Gegen die Verschwendung: US-Vorschlag zum Recycling teurer Krebsmedikamente – und wie sieht´s bei uns aus?

Nick Mulcahy

Interessenkonflikte

6. Februar 2019

Ärzte sollten teure orale Chemotherapeutika recyceln dürfen, um mehr Patienten den Zugang zu Krebsmitteln zu ermöglichen und gleichzeitig die Verschwendung solcher Mittel zu reduzieren. Das sei „medizinisch sinnvoll“, schreibt eine Gruppe von US-amerikanischen Onkologen in einem Kommentar, der in The Oncologist veröffentlicht worden ist [1].

 
Ärzte sollten die Möglichkeit haben, Krebsmedikamente, die bei einem Patienten ausrangiert wurden, an einen anderen Patienten weiterzugeben. Dr. Jodi Layton und Kollegen
 

„Ärzte sollten die Möglichkeit haben, Krebsmedikamente, die bei einem Patienten ausrangiert wurden, an einen anderen Patienten weiterzugeben – und zwar ohne den Weg über eine Apotheke“, schreiben die Autoren um Dr. Jodi Layton von der Tulane University in New Orleans, Louisiana.

Dies erfordere „eine erhebliche Lockerung oder Änderung der Regeln und Vorschriften, denen Apotheken und Ärzte unterliegen“. Derzeit verursache ihr Vorschlag rechtliche Verwirrung, geben die Autoren zu, aber einige Ärzte „ignorierten die Problematik“ ohnehin und recycelten illegal oder in einer legalen Grauzone.

Recycling „wirtschaftlich zwingend und auch ökologisch sinnvoll“

Das trifft zu, bestätigt die Pharmazeutin Dr. Elizabeth Lindquist von der SwedishAmerican Regional Cancer Center Pharmacy in Rockford, Illinois. „Ärzte machen das bereits heimlich“, sagte sie gegenüber Medscape.

Wie die Autoren setzt sich auch Lindquist dafür ein, keine verschreibungspflichtigen Medikamente zu verschwenden; ein Recycling sei deshalb „wirtschaftlich zwingend und auch ökologisch sinnvoll“. Lindquist engagiert sich zum Thema Arzneimittel-Recycling auch bei Twitter (@EALindquist).

Allerdings hegt Lindquist Zweifel an der Durchführbarkeit des Vorschlags: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Autoren ärztliche Recycling-Initiativen fördern sollten, wenn sie auf die gleichen Barrieren stoßen wie Apotheken, die sich mit dem Lagern von Medikamenten auseinandersetzen müssen. Hinzu kommt: Ein Recycling durch Ärzte ist auch weniger effizient und ermöglicht nur den Zugang für die Patienten der daran teilnehmenden Ärzte“, sagte sie.

 

Deutschland: Betreuung durch Arzt oder Apotheker vor Ort statt Recycling

„Grundsätzlich ist gerade nach Bottrop der Umgang mit Krebsmedikamenten streng reglementiert und eine Rücknahme von nicht mehr benötigten Krebsmedikamenten oder nicht zur Anwendung gekommenen Infusionslösungen in der Regel nur zur Vernichtung erlaubt“, erklärt Michael Höckel, Sprecher der Arbeitsgruppe Onkologische Pharmazie (OPH) in der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Onkologische Pharmazie (DGOP), auf Nachfrage von Medscape.

Die DGOP, die OPH und die DKG sehen einen Lösungsansatz in der wohnortnahen Versorgung von Krebspatienten, um eine an die jeweilige klinische Situation angepasste Therapieänderung zeitnah umzusetzen. Das wiederum schließe die Zentralisierung von Herstellung aus, also die reine Belieferung über weite Entfernung.

„Durch die Betreuung durch Arzt und Apotheker vor Ort wird aus unserer Sicht das Risiko zur Notwendigkeit für Recycling minimiert“, erklärt Höckel.

Aus Sicht der DKG ist aber noch einiges zu verbessern: Seit Jahren fordert sie deshalb Packungsgrößen, die an veränderte Therapien angepasst sind. Das sollte kombiniert werden mit der Betreuung durch eine wohnortnahe Apotheke. Eine ortsnahe Versorgung der Patienten mit enger Kooperation zwischen Arzt und Apotheke ermöglicht auch, kostenintensive Verwürfe nicht verwendbarer Zubereitungen zu reduzieren – davon profitieren die Kassen und die Solidargemeinschaft.

„Hier ist Deutschland weiter als die USA – wenn man unser bewährtes System nicht zerstört“, sagt Höckel. Leider rüttelten Ausschreibungen und Rabattierungsvereinbarungen an den Grundfesten der wohnortnahen Versorgung. Spezielle Versorgungsmodelle wie die Palliativnetzwerke seien bei der Ausweitung der aktuellen Ausschreibungspraxis akut bedroht, denn Ausschreibungen förderten Oligopole. Der Ansatz der DKG entspreche den vom Bundesministerium für Gesundheit geforderten Maßnahmen zur Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS).

 

Layton und ihre Kollegen schreiben, dass es in den USA Standorte gebe, die das Recycling von Krebsmedikamenten erleichtern. Aber: „Wir sehen dennoch nicht, dass diese Programme unseren Patienten auch zugutekommen“, schreibt das Team, zu dem Wissenschaftler der University of Minnesota in Minneapolis und der Oregon Health and Sciences University in Portland gehören. Die Gruppe ist auf der Suche nach einem System, das „ein sicheres und effizientes Recycling ermöglicht“ und medizinisch akzeptabel ist.

„Jede Entität, für die ein Recycling infrage kommt, braucht dazu ein durchdachtes Programm, das es ermöglicht, den Weg oraler Krebsmittel nachzuverfolgen: vom Zeitpunkt der Verschreibung, der Abgabe bis zu der Rückgabe unbenutzter Rezepte, sobald eine Behandlung nicht mehr angezeigt ist“, sagte Layton gegenüber Medscape.

Arzneimittel-Recycling läuft schon – in Tennessee und Iowa

Das ist sehr wichtig, stimmt Dr. Philip Baker zu, Pharmazeut bei der Good Shepard Pharmacy, einer gemeinnützigen Organisation in Nashville, Tennessee. Aber die größere Herausforderung, so Baker zu Medscape, ist die Schaffung eines Systems, das „selbsttragend“ ist.

 
Durch die Betreuung durch Arzt und Apotheker vor Ort wird aus unserer Sicht das Risiko zur Notwendigkeit für Recycling minimiert. Michael Höckel
 

„Jedes System, das auf Freiwilligenarbeit oder externer Finanzierung basiert, wird vorübergehend und begrenzt (lokal) sein“, sagte Baker. Baker gehört zu den Vorreitern des amerikanischen Arzneimittel-Recyclings, insbesondere des Recyclings von Krebsmitteln, wie Medscape berichtet hatte.

Baker ist einer der Gründer von RemediChain, einem gemeinnützigen Verein, der sich der Förderung der Umverteilung von oralen Chemotherapeutika widmet. „Bei RemediChain schlagen wir ein nationales Netzwerk von Versandapotheken vor, eine pro Land, um die Spenden- und Dispositionsprozesse in jedem Land zu zentralisieren“, sagte er. Derzeit agiert das Unternehmen in 2 Staaten: Tennessee und Iowa.

Baker erklärt, dass eine zentralisierte Apotheke in jedem Staat Recycling-Verfahren zu einem Bruchteil der Kosten mehrerer lokaler, von Ärzten geführter Apotheken ermögliche.

Eine zentralisierte Apotheke sei auch effizienter bei der Umverteilung gespendeter Medikamente, bevor sie ablaufen, fügte er hinzu. Jede Apotheke kann direkt mit den staatlichen Gesundheitsministerien und den pharmazeutischen Gremien als zentrale Anlaufstelle zusammenarbeiten, um die Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen und sicherzustellen, so dass alle Parteien vor Haftungsansprüchen geschützt sind.

Autorin Layton hat diese Ideen aufgegriffen: „Ein nationaler Ansatz könnte dazu beitragen, das Projekt auszuweiten.“

In Iowa beliefert die RemediChain-Tochter SafeNetRx den gesamten Staat mit verschiedenen Medikamenten. In Des Moines wird in Zusammenarbeit mit 12 Onkologie-Zentren ein Recycling von Chemotherapeutika durchgeführt. SafeNetRx hat mehr als 1 Million Dollar an gespendeten oralen Chemotherapeutika gesammelt und einen fast gleich hohen Betrag wieder ausgegeben, erklärte Baker.

SafeNetRx ist seit 2007 in Betrieb, sagte CEO Jon-Michael Rossman. „Wir fungieren als zentrales Lager und dienen als Verrechnungsstelle für die Sammlung, Inspektion und Verteilung von gespendeten Medikamenten“, teilte er Medscape mit. Medikamente, einschließlich Krebsmedikamente, werden für nicht-versicherte und unterversicherte Patienten mit einem Einkommen von weniger als 200% der Armutsgrenze des Bundes bereitgestellt.

Recycling oraler Chemotherapien: Win-Win-Situation

Die Autoren um Layton wollen das Problem des Krebsmedikamenten-Recyclings aus allen Blickwinkeln angehen und auch die Hersteller einbeziehen. So wollen sie beispielsweise mehr orale Chemotherapien in Blisterpackungen verpackt sehen.

„Ein solcher Ansatz könnte nicht nur die Verschwendung von Medikamenten minimieren, sondern auch die Sicherheit und Wirksamkeit der Umverteilung von Einzeltabletten verbessern“, argumentieren sie.

 
Hier ist Deutschland weiter als die USA – wenn man unser bewährtes System nicht zerstört. Michael Höckel
 

Das Recycling oraler Chemotherapien ist eine Win-Win-Situation, schreiben die Autoren. „Wir denken, dass niemand durch eine solche Vereinbarung verliert. Denn das Medikament würde sonst weggeworfen, und die Empfängerpatienten hätten die Medikamente sowieso nicht gekauft“, schreiben sie.

Dieser Artikel wurde von Ute Eppinger aus www.medscape.com übersetzt und adaptiert.

 

Kommentar

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