsgruppe. „Schade ist, dass das Team um Lund die Daten dieser Frauen nicht erhoben hat oder sie zumindest nicht mit in die Publikation hat einfließen lassen“, bedauert Schaudig. „Ein Cross-over-Design wäre schön gewesen, um gewissermaßen eine erste Bestätigung der nun vorliegenden Ergebnisse zu erhalten.“

Die Symptome der Frauen wurden per Fragebogen erfasst

Die Beschwerden der Frauen dokumentierten die Wissenschaftler mithilfe des MenoScores-Fragebogens, den Lund mitentwickelt hat. Er enthält eine Punkteskala von 0 bis 6 zu 11 klimakterischen Beschwerden.

Als primären Endpunkt ihrer Studie formulierten die Forscher die Auswirkungen der Akupunktur auf die Hitzewallungen ihrer Probandinnen, da sie das Leitsymptom der Wechseljahrsbeschwerden darstellen. Die Fragebögen wurden in einem Zeitraum von 6 Monaten insgesamt 4 Mal beantwortet.

„Es handelt sich um sehr gute und differenzierte Fragebögen“, sagt Schaudig. „Noch objektivere Ergebnisse hätte man allerdings mit Messgeräten erzielt, die Hitzewallungen über Veränderungen des Hautwiderstands erfassen.“ Jedoch wäre die Studie durch die Verwendung solcher Geräte auch deutlich aufwändiger und teurer geworden, räumt die DMG-Expertin ein.

Erfolge bereits 3 Wochen nach Therapiebeginn

Wie das Team um Lund berichtet, gaben eine Woche nach Beendigung der 5-wöchigen Behandlung 80% der Frauen in der Akupunktur-Gruppe an, dass ihnen die Therapie geholfen habe, ihre Beschwerden zu lindern.

Gegenüber der Kontrollgruppe, die nur eine geringe Veränderung der Beschwerden vermerkte, kam es demnach in Bezug auf die Hitzewallungen zu einer Verbesserung um 1,6 Punkte auf der MenoScores-Skala. Und bereits 3 Wochen nach der ersten Akupunktur empfanden die Probandinnen ihre Hitzewallungen offenbar als deutlich weniger störend als vor Beginn der Therapie.

 
Es lässt sich nur schwer beurteilen, ob die Wirkungen der Akupunktur über einen reinen Placeboeffekt hinausgehen. Dr. Katrin Schaudig
 

Signifikante Verbesserungen gegenüber der Kontrollgruppe konnten die Forscher um Lund auch bei den Symptomen Schweißausbrüche, Schlafstörungen, Stimmungsschwankungen, allgemeine körperliche Symptome sowie Haut- und Haarprobleme verzeichnen. Keine Unterschiede zwischen den Gruppen fanden sich hingegen bei Gedächtnisstörungen, abdominalen Symptomen, Harn- und Vaginalbeschwerden, sexuellen Funktionsstörungen und Müdigkeit.

Vertragen wurden die Akupunktur-Behandlungen von den Frauen anscheinend gut. Bis auf eine hätten alle Probandinnen an den 5 angebotenen Sitzungen teilgenommen, schreiben Lund und ihre Kollegen. Nur 4 Teilnehmerinnen hätten über milde Nebenwirkungen berichtet.

Da sich die Therapie leicht in die Grundversorgung integrieren lasse und von den Patientinnen offenbar gut angenommen werde, sei sie für Frauen, die sich keiner Hormontherapie unterziehen wollten oder dürften, eine realistische Alternative, lautet das Fazit der dänischen Wissenschaftler.

An die Effekte der HET reicht die Akupunktur nicht heran

„Ein bisschen schade finde ich, dass Lund und ihre Kollegen nur die Unterschiede zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe in absoluten Punkten angegeben haben“, sagt Schaudig. „Aufschlussreich wären ja auch die Veränderungen in Prozent innerhalb der Akupunktur-Gruppe gewesen.“

 
Ärzte können aus meiner Sicht all jenen Frauen, die für eine Akupunktur-Behandlung offen sind, das Verfahren zunächst einmal guten Gewissens anbieten. Dr. Katrin Schaudig
 

Es scheine jedoch so zu sein, dass die durch die Akupunktur erzielten Verbesserungen in etwa in der Größenordnung von denen lägen, die bei den vorliegenden Studien zur HET in den Placebogruppen zu verzeichnen seien, sagt Schaudig. „Aus diesem Grund und auch, weil die Vergleichsgruppe der aktuellen Studie aufgrund des Studiendesigns gar keine Placeboeffekte haben kann, lässt sich nur schwer beurteilen, ob die Wirkungen der Akupunktur über einen reinen Placeboeffekt hinausgehen.“

„Die positiven Wirkungen, die mithilfe einer Hormontherapie erzielt werden können, sind sicherlich größer als die der Akupunktur“, betont Schaudig. „Aber gerade angesichts der möglichen Nebenwirkungen einer HRT, vor denen sich viele Patientinnen scheuen, können Ärzte aus meiner Sicht all jenen Frauen, die für eine Akupunktur-Behandlung offen sind, das Verfahren zunächst einmal guten Gewissens anbieten.“

 

Kommentar

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