B-Vitamine gegen Psychosen? Als Add-On haben sie keinen generellen Effekt, aber Subgruppen könnten profitieren

Michael van den Heuvel

Interessenkonflikte

15. Februar 2019

Erhielten Patienten beim ersten Auftreten psychotischer Symptome hochdosierte B-Vitamine als Ergänzung ihrer Psychopharmako-Therapie, verbesserten sich ihre Symptome im Vergleich zu Placebo als Add-on größtenteils nicht. Nur die Vigilanz blieb stabil, was unter Scheinmedikamenten nicht der Fall war. Das berichten Forscher um Dr. Kelly Allott von Orygen, the National Centre of Excellence in Youth Mental Health, im australischen Parkville auf Basis einer randomisierten, placebokontrollierten Studie. Ihre Ergebnisse wurden in Biological Psychiatry veröffentlicht [1].

 
Breits eine Metareview aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass B- oder D-Vitamine bei Psychosen nur einen Effekt zeigen, falls Defizite bestehen. Prof. Dr. Peter Falkai
 

„Die Ergebnisse überraschen nicht“, sagt Prof. Dr. Peter Falkai im Gespräch mit Medscape. Er arbeitet an der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie, LMU München, und ist Past President der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde (DGPPN). „Breits eine Metareview aus dem Jahr 2017 hat gezeigt, dass B- oder D-Vitamine bei Psychosen nur einen Effekt zeigen, falls Defizite bestehen.“

Hätten Patienten normale Vitaminspiegel, sei bei Substitution auch keine Verbesserung zu erwarten. „Deshalb bestimmen wir bei jedem Patienten, der sich das erste Mal in der Klink vorstellt, u.a. Vitamin B12-, Vitamin-D- und Folsäure-Spiegel.“ Nur bei Auffälligkeiten werde gezielt substituiert. Sein Fazit: „Die Studie liefert nichts wirklich Neues.“

Senkung des Homocysteinspiegels – eine bekannte Strategie

Wie Allott und Kollegen berichten, war bisher bekannt, dass bei Schizophrenie erhöhte Homocysteinspiegel mit einem schwereren Krankheitsverlauf assoziiert sind. Da Folsäure, Vitamin B6 und Vitamin B12 den Homocystein-Wert verringern, bieten Nahrungsergänzungsmittel gute Möglichkeiten der Intervention. Hier besteht sogar eine Dosis-Wirkungs-Beziehung. Deshalb wollten die Forscher herausfinden, ob Patienten mit ersten psychotischen Episoden von der Supplementation profitieren.

Für ihre randomisierte, doppelt verblindete, placebokontrollierte Studie rekrutierten sie 120 Patienten und ordneten sie 2 Studienarmen zu. Teilnehmer erhielten 12 Wochen lang pro Tag entweder ein Kombinationspräparat mit 5 mg Folsäure plus 0,4 mg Vitamin B12 plus 50 mg B6 oder ein Placebo-Präparat. Zur Messung der Adhärenz wurden die Tablettendosen mit einem elektronischen Sensor ausgestattet, der jede Entnahme registriert.

Als primäre Endpunkte definierten die Forscher Änderungen der Symptomatik anhand der Positive and Negative Syndrome Scale (PANSS): einer Skala, die ursprünglich für Patienten mit Schizophrenie entwickelt worden ist. Hinzu kamen 11 Tests zur Beurteilung neurokognitiver Leistungen. Der sekundäre Endpunkt umfasste neben weiteren Funktionsmessungen vor allem die Sicherheit und Verträglichkeit von Supplementen.

Nur die Vigilanz verbessert

Insgesamt konnten Daten von 100 Personen ausgewertet werden, während 20 nicht an allen Follow-ups teilnahen. Die Adhärenz war mit 65% (Verum) versus 64% (Placebo) annähernd vergleichbar. Serum-Homocysteinwerte wurden bei der Analyse in 2 Gruppen, nämlich „normal“ (≤ 15 μmol/l) und „erhöht“ (> 15 μmol/l) eingeteilt.

Wie zu erwarten war, verringerte das Vitamin-B-Präparat den Homocystein-Spiegel signifikant. Als Effektstärke (ES) geben die Autoren -0,65 an. Bekanntlich gelten ES unter 0,1 als irrelevant, ab 0,3 als mittel und ab 0,5 als bedeutsam. Auch für Folsäure in Erythrozyten (ES: 0,88), Folsäure im Serum (ES: 0,77) bzw. für Vitamin B12 im Serum (ES: 0,37) zeigten sich nach 12 Wochen Änderungen.

Allerdings gab es zum Studienende keine Unterschiede bei positiven und negativen Symptomen oder bei der Neurokognition. „Unsere Feststellung, dass Supplementationen mit B-Vitaminen zu keiner Verbesserung psychiatrischer Symptome führten, steht im Gegensatz zu früheren Studien“, schreiben Allott und Kollegen.

 
Unsere Feststellung, dass Supplementationen mit B-Vitaminen zu keiner Verbesserung psychiatrischer Symptome führten, steht im Gegensatz zu früheren Studien. Dr. Kelly Allott und Kollegen
 

Sekundäre Analysen zeigten jedoch, dass B-Vitamine die Vigilanz verbesserten, und zwar speziell bei Patienten mit erhöhtem Homocysteinwert, mit affektiven Psychosen und generell bei Frauen. Weitere Untersuchungen seien erforderlich, um diese Faktoren zu bestätigen, heißt es in der Studie. Die Autoren hoffen mittelfristig auf Biomarker, um Patienten zu identifizieren, die von Supplementen profitieren.

Methodische Einschränkungen

Doch warum unterscheiden sich die Ergebnisse von früheren Untersuchungen? Am Stoffwechsel selbst lag es nicht. „Es wird manchmal behauptet, Methylfolat sei vorteilhafter als Folat“, schreibt Dr. Steven Dubovsky, Associate Editor beim NEJM. „Aber in dieser Studie gelangte Folat zumindest in die Erythrozyten und seine Wirkung war unabhängig von Allelen folatmetabolisierender Enzyme.“

Allott und ihre Coautoren äußern eine andere Hypothese: Alle Teilnehmer hätten Psychopharmaka eingenommen, wobei hier keine Standardisierung möglich gewesen wäre. Außerdem fiel den Forschern auf, dass ihre Teilnehmer weitaus schwächere Symptome hatten als in älteren Arbeiten: ein Faktor, der die Ergebnisse beeinflussen könnte. Informationen zum Body-Mass-Index (BMI), zum Nikotin- sowie zum Koffeinkonsum fehlten ebenfalls. Ob solche Faktoren den Homocysteinspiegel beeinflussen, bezweifeln die Wissenschaftler jedoch.

 

Kommentar

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