Die aktuelle Grippe-Saison machte mit Lieferproblemen auf sich aufmerksam. Wie Medscape berichtet hatte, häuften sich im Herbst 2018 Meldungen, dass der neue tetravalente Impfstoff nicht ausreichend zur Verfügung stehe. Dennoch konnte das Paul-Ehrlich-Institut (PEI) für die aktuelle Influenza-Saison 15,7 Millionen Impfstoffdosen freigeben.
Das waren eine Million Dosen mehr als 2017/2018 verbraucht worden war. Das PEI wertet die zeitweisen Lieferprobleme als „regionale und lokale Verteilungsengpässe.“ Bis vor Kurzem war die Influenza-Aktivität gering, doch nun nimmt die Zahl der Neuerkrankungen spürbar zu. Welche Subtypen dominieren? Wie sieht der bisherige Verlauf aus? Ist eine Impfung noch sinnvoll?

Dr. Silke Buda
Antworten darauf gibt Dr. Silke Buda, Stellvertretende Fachgebietsleiterin der Abteilung für Infektionsepidemiologie und Teamleiterin Influenza beim Robert Koch-Institut (RKI).
Medscape: Geht die Grippewelle jetzt erst so richtig los?
Dr. Buda: Wir haben 14.341 laborbestätigte Influenza-Neuerkrankungen für die Kalenderwoche 6 (Stand 13. Februar 2019, Influenza-Wochenbericht). In Kalenderwoche 5 waren es 9.200 Neuerkrankungen. Das zeigt, dass wir noch in der ansteigenden Phase der Grippewelle sind. Auch wenn es – im Vergleich zur vergangenen Saison – etwas gedauert hat, bis sie in Schwung gekommen ist. Insgesamt haben wir bislang über 35.000 laborbestätigte Influenza-Fälle. Die Zahl der Todesfälle ist auf 74 gestiegen.
Medscape: Erkranken eher Erwachsene, Ältere oder Kinder?
Dr. Buda: Grundsätzlich können alle Altersgruppen an Influenza erkranken. In dieser Saison zirkulieren vor allem die Influenza-A-Viren, also die beiden Subtypen H3N2 und H1N1.
An H3N2 erkranken eher ältere Menschen. Das sind Patienten, die schon aufgrund ihres altersbedingt schwächeren Immunsystems oder auch aufgrund von anderen Erkrankungen ein höheres Risiko für schwerere Krankheitsverläufe aufweisen.
Typ H1N1 trifft eher Kinder und jüngere Menschen. Wobei letztere sich leichter und schneller anstecken – in Kitas, Kindergärten oder Schulen. Kinder sind ja meist die ersten in der Familie, die sich mit Influenza anstecken.
Medscape: Wie verläuft die bisherige Saison? Gibt es ungewöhnlich viele schwere Erkrankungsverläufe?
Dr. Buda: Abschließend können wir das erst im weiteren Verlauf der Grippesaison beurteilen; wir müssen sehen, wie die Entwicklung weiter geht. Bislang zeigt sich aber kein Unterschied im Vergleich zu früheren Grippe-Saisons; der Anteil schwerer Verläufe ist nicht ungewöhnlich hoch.
Unterschiede zur vergangenen Grippe-Saison sind, dass die aktuelle Saison etwas später begonnen hat und dass in der vergangenen Saison die B-Viren dominiert haben und jetzt die A-Subtypen.
Medscape: Es sieht ja so aus, als würde die Influenza-Aktivität in den nächsten Wochen noch weiter ansteigen. Ist es sinnvoll, sich jetzt noch impfen zu lassen?
Dr. Buda: Ja, es kann sinnvoll sein, sich jetzt noch impfen zu lassen. Denn die Impfung ist der beste Schutz vor der Grippe. Man muss aber bedenken, dass der Impfschutz nach einer Impfung 14 Tage braucht, um sich aufzubauen. Weil wir uns noch in der Phase befinden, in der die Grippewelle ansteigt, lohnt sich das durchaus noch. Ich empfehle, sich mit seinem Hausarzt oder seiner Hausärztin zu beraten. Das gilt natürlich besonders für die Personen, für die die STIKO die Grippeimpfung empfiehlt.
Medscape: Was kann man noch tun, um sich zu schützen?
Dr. Buda: Man kann und sollte sein eigenes Infektionsrisiko senken: also Abstand zu anderen Menschen zu halten, vor allem dann, wenn diese Symptome einer akuten Atemwegserkrankung zeigen wie Husten und Niesen. Auch Händewaschen ist ganz wichtig. Denn wenn man Viren an den Fingern hat, können die auf die Atemschleimhäute übertragen werden, wenn man sich an Mund oder Nase fasst. Grundsätzlich hilft ein stabiles Immunsystem, die Infektion gleich zu Beginn zu bekämpfen: Also gesund leben, sich bewegen, sich gesund ernähren hilft sicher auch.
Medscape: Auf der International Stroke Conference Anfang Februar wurden jetzt zwei Vorstudien vorgestellt, in denen eine Influenza-Infektion mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko in Verbindung gebracht wird. Die Odds Ratio lag bei 1,39, wenn einem Schlaganfall eine Influenza-Infektion voranging. Noch ein guter Grund, Patienten eine Impfung zu empfehlen?
Dr. Buda: Ja, auf jeden Fall. Die Influenza ist eine akute Infektionskrankheit und belastet den gesamten Organismus. Damit steigt auch das Risiko, infolge einer Infektion eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln.
Medscape: Wie gut „passt“ denn der Impfstoff zur saisonalen Influenza?
Dr. Buda: Wie wirksam der Impfstoff tatsächlich schützt, untersuchen wir. Abschließend beurteilen können wir das aber erst zum Ende der Saison hin, wenn wir mehr Fälle haben. Wie gut der jeweilige Impfstoff passt, schwankt von Saison zu Saison.
Es gibt aber Hinweise, dass die Komponenten des Impfstoffs die beiden Subtypen ganz gut treffen. Berichte über den Verlauf der saisonalen Influenza aus Kanada jedenfalls zeigen, dass das speziell für H1N1 so ist. Vergangene Saison war es so, dass ein B-Virus zirkuliert ist, das im trivalenten Impfstoff nicht enthalten war.
Medscape: Ist grundsätzlich ein tetravalenter Impfstoff besser als ein trivalenter? Einfach, weil er mehr Subtypen abdeckt?
Dr. Buda: So generell kann man das nicht sagen. Ein Dreifach-Impfstoff enthält eine B-Linie und die zwei A-Subtypen, der Vierfach-Impfstoff hingegen die zweite B-Linie. Immer dann, wenn in einer Saison beide B-Linien häufig zirkulieren oder genau die B-Linie häufig ist, die nicht im trivalenten Impfstoff drin ist, schützt der tetravalente Impfstoff besser als der trivalente.
Medscape: Herzlichen Dank für das Gespräch.
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Diesen Artikel so zitieren: Influenzawelle 2019: Fakten und Tipps, die Sie in der Grippe-Hochsaison kennen sollten – eine Zwischenbilanz - Medscape - 19. Feb 2019.
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