Tätowierungen bei MRT-Untersuchungen: Das Risiko ist gering – unerwünschte Ereignisse kommen aber vor

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

19. Februar 2019

Tätowierungen sind kein Hinderungsgrund für Untersuchungen mit Magnetresonanztomografie (MRT). Zu diesem Ergebnis kommen Forscher um Dr. Martina F. Callaghan vom University College London (UCL) Wellcome Centre for Human Neuroimaging in London im NEJM  [1]. Auf Basis einer prospektiven Studie fanden sie je nach Häufigkeit von MRT-Untersuchungen, dass bei 0,17 bis 0,30% aller Patienten mit Tattoo unerwünschte Effekte auftreten.

„Wir haben hier die bisher größte Studie zu Patienten mit Tattoos bei MRT-Untersuchungen vorliegen“, sagt Prof. Dr. Konstantin Nikolaou im Gespräch mit Medscape. Er ist Direktor der Abteilung für Diagnostische und Interventionelle Radiologie am Universitätsklinikum Tübingen und Wissenschaftskoordinator der Deutschen Röntgengesellschaft. „Endlich gibt es eine systematische prospektive Studie, über einzelne Fallberichte hinaus.“ Er sieht in der Arbeit „weitere Belege für die Sicherheit der MRT als Untersuchungsverfahren“.

Nikolaou: „Als Schwäche der Studie bleibt zu erwähnen, dass primär Kopfuntersuchungen durchgeführt worden sind.“ Welcher Abstand zwischen den Tattoos und der untersuchten Körperregion bestehe, sei nicht im Detail berichtet worden. Außerdem seien nur Patienten, deren Tattoos maximal 20 cm Länge hatten, untersucht worden. „Wir wissen nicht, ob sich größere Tätowierungen vielleicht anders verhalten – das ist ein physikalisches Phänomen, abhängig von der elektrischen Leitfähigkeit der verwendeten Tattoo-Pigmente und von der Frequenz der eingestrahlten Radiofrequenzimpulse“, ergänzt der Experte. 

 
Wir haben hier die bisher größte Studie zu Patienten mit Tattoos bei MRT-Untersuchungen vorliegen. Prof. Dr. Konstantin Nikolaou
 

Generell sei wichtig, Patienten mit Tattoos vor Untersuchungen ausreichend aufzuklären. Sollte beim MRT etwas bemerkt werden im Sinne eines Kribbelns oder einer Erwärmung der betreffenden Stelle, sollte der Patient sofort ein Zeichen geben. „Ich selbst kennen nur einen Fall aus der Klinik mit einem großen Tattoo am Schulterbereich“, sagt Nikolaou. „Hier kam es zur Erwärmung und zu einer leichten Hautrötung, dies war aber ohne Behandlung nach kurzes Zeit schon vollständig reversibel.“

Tattoos – theoretisch eine Gefahrenquelle im MRT

Die Thematik ist klinisch von großer Bedeutung. Denn: Laut Angaben von Statista trägt jeder vierte Deutsche mindestens ein Tattoo. Viele Millionen Menschen mit Tätowierung werden jedes Jahr in Krankenhäusern per MRT untersucht, ohne dass es systematische prospektive Studien gab.

Berichte über Komplikationen basieren meist auf einzelnen Fällen. Dabei werden unterschiedliche Effekte genannt. Ältere Tinten enthalten mitunter Eisenoxid-Partikel oder Eisensalze. Bei hohen magnetischen Flussdichten wirken Kräfte auf Eisenatome. Patienten beschreiben dies als Kribbeln Zuggefühl auf ihrer Haut, da sich Partikel bewegen. Zu direkten Schäden kam es aber nicht.

 
Wir wissen nicht, ob sich größere Tätowierungen vielleicht anders verhalten. Prof. Dr. Konstantin Nikolaou
 

Weitaus gefährlich sei laut Coautor Prof. Dr. Nikolaus Weiskopf die Leitfähigkeit mancher Farbpigmente. Weiskopf ist Direktor des Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften in Leipzig. „Das Hochfrequenzfeld hat üblicherweise eine Frequenz von ein paar hundert Megahertz – damit kommt man in die Resonanzlängen von leitenden Strukturen, die ungefähr auch der Länge eines Tattoos entsprechen“, erklärt der Forscher. „In diesem Fall nimmt das Tattoo viel von der Energie des Hochfrequenzfeldes auf, die sich normalerweise weiträumiger verteilen würde.“ Im schlimmsten Fall könne dies zu Verbrennungen führen.

Genaue Daten zur Häufigkeit solcher Ereignisse fehlten bislang. Dies sei angesichts der zunehmenden Verbreitung von Tattoos jedoch nötig, schreiben Callaghan und ihre Kollegen.

Studie mit 330 Teilnehmern zeigt kaum unerwünschte Effekte

Deshalb rekrutierten die Autoren für ihre prospektive Studie Probanden mit mindestens einem Tattoo. Bei ihnen durften höchstens 5% des Körpers tätowiert sein, wobei die Obergrenze bei 20 cm Länge pro Tattoo lag. Gestochene Kunstwerke auf dem Hals, dem Kopf oder den Genitalien waren Ausschlusskriterien. Bei Studienbeginn erfassten die Forscher neben der Größe, Farbe und Lokalisation auch, wann und wo die Kunst gestochen worden war.

Zwischen 2011 und 2017 untersuchten Ärzte 330 Personen von 18 bis 66 Jahren bei insgesamt 585 Sitzungen per MRT. Die Studienteilnehmer hatten 932 Tattoos, pro Person waren es 1 bis 7. Schwarze Zeichnungen standen klar im Fokus (717 Tattoos). Die Größe der Körperkunst schwankte zwischen 1,0 bis 20,0 cm. Die Tätowierungen wurden hauptsächlich in Europa (570 Tattoos), im Vereinigte Königreich (456 Tattoos) bzw. in Nord- und Südamerika (90 Tattoos) gestochen.

Im Rahmen der Studie arbeiteten Ärzte mit Geräten von Siemens. Dazu gehörten ein Magnetom Allegra-Scanner, 3 unterschiedliche Magnetom Trio-Scanner und ein Magnetom Prisma-Scanner. Die Geräte lieferten 3 Tesla als statische Magnetfeldstärke.

Ein Proband gab rückblickend an, bei der Untersuchung ein Kribbeln gespürt zu haben. Es habe sich den Autoren zufolge jedoch nicht um unerwünschte Effekte durch das MRT gehandelt.

Eine andere Person mit Tätowierungen am Handgelenk empfand tatsächlich Wärme an dieser Stelle. Daraufhin brachen Ärzte die Untersuchung ab. Callaghan und ihre Kollegen führen die Beobachtung auf das Magnetfeld und die Tinte zurück.

 
Wenn man unter diesen in der Studie festgestellten Bedingungen scannt, ist das Risiko sehr gering, dass es zu Nebenwirkungen kommt. Dr. Martina F. Callaghan
 

Mit statistischen Verfahren errechneten sie als Wahrscheinlichkeit, dass es zu unerwünschten Ereignissen kommt: 0,17% (Einzeluntersuchung) bzw. 0,30% (mehrere Untersuchungen). „Anhand unserer Studie können wir den Probanden an Forschungseinrichtungen nun aufgrund aussagekräftiger Zahlen sagen: Wenn man unter diesen in der Studie festgestellten Bedingungen scannt, ist das Risiko sehr gering, dass es zu Nebenwirkungen kommt“, erklärt Callaghan in einer Presseinformation.

Tätowier-Tinten, ein kaum regulierter Markt

Ob sich die Resultate auf andere Gerätetypen übertragen lassen, ist unklar. Ein grundlegendes Problem liegt jedoch außerhalb der Wissenschaft: „Tätowiermittel müssen nicht zugelassen werden“, schreibt das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR). „Der Hersteller ist für die Sicherheit der Mittel verantwortlich.“

 
Tätowiermittel müssen nicht zugelassen werden. Bundesinstitut für Risikobewertung
 

Gesundheitsbedenkliche Stoffe seien durch die deutsche Tätowiermittel-Verordnung verboten. Trotz geringer Wahrscheinlichkeit können sich Ärzte nicht darauf verlassen, dass die Körperkunst eines Patienten frei von Eisenatomen ist.

 

Kommentar

3090D553-9492-4563-8681-AD288FA52ACE
Wir bitten darum, Diskussionen höflich und sachlich zu halten. Beiträge werden vor der Veröffentlichung nicht überprüft, jedoch werden Kommentare, die unsere Community-Regeln verletzen, gelöscht.

wird bearbeitet....