Berlin – Senioren sind reisefreudiger denn je und steuern dabei selbst in hohem Alter oft auch ferne und exotische Reiseziele an. „Bei aller Rüstigkeit sollte hierbei jedoch vermehrt auf altersspezifische Risiken“ – etwa durch eine Hypertonie geachtet werden, betonte Prof. Dr. Robert Steffen vom Institut für Epidemiologie, Biostatistik und Prävention der Universität Zürich auf einer Pressekonferenz des CRM Centrum für Reisemedizin in Berlin [1].
Laut Robert Koch-Institut haben 2 von 3 Über-65-Jährige in Deutschland eine bekannte, ärztlich diagnostizierte Hypertonie. Schon vor der Fernreise sollte der Blutdruck stabil auf Werte unter 140/90 mmHg eingestellt sein, rät Steffen. Denn umso besser können Schwankungen durch Stress, Anstrengung, Schlafmangel, Zeitverschiebung oder Klimaveränderung abgefedert werden.
Speziell bei tropischen Destinationen und solchen in großer Höhe sollten die Werte aber auch nicht zu tief sein, da sonst eine orthostatische Hypotonie drohen kann.
Hitze und Höhe können Blutdrucksenkung verstärken
Auf Fernreisen bestehe eher die Gefahr einer Über- als einer Unterdosierung der Antihypertonika, warnte der Experte. Denn Hitze-bedingte Vasodilatation und vermehrtes Schwitzen können den Blutdruck im Zusammenspiel mit der gewohnten Dosierung der Antihypertensiva übermäßig stark abfallen lassen. Auch Aufenthalte in großen Höhen tragen eher zur Senkung des Blutdrucks bei. Zudem steigt durch Hitze oder Höhe inklusive Langstreckenflug die Gefahr einer Dehydration mit Blutdruckabfall.
„Unter diesen Bedingungen sollte der Blutdruck öfter als sonst kontrolliert und die Medikation bei Bedarf angepasst werden“, empfiehlt der Züricher Reisemediziner. Reisefreudige Hypertoniker sollten dazu idealerweise ein persönliches Gerät für die Selbstmessung im Gepäck haben.
Vorsicht bei Diuretika und Sonne
Ein erst im vergangenen Jahr bekannt gewordenes Risiko betrifft mit Diuretika therapierte Hypertoniker, die in besonders sonnige Gebiete reisen: So zeigte eine dänische Studie, dass das in zahlreichen Antihypertensiva enthaltene Hydrochlorothiazid (HCT) die Inzidenz von nicht melanomartigen bösartigen Tumoren der Haut (NMSC) steigert.
„Falls genügend – mindestens 4 Wochen – Zeit vor der Abreise besteht, kann man eine Umstellung der Medikation erwägen“, so Steffen. Andernfalls sollten diese Reisende darauf hingewiesen werden, sich möglichst wenig Sonnenlicht und sonstiger UV-Strahlung auszusetzen und auf einen optimalen Lichtschutz zu achten.
Trotz diverser Vorsichtsmaßnahmen gelten Hypertoniker für den Züricher Reisemediziner als eher unkomplizierte Reisende: „Prinzipiell bestehen bei guter Blutdruckeinstellung und der Möglichkeit zur Kontrolle unterwegs keine Reise-Einschränkungen.“ Von einem Reiseplan müsse man daher im Rahmen der reisemedizinischen Beratung nur sehr selten abraten.
Thromboseprophylaxe: NOAK lösen Heparin ab
Vor allem Senioren mit kardiovaskulären Vorerkrankungen haben auf Langstreckenflügen jedoch auch ein erhöhtes Thrombose- und Embolierisiko. „Die prophylaktische Antikoagulation erfolgte lange Zeit als Heparin-Injektion vor dem Abflug, das Mitführen von Heparin-Spritzen im Reisegepäck führte gelegentlich aber auch zu Problemen bei der Zollabfertigung“ so Steffen.
„Hier bieten die neuen oralen Antikoagulantien (NOAK) speziell gefährdeten Patienten nun andere Optionen, weshalb sie die Heparin-Injektionen bereits weitgehend abgelöst haben“, sagte Steffen.
Hinweis auf erhöhtes Sturzrisiko
Eine reisemedizinische Beratung älterer Patienten sollte Steffen zufolge auch Hinweise auf die im Alter verminderte Gleichgewichtskontrolle und das dadurch erhöhte Sturz- und Frakturrisiko enthalten. „Wer bereits zu Hause etwas unsicher auf den Beinen ist, dem sollte etwa für Exkursionen oder auch im Hotel empfohlen werden, Eitelkeiten abzulegen und einen Gehstock mitzunehmen.“
Speziell beim Treppensteigen zu Land oder gar bei turbulentem Wetter auf dem Kreuzfahrtschiff sei Vorsicht angebracht.
Allgemeine Impfberatung: Schutz vor Influenza an erster Stelle
Die ärztliche Beratung von Senioren zur Infektionsprophylaxe richtet sich nach den auch für andere Altersgruppen für das jeweilige Reiseziel bestehenden Empfehlungen (etwa bei Reisen in Malaria- oder Gelbfieber-Endemiegebiete).
Außerdem sei bei der allgemeinen Impfberatung älterer Reisender nicht oft genug auf die Bedeutung der Influenza-Impfung hinzuweisen, die Steffen hier an erster Stelle der Impf-Empfehlungen sieht: „Wir wissen von zahlreichen Influenza-Fällen bei Senioren auf Reisen, die dann zu Pneumonien bis hin zu Todesfällen geführt haben.“ So kämen Grippeausbrüche besonders während Kreuzfahrten auch außerhalb der bei uns üblichen Epidemieperioden vor.
Zur Pneumonie-Prophylaxe ähnlich bedeutsam sei die Pneumokokken-Impfung. Als weitere wichtige allgemeine Impfungen für Senioren auf Reisen nannte der Zürcher Reisemediziner diejenigen gegen Herpes zoster und Hepatitis A.
Aber zumindest bei einer Reise-Infektion sei bei den Senioren ein vermindertes Risiko feststellbar: „Keine andere Altersgruppe leidet so selten wie Senioren an Reisediarrhö. Möglicherweise, weil sie weniger als junge Menschen essen oder eine gewisse Immunität gegen die Erreger erworben haben.“
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Diesen Artikel so zitieren: Gefahren für Rentner auf Fernreisen: Drohende Überdosierung von Antihypertensiva und Grippe auch außerhalb der Saison - Medscape - 26. Feb 2019.
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