Hohe Temperaturen sind während der Schwangerschaft nicht nur unangenehm. Sind Frauen in den ersten Wochen ihrer Schwangerschaft extremer Hitze ausgesetzt, steigt auch das Risiko von kongenitalen Herzfehlern. Der Klimawandel, so rechnet nun eine aktuelle Studie im Journal of the American Heart Association vor, könnte deshalb dazu beitragen, dass in den USA zukünftig deutlich mehr herzkranke Kinder geboren werden [1].
„Die Studie lenkt den Fokus auf medizinische Probleme, mit denen wir uns im Zuge des Klimawandels vermehrt auseinandersetzen müssen“, sagt Prof. Dr. Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für Geburtsmedizin am Universitätsklinikum Jena, im Gespräch mit Medscape. Der mögliche Zusammenhang zwischen steigenden Temperaturen und der Zahl kongenitaler Herzerkrankungen sei dabei ein bislang kaum beachtetes, aber ein überraschend wichtiges Thema, so Schleußner.
Auch die leitende Autorin Prof. Dr. Shao Lin von der School of Public Health an der University of Albany, New York, spricht in einer Pressemitteilung der American Heart Association von einer „alarmierenden Wirkung des Klimawandels auf die menschliche Gesundheit”.
Gleichsam betont Schleußner, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Perinatale Medizin (DGPM), dass die Studie epidemiologische Zusammenhänge, aber keine Kausalitäten darlegen kann.
Die in der Publikation beschriebenen Assoziationen stimmten aber mit den Ergebnissen früherer Veröffentlichungen aus verschiedenen Ländern überein. Und es gebe schon seit langem Daten, die auf die negativen Folgen von hohen Temperaturen bzw. Überwärmung, z.B. auch bei Fieber, während der Frühschwangerschaft hinwiesen.
Die genauen Mechanismen dahinter bleiben allerdings weiterhin unklar. Tierversuche, so die Forscher um Lin, deuteten darauf hin, dass durch Hitze fetale Zellen sterben oder hitzeempfindliche Proteine, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Fötus spielen, gestört werden.
Geschätzt 7.000 zusätzliche angeborene Herzfehler in 2025 bis 2035
Für ihre Analyse verwendeten die Forscher Klimaprognosen der NASA und des Goddard Institute for Space Studies. Anhand von Daten aus den Jahren 1995 bis 2005 prognostizierten sie die Veränderungen der täglichen Höchsttemperaturen bzw. die erwartete mütterliche Wärmebelastung in insgesamt 8 geografischen Regionen in den USA (Arkansas, Texas, Kalifornien, Iowa, North Carolina, Georgia, New York und Utah) für die Jahre 2025 bis 2035.

Prof. Dr. Ekkehard Schleußner
Um die Zahl der angeborenen Herzfehler im selben Zeitraum abzuschätzen, nutzten die Forscher Daten aus einer früheren Studie, die ebenfalls von Lin geleitet wurde und die das Risiko von angeborenen Herzfehlern basierend auf der mütterlichen Hitzebelastung in der Frühschwangerschaft (3 bis 8 Wochen post conceptionem) zwischen 1997 und 2007 berechnet hatte.
Die Forscher kombinierten dann die ermittelten Zusammenhänge zwischen Überwärmung und kongenitalen Herzfehlern mit den nun prognostizierten Erhöhungen der mütterlichen Wärmebelastung, um die Zahl der Herzerkrankungen in den Jahren 2025 bis 2035 abzuschätzen.
Ihr Fazit: Steigende Temperaturen, die auf den globalen Klimawandel zurückzuführen sind, könnten die Zahl der Säuglinge, die in den USA mit angeborenen Herzfehlern geboren werden, erhöhen. In den 8 repräsentativen Staaten kann dies zwischen 2025 und 2035 zu rund 7.000 zusätzlichen Fällen führen.
Vor allem hohe Temperaturen im Frühling sind gefährlich
Interessanterweise könnten den Berechnungen zufolge die Tage mit besonderen Hitzebelastungen zwar vor allem im Sommer zunehmen. Der prognostizierte Anstieg der Zahl der herzkranken Kinder scheint allerdings eher Frauen zu betreffen, die im Frühjahr hohen Temperaturen ausgesetzt sind. Speziell in den südlichen Regionen der USA ist dann vermehrt mit Säuglingen mit konotrunkalen Herzfehlern zu rechnen (+34%), im Nordwesten werden eher mehr Septumdefekte (+38,6%) auftreten.
Warum gerade der Frühling mit einem erhöhten Krankheitsrisiko behaftet ist, können die Autoren um Lin nicht erklären.
Schleußner sagt, dass eventuell nicht die Hitze selbst, sondern Anpassungsschwierigkeiten an große Temperaturschwankungen oder -anstiege zu den Herzfehlern führen könnten. Diese könnten zu stärkerem Hitzestress bei den Frauen führen – z.B. mit der Folge von Dehydrierung oder Stoffwechselentgleisungen, die dann teratogen auf die frühe embryonale Organentwicklung wirken.
Die Prognosen sind nicht perfekt, aber plausibel
Zudem ließe die hier angewendete Methodik noch Raum für Spekulationen, sagt Schleußner. So sei die Anwendung eines einzigen Modells für die Klimaprognose problematisch. Für belastbarere Aussagen würden Experten heutzutage mehrere Modelle kombinieren.
Auch beziehen sich die Autoren bei ihren Klimaprognosen nur auf einen relativ kurzen Zeitraum zwischen 2025 und 2035. „Wenn es in diesem Zeitraum ein ungewöhnlich kaltes Jahr geben sollte, könnte das die Berechnungen signifikant beeinflussen.“
Andererseits hätten die Autoren vermutlich noch weitaus dramatischere Zahlen erhalten, wenn sie ihre Prognose auf die nächsten 50 Jahre ausgeweitet hätten, so Schleußner, da die Weltgemeinschaft es bisher nicht vermochte, den zu erwartenden globalen Temperaturanstieg auf weniger als 2°C einzugrenzen. Letztlich sei die vorliegende Prognose plausibel und lenke den Blick eindrucksvoll auf die kommenden, dem Klimawandel geschuldeten medizinischen Probleme.
Auch Dr. Wangjian Zhang, Erstautor der Studie und Postdoktorand an der University of Albany, sagt: „Unsere Ergebnisse zeigen, wie dramatisch der Klimawandel die menschliche Gesundheit beeinflussen kann, und sie deuten darauf hin, dass pädiatrische Herzerkrankungen, die auf strukturelle Herzfehlbildungen zurückzuführen sind, eine wichtige Folge steigender Temperaturen werden können.“
Medscape Nachrichten © 2019
Diesen Artikel so zitieren: Klimawandel: Hitzestress und kongenitale Herzfehler – gibt es einen Zusammenhang? - Medscape - 20. Feb 2019.
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