Männliche und weibliche Subtypen beim Glioblastom: Sind wir auf dem Weg zu einer geschlechtsspezifischen Therapie?

Nadine Eckert

Interessenkonflikte

26. Februar 2019

Männer und Frauen mit Glioblastom lassen sich basierend auf dem Genexpressionsprofil des Tumors in 5 verschiedene männliche und weibliche Subtypen einteilen, die sich auch im Überleben unterscheiden, berichten Wissenschaftler der Abteilung für Genetik der Washington University School of Medicine in St. Louis, USA, in Science Translational Medicine  [1].

„Geschlechtsspezifische Analysen könnten eine präzisere molekulare Subtypisierung von Glioblastomen ermöglichen“, schreiben Erstautor Dr. Wei Yang und seine Kollegen. „Und für alle Patienten könnten verbesserte Outcomes erreicht werden, indem die Behandlung entsprechend der Geschlechterunterschiede der molekularen Mechanismen maßgeschneidert wird.“

Prof. Dr. Wolfgang Wick

„Es ist bekannt, dass die Inzidenz von Glioblastomen bei Männern höher ist als bei Frauen, etwa um das 1,6-Fache“, sagt Prof. Dr. Wolfgang Wick, Ärztlicher Direktor der Abteilung Neurologie am Universitätsklinikum Heidelberg, im Gespräch mit Medscape. „Das gilt für viele andere Tumorerkrankungen auch, doch anders als etwa beim Lungenkrebs – Männer rauchten in der Vergangenheit häufiger als Frauen – ist beim Glioblastom unklar, weshalb Männer häufiger daran erkranken als Frauen.“

Geschlechtsspezifische Analysen könnten eine präzisere molekulare Subtypisierung von Glioblastomen ermöglichen.

Dr. Wei Yangun und Kollegen

Höhere Inzidenz, schlechtere Prognose?

Ob die höhere Inzidenz bei Männern allerdings auch mit einer schlechteren Prognose vergesellschaftet ist, darüber herrscht Uneinigkeit. „Jüngere Studien zeigen, dass weibliches Geschlecht sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern mit einem besseren Outcome bei Glioblastomen assoziiert ist“, schreiben die Autoren um Yang.

„Die Mehrheit der größeren randomisierten Interventionsstudien der letzten 5 Jahre liefert keine Hinweise, dass Frauen ein anderes Outcome haben als Männer“, sagt dagegen Wick, der am Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ) die Kooperationseinheit Neuroonkologie leitet.

Um der Frage nach den Geschlechterunterschieden beim Glioblastom auf den Grund zu gehen, analysierten Wang und sein Team zunächst das Ansprechen auf eine trimodale Standardtherapie bestehend aus Operation, Bestrahlung und Chemotherapie mit Temozolomid. Nach der Bestrahlung, während der Erhaltungschemotherapie fertigten sie bei 40 Männern und 23 Frauen alle 2 Monate eine MRT-Aufnahme des Gehirns an.

Stärkeres Ansprechen bei Frauen

Aus Studien ist bekannt, dass „die Wachstumsgeschwindigkeit des Tumors mit dem Outcome korreliert“, erklären die Autoren. „Und die Serie von MRT-Aufnahmen deutete darauf hin, dass weibliche Patienten ein stärkeres Ansprechen auf die Behandlung zeigten als männliche Patienten.“

Yang und seine Kollegen vermuteten, dass Unterschiede in der Tumorbiologie bei Männern und Frauen für das differenzielle Ansprechen verantwortlich sein könnten. Deshalb schauten sie sich in einem nächsten Schritt die Genexpressionsprofile der Tumoren an, unter anderem mithilfe des „The Cancer Genome Atlas“. Tatsächlich fanden sie verschiedene geschlechtsspezifische Genexpressionsprofile, anhand derer sich 5 Subgruppen bilden ließen – die in Assoziation mit dem Überleben standen.

Subtypen mit Überleben assoziiert

„Bei den molekularen Glioblastom-Subtypen, bei denen das Geschlecht die Inzidenz beeinflusst, hat das Geschlecht auch einen Effekt auf das Überleben“, berichten Yang und seine Kollegen. „Unsere Ergebnisse deuten außerdem darauf hin, dass das Geschlecht modulieren kann, welchen Effekt bestimmte gliomerzeugende Mechanismen auf das Überleben haben, aber dass nicht alle Mechanismen sensitiv auf Geschlechtereffekte reagieren.“

Das Geschlecht hatte bei verschiedenen molekularen Subtypen unterschiedliche Effekte auf das Überleben. Deshalb gingen die Autoren um Yang davon aus, dass die beobachteten Unterschiede nicht nur auf Geschlechtshormone zurückzuführen sind. Weitere Analysen ergaben, dass es Unterschiede auf Ebene der Signaltransduktion gab. Während die Integrin-Signaltransduktion des Tumors bei den weiblichen Patienten mit dem Überleben korrelierte, war bei männlichen Patienten die Zellzyklus-Signaltransduktion mit dem Überleben assoziiert.

Bei den molekularen Glioblastom-Subtypen, bei denen das Geschlecht die Inzidenz beeinflusst, hat das Geschlecht auch einen Effekt auf das Überleben.

Dr. Wei Yangun und Kollegen

Stratifizierung für besseren Behandlungserfolg

Die Autoren schlussfolgern, dass eine Stratifizierung von Patienten basierend auf dem geschlechtsspezifischen molekularen Subtyp ihres Glioblastoms den Behandlungserfolg verbessern und bei der Entwicklung wirksamerer Therapien helfen könnte.

Yang und seine Kollegen ermittelten das zytotoxische Ansprechen mittels Gewebeproben von 4 Frauen und 5 Männern, bei denen insgesamt 4 Chemotherapeutika getestet wurden. In vitro waren die geschlechtsspezifischen molekularen Subtypen der Glioblastome auch ein Prädiktor für die Sensitivität gegenüber Chemotherapeutika.

Allerdings: „Diese In-vitro-Tests zur Chemosensitivitätsdiagnostik funktionieren bei Hirntumoren schlicht nicht“, sagt Wick und rät davon ab, diesen zudem bei einer kleinen Patientenzahl entdeckten Unterschieden zuviel Beachtung zu schenken.

Geschlechterunterschiede bei Biomarkern

Für Wick liegt der Wert dieser Untersuchung vor allem darin, dass prognostisch prädiktive Biomarker im Gewebe vor dem Hintergrund analysiert wurden, dass es Unterschiede zwischen Männern und Frauen geben könnte. „Dies könnte Hinweise auf Unterschiede im Therapieansprechen liefern“, betont er.

„Substanzen, die das Fortschreiten des Zellzyklus blockieren, könnten das Therapieansprechen bei Männern verbessern. Und Substanzen, die die Integrin-Signaltransduktion (verantwortlich für die Tumorinvasivität) blockieren, könnten das Ansprechen bei Frauen verbessern“, schreiben die Autoren.

Für mich liefert diese Arbeit einen Ansatz, um jetzt in größeren Kollektiven zu schauen, ob sich diese Hypothesen bestätigen lassen.

Prof. Dr. Wolfgang Wick

Die Testung entsprechender Substanzen bei Männern und Frauen ist für Wick allerdings noch nicht der nächste Schritt. „Eine Phase-3-Studie zur Integrin-Inhibition beim Glioblastom hat interessanterweise keinerlei Geschlechterspezifika im Ansprechen gezeigt. Für mich liefert diese Arbeit einen Ansatz, um jetzt in größeren Kollektiven zu schauen, ob sich diese Hypothesen bestätigen lassen“, resümiert er.

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....