Jetzt ist es amtlich! 2 Meta-Analysen bestätigen: Wer die Proteinurie wirksam verringert, senkt auch das Dialyse-Risiko

Julia Rommelfanger

Interessenkonflikte

19. Februar 2019

2 große Meta-Analysen stärken die Bedeutung der Proteinurie als valider prognostischer Marker einer Nephropathie [1,2]. Das könnte die Entwicklung und Durchführung von Interventionsstudien für neue effektive Therapien zur Behandlung der chronischen Niereninsuffizienz erleichtern. Auch könnte die Proteinurie als Screening im Rahmen des Gesundheits-Checkup ein geeigneter Marker sein.

2 Analysen mit ähnlichen Ergebnissen

Beide Analysen haben Studien ausgewertet, in denen sich Medikamente positiv auf eine Albuminurie auswirken sollten. In der ersten Meta-Analyse von 41 randomisierten Studien mit fast 30.000 Patienten (71% mit Diabetes) korrespondierte eine Albuminurie-Senkung mit einem Effekt auf den klinischen Endpunkt chronische Niereninsuffizienz.

Am stärksten wirkte sich die Behandlung aus bei Patienten mit hohen Proteinurie-Werten zu Studienbeginn, das heißt, einem Albumin-Kreatin-Quotienten (ACR) von über 30 mg/g. Die Autoren um Dr. Hiddo J. L. Heerspink, Bereich Klinische Pharmazie und Pharmakologie der Universität Groningen, Niederlande, haben errechnet, dass sich bereits eine Senkung der Albuminurie um 30% positiv auf den klinischen Endpunkt auswirkte, das heißt das Risiko für eine chronische Niereninsuffizienz senkte.

 
Proteinurie gleich Progression, denn je mehr die Filterfunktion der Niere beeinträchtigt ist, desto mehr Protein befindet sich im Urin. Dr. Christoph C. Haufe
 

In einer zweiten Analyse hat ein internationales Team um Prof. Dr. Josef Coresh, Johns Hopkins School of Public Health, Baltimore, USA, Daten von fast 700.000 Teilnehmern, 80% davon mit Diabetes, aus 28 Kohortenstudien im Chronic Kidney Disease Prognosis Consortium (CKD-PC) untersucht. Eine Reduktion der Albuminurie von 30% über 2 Jahre ging einher mit einer Minderung des Risikos einer Niereninsuffizienz um 22%. Auch in dieser Analyse wurde der Zusammenhang zwischen Proteinurie und Progressionsrisiko bei hohen Albuminurie-Werten besonders deutlich.

„Die ähnlichen Resultate zwischen diesem Bericht und dem unsrigen bestätigt die Robustheit unserer Ergebnisse und die Verwendbarkeit von Veränderungen der Albuminurie als Ersatz-Endpunkt für randomisierte kontrollierte Studien zur Progression der Nephropathie“, schlussfolgern Heerspink und Kollegen.

„Diese Erkenntnis überrascht uns Nephrologen nicht“, sagt Dr. Christoph C. Haufe. Leiter der Nephrologie im Helios Klinikum Erfurt und Mitglied im Erweiterten Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Nephrologie (DGfN), im Gespräch mit Medscape. „Wir wissen längst: Proteinurie gleich Progression, denn je mehr die Filterfunktion der Niere beeinträchtigt ist, desto mehr Protein befindet sich im Urin.“ Somit sei eine Senkung des Eiweißwerts auch ein Marker für den Erfolg eines therapeutischen Ansatzes.

Neu sei allerdings, dass dieser Zusammenhang nun statistisch belegt ist. Wichtig sei, dass die Patienten in den Studien der beiden Meta-Analysen bis zum Endpunkt chronische Niereninsuffizienz im Endstadium beobachtet wurden, um den Zusammenhang wirklich zu bestätigen. „Das ist der eigentliche Wert dieser Arbeit.“

FDA und EMA suchen Ersatz-Endpunkte

Chronische Niereninsuffizienz und andere bisher in Interventionsstudien genutzte Endpunkte, eine geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) von weniger als 15 ml/min/1,73 m2 und die Verdopplung des Kreatinwerts im Blut, treten sehr spät im Krankheitsverlauf auf. Experten versuchen daher Ersatz-Endpunkte für künftige Interventionsstudien zu finden, die schon früh auf eine drohende Niereninsuffizienz hindeuten. Somit könnte eine mögliche Behandlung früher einsetzen, was die Erfolgschancen erhöhe, argumentieren sie. Zudem könne die Dauer von Interventionsstudien verkürzt und die Mindestteilnehmerzahl herabgesetzt werden, was die Entwicklung und Erprobung neuer Therapien erleichtere, so Heerspink und Kollegen.

In einem Workshop der US Kidney Foundation, der US Food and Drug Administration (FDA) und der European Medicines Agency (EMA) im März 2018 wurden Kandidaten für Ersatz-Endpunkte evaluiert, die in Studien von Medikamenten, die das Fortschreiten einer chronischen Niereninsuffizienz verlangsamen sollen, eingesetzt werden können.

Die Eiweißansammlung im Urin gilt als biologisch plausibler prognostischer Marker der Nephropathie. Jedoch war bislang unklar, inwiefern Behandlungseffekte einer frühen Senkung der Albuminurie die Prognose der Patienten wirklich verbessert.

In der Tat hinke die Nephrologie bei der Anzahl klinischer Studien anderen Disziplinen hinterher, bemerken Dr. Beatriz Fernandez-Fernandez und Kollegen der Abteilung für Nephrologie und Hypertensiologie der Universität Madrid, Spanien, in einem begleitenden Editorial. Das limitiere die Verfügbarkeit wirksamerer Therapieoptionen. Durch Ersatz-Endpunkte könnten Phase-3-Studien einfacher durchgeführt werden und Informationen zur Effizienz eines Medikaments schneller generiert werden.

Dass in der Nephrologie weniger prospektive Studien durchgeführt werden als etwa in der Kardiologie, liege auch an dem meist langen Verlauf einer Nierenerkrankung und der Multimorbidität der Patienten, bemerkt Haufe. „Viele Patienten im Stadium 4 einer chronischen Niereninsuffizienz sterben vorzeitig an einer anderen Erkrankung.“

Reduktion der Albuminurie um 30% klinisch relevant

In der Analyse der von 1946 bis 2016 publizierten randomisierten Studien wurde untersucht, inwiefern sich eine 6-monatige Behandlung der Albuminurie auf den Albuminurie-Wert und den Studienendpunkt, chronische Niereninsuffizienz im Endstadium, auswirkte. Zu Studienbeginn betrug die durchschnittliche eGFR 58,2 ml/min/1,73m2, der Albumin-Kreatin-Quotien 272 mg/g. Dieser konnte nach durchschnittlich 6 Monaten um 22% gesenkt werden.

Nach einem durchschnittlichen Follow-up von 3,4 Jahren erreichten 3.935 Patienten (13%) den klinischen Studienendpunkt und wurden dialysepflichtig. Jede 30%ige Reduktion der Albuminurie ging mit einer Senkung des Risikos für den klinischen Endpunkt von 27% einher.

Der Anspruch einer 20-30%igen Senkung für künftige Studien erscheine zwar drastisch, doch sei ab dieser Grenze die Wahrscheinlichkeit hoch, auch einen Effekt auf des Risiko eines chronischen Nierenversagens zu sehen, bemerken die Autoren. „Das macht die Albuminurie im Grunde zu einem stärkeren Ersatz-Endpunkt.“

Noch deutlicher kristallisierte sich der Zusammenhang zwischen Albuminurie und Krankheitsprogression bei Patienten einem initialen ACR von mindestens 30 mg/g heraus. Dies impliziere, dass künftige randomisierte Studien mit der Albuminurie als Endpunkt auf Patienten beschränkt werden sollten, die bereits eine gewisse Menge Eiweiß im Urin aufweisen, schreiben Heerspink und Kollegen.

Daher seien die Ergebnisse besonders für Patienten mit diabetischer Nephropathie mit hohen Albuminurie-Werten zu Studienbeginn relevant. Dies betreffe viele Diabetiker und sei mit einem hohen Risiko für Nierenversagen verbunden. Zudem gebe es derzeit nur wenige Therapiemöglichkeiten.

Proteinurie als Screening geeignet?

Eine Analyse von 28 Kohortenstudien mit insgesamt 693.816 Patienten (Durchschnittsalter 63 Jahre, 80% mit Diabetes; durchschnittliche eGFR zu Studienbeginn 78 ml/min/1.73m2), deren Veränderung der Albuminurie über einen Zeitraum von 2 Jahren ausgewertet worden war, kam zu ähnlichen Ergebnissen. Das Risiko des klinischen Endpunktes, chronische Niereninsuffizienz, stieg beinahe linear zum Anstieg des ACR. Selbst kleine Veränderungen der Albuminurie gingen mit einem erhöhten Risiko einher, schreiben Coresh und Kollegen.

Zusammengenommen stützen die Erkenntnisse der beiden sehr unterschiedlichen Analysen die Albuminurie als Ersatz-Endpunkt für die Progression der chronischen Nierenerkrankung, besonders bei Patienten mit hohen Albuminurie-Werten zu Studienbeginn, so das Fazit der Autoren.

 
Diese Arbeit gibt einen Hinweis darauf, dass die Proteinurie flächendeckend als Screening verwendet werden sollte. Dr. Christoph C. Haufe
 

Auch für Fernandez-Fernandez bestätigen die beiden Analysen „die mögliche Verwendung von Veränderungen der Albuminurie als Ersatz-Endpunkt in künftigen Studien“. Jedoch müsse der exakte initiale Albuminurie-Mindestwert als Einschlusskriterium für solche Studien erst noch festgelegt werden.

„Wir Nephrologen sind in unserem Handeln auf eine sehr seriöse Art und Weise bestätigt worden“, sagt Haufe. Allerdings kämen die meisten Patienten zu spät, das heißt, mit einem schon sehr hohen ACR, zum Nephrologen. Um die Patienten frühzeitiger behandeln zu können, plädiert er für ein ACR-Screening im Rahmen des Gesundheits-Checkups. „Ein solcher Urintest ist noninvasiv und kostengünstig. Diese Arbeit gibt einen Hinweis darauf, dass die Proteinurie flächendeckend als Screening verwendet werden sollte.“

 

Kommentar

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