Trainingsprogramme können die Zahl an Stürzen bei älteren Menschen einem Cochrane Review zufolge verringern. Die erfassten Studien lieferten Beweise mit „hoher Sicherheit“, schreiben Prof. Dr. Cathie Sherrington vom Institute for Musculoskeletal Health der Universität Sydney, Australien, und ihre Kollegen [1]. Zu der Frage, ob die Zahl an Frakturen bzw. medizinischen Behandlungen zurückgegangen ist, finden sie aber keine stichhaltigen Beweise.
Die Erkenntnis, dass Übungen präventiv gegen Stürze wirken, deckt sich mit bekannten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG): „Schon mit einem einfachen Gleichgewichts- und Krafttraining kann die Sturzgefahr erheblich gemindert werden“, sagt Prof. Dr. Clemens Becker vom Robert-Bosch-Krankenhauses Stuttgart und von der DGG.
Der Experte sieht großen Handlungsbedarf, denn: „Häufige Stürze verursachen auch hohe Kosten für Operationen und anschließende Rehabilitation. Maßnahmen zur Prävention wirken sich also nicht nur positiv auf die individuelle Lebensqualität aus, sondern entlasten auch das Gesundheitssystem.“
Studienlage zur Prävention durch Training
Das ist auch dringend erforderlich, denn: Jenseits des 50. Lebensjahres verschlechtern sich die Balance, die Muskelkraft, die Ausdauer und die Beweglichkeit immer stärker. Etwa jeder Dritte über 65 Jahren stürzt mindestens einmal pro Jahr. Bei den Über-80-Jährigen ist es fast jeder Zweite. Und laut DGG-Angaben müssen bundesweit 400.000 ältere Patienten pro Jahr aufgrund von Stürzen stationär behandelt werden, meist wegen einer Hüftfraktur. Deshalb sind Präventionsstrategien gefragt.
Sherrington und ihre Kollegen haben für den neuen Cochrane Review Ergebnisse aus 108 randomisierten kontrollierten Studien mit 23.407 Teilnehmern aus 25 Ländern zusammengefasst.
Das Durchschnittsalter der Studienteilnehmer lag bei 76 Jahren. Unter den erfassten Probanden waren 75% Frauen. 81 dieser Studien verglichen Übungen aller Art mit Kontrollgruppen ohne Intervention bzw. mit minimaler Intervention ohne zu erwartenden Effekt. Die Teilnehmer lebten zu Hause oder in speziellen Seniorenunterkünften.
Zu den Ergebnissen mit hoher Qualität der Evidenz:
Bewegung verringerte die Zahl an Stürzen mit hoher Sicherheit um 24%.
Durch Bewegung ging die Zahl stürzender Personen mit hoher Sicherheit um 13% zurück.
Studien zu folgender Schlussfolgerung hatten nur eine moderate Qualität der Evidenz:
Kombinationen verschiedener Übungen, etwa Gleichgewichts- und Funktionsübungen plus Krafttraining, reduzieren die Rate an Ereignissen um 34% und die Anzahl Betroffener um 22%.
Welche Trainingsprogramme bieten einen Mehrwert?
Laut Cochrane Review waren Trainingsprogramme in Gruppen oder allein unter professioneller Anleitung wirksam. Die Übungen wurden meist im Stehen durchgeführt. Dies bringe Vorteile im Alltag, etwa beim Treppensteigen oder beim Aufstehen. Einige effektive Programme verwendeten auch Gewichte, um härter zu trainieren.
Auf welche Details ist dabei zu achten? Sherrington und ihre Kollegen fanden starke Hinweise, dass Programme, die hauptsächlich Balance- und Funktionsübungen beinhalten, Stürze reduzieren.
Deutlich mehr Unsicherheit gebe es bei Programmen mit mehreren Übungskategorien, etwa Balance- und Funktionsübungen plus Krafttraining.
Tai-Chi kann Stürze möglicherweise verhindern. Aber es fehlen Hinweise, ob Tanz oder Gehen allein, also ohne Gleichgewichtsübungen, sinnvoll ist.
„Diese Erkenntnisse helfen, ein noch besseres Bild zu vermitteln, dass Bewegung dazu beitragen kann, Stürze älterer Menschen zu verhindern“, fasst Sherrington in einer Meldung zusammen. „Es sind jedoch weitere Arbeiten erforderlich, um die Auswirkungen von Bewegung auf sturzbezogene Frakturen und Stürze festzustellen, die ärztlich behandelt werden müssen.“ Ob Trainings vielleicht mit unerwünschten Effekten in Verbindung steht, sei ebenfalls offen.
Empfehlungen für die Praxis
Von der Theorie zur Praxis: Die DGG rät Ärzten, Patienten unterschiedliche Empfehlungen an die Hand zu geben. Dazu gehört, regelmäßige Bewegung wie Treppensteigen, Spaziergänge oder Balanceübungen in den Alltag einzubauen.
Wer Neues ausprobiert, etwa zum Tanzen oder Kegeln geht bzw. einen Tai-Chi-Kurs besucht, beugt Stürzen ebenfalls vor. Regelmäßiges Kraft- und Balance-Training, mindestens 2- oder 3-mal pro Woche, zeige die besten Effekte.
Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) hat eine Broschüre „Das Übungsprogramm – Fit und beweglich im Alter“ veröffentlicht, die Ärzte ihren Patienten empfehlen können.
Medscape Nachrichten © 2019 WebMD, LLC
Diesen Artikel so zitieren: Cochrane Review: Gezieltes Training vermeidet Stürze – aber nicht jede Methode ist effektiv - Medscape - 7. Feb 2019.
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